Reisetagebuch Kapitel 22
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Reisetagebuch Kapitel 22 [August 2010 - Oktober 2011] als PDF
(Als Touristen und Naturisten durch Europa: Teil 1 - Teil 2)

Deutschland
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Deutschland: Fachwerkhäuser und malerische Flüsse

Am 5. August 2010 legten wir mit der Autofähre Huckleberry-Finn nach der 5 ½ stündigen ruhigen Überfahrt, von Schweden her kommend nach Deutschland, in Rostock an. Schon als sich die Fähre dem Hafen näherte, kamen uns mehrere Windjammer und andere alte Segelschiffe entgegen. Erst jetzt erfuhren wir vom Grossanlass „Hansa Sail“ der heute begann und 1 Mio. Besucher erwartete. Dies war also der Grund, weshalb wir um Rostock kein Zimmer gefunden hatten. Stattdessen fuhren wir auf der erfrischend leeren Autobahn südwärts, etwa 70km nach Schwerin.

 

Schwerin: eine imposante Stadt

 

Am späten Abend erreichten wir unser vorgebuchtes Etap-Hotel am Stadtrand von Schwerin. Die € 29.- für ein Doppelzimmer mit Bad, sowie WLAN Anschluss, waren sicher ein guter Preis. Am nächsten Morgen nahmen wir den Bus ins Stadtzentrum, stiegen aber vorher spontan aus, als wir das stattliche Schloss zu Gesicht bekamen. Wir näherten uns ihm durch einen neu gestalteten Park, der verschiedene moderne, oft auch funktionelle Elemente, wie z.B. Parkbänke aufweist. Es gibt auch mehrere angelegte Teiche, einige davon in modernem, diejenigen näher beim Schloss hingegen, eher in traditionellem Layout. Viele Türmchen und Zinnen verzieren das Schloss, welches in verschiedenen Architektur-Stilen auf einer Insel im Schweriner See gebaut wurde, wo es sich wunderschön im Wasser spiegelt.

 

Vom Schloss aus muss man nur eine Brücke überqueren und schon ist man in der Altstadt. Die 100‘000 Einwohner zählende Stadt Schwerin hat ein recht grosses Stadtzentrum mit mehreren grossen Plätzen. Alles ist sehr schön restauriert, obwohl es um ein Haar hätte anders kommen können. In den sechziger Jahren gab es Pläne, das gesamte Zentrum abzureissen und durch Plattenbauten (Fertig-Element Konstruktionen) zu ersetzten. Glücklicherweise fehlte der damaligen DDR Regierung das Geld um diese Pläne umzusetzen. Stattdessen begann man anfangs der achtziger Jahre mit sanfter Restaurierung und nach der Deutschen Wiedervereinigung kam die Renovation der Altstadt auf Hochtouren. Heute findet der Besucher eine sehr schöne Stadt mit einer harmonischen Mischung aus Fachwerkhäusern und anderen Gebäuden aus verschiedenen Epochen. Dazwischen gibt es viele kopfsteingepflasterte Plätze.

 

Nach drei Tagen ging unsere Reise weiter nach Uelzen, einer hübschen Kleinstadt mit vielen Fachwerkhäusern in Norddeutscher Backsteingotik. Auch hier faszinierte es uns, durch die Strassen zu wandern. Obwohl wir mit dem eigenen Wagen hierhergekommen waren, galt unser eigentlicher Besuch dem Bahnhof. Für die Expo 2000 wollte man diesem Gebäude ein Facelifting verpassen und beauftragte Friedensreich Hundertwasser den Umbau zu planen. In typischem Hundertwasser-Stil wurde dieser sehr bunt und verspielt, und fast ohne gerade Linien gestaltet. Leider verstarb der Künstler kurz vor der Fertigstellung seines Uelzer Bahnhofs.

 

Später fuhren wir durch die dünn besiedelte Region der Lüneburger Heide und viele reizende Dörfer. Einige hatten eher ungewöhnliche Namen, wie z.B. Meinkot.

 

Im Harz

 

Schon bald erreichten wir den Harz und klingelten bei einigen der vielen Häuser mit „Zimmer frei“ Schild. So kamen wir zu einem wunderschönen Studio oberhalb von Wernigerode, einer malerischen und deshalb auch sehr touristischen Kleinstadt. Obwohl sie 35‘000 Einwohner zählt, hat man in der belebten und gut erhaltenen Altstadt eher das Gefühl in einem Dorf zu sein. Das grosse Ortszentrum besteht fast ausschliesslich aus zwei- bis dreistöckigen Fachwerkhäusern. Es fiel auf, wie harmonisch und einheitlich sich die Architektur präsentierte, obwohl jedes Haus individuell dekoriert war.

Das schöne Rathaus am Marktplatz versucht die anderen Gebäude noch zu übertrumpfen. Mit seinen zwei charakteristischen Türmen lässt sich leicht nachvollziehen, warum es von den Einheimischen Spielhaus genannt wird. Ebenfalls etwas verspielt ist das Schloss, welches über der Stadt thront.

 

Wernigerode war bereits vor dem zweiten Weltkrieg eine Schönheit und danach wurde es zu einer Vorzeigestadt der DDR. Damals war die Stadt ein beliebtes Ferienziel der Ostdeutschen, da ihnen im Ausland nicht viele Urlaubsmöglichkeiten zur Verfügung standen. Sowohl unsere Vermieter, als auch andere Einheimische, waren sich einig, dass das Leben in der damaligen DDR eigentlich gar nicht so schlecht war, was ihnen fehlte, war vor allem die Freiheit. Einige Ost-Deutsche waren anscheinend etwas enttäuscht, als sie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zum ersten Mal in den Westen reisten. Aus dem illegal konsumierten Westfernsehen hatten sie den Eindruck gewonnen, dass drüben alles viel besser sein müsste – und nun waren die Strassen doch nicht vergoldet. Vor allem Menschen aus privilegierten Orten wie Wernigerode waren überrascht, wie baufällig gewisse Quartiere im Westen waren. Niemand möchte die Zeit zurückdrehen, aber in der Zwischenzeit haben viele realisiert, dass sie für die Freiheit auch einen Preis bezahlt haben, und dass einige Dinge im alten System doch besser geregelt waren. Auch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung sind sowohl Preise, als auch Löhne im ehemaligen Osten noch immer etwas tiefer als im Westen. Sonst gibt es aber heute keine grossen Unterschiede mehr, ausser dass es in den neuen Bundesländern einen grösseren Anteil an neuen Autobahnen und frischer Farbe hat.

 

Die Innerdeutsche-Grenze ging mitten durchs Harzgebirge. Gedenktafeln erinnern an die ehemalige Zonengrenze, an die heute viele nicht einmal mehr einen Gedanken verschwenden, wenn sie die friedliche Landschaft auf beiden Seiten betrachten.

 

Die Nachbarsstadt Goslar befindet sich bereits auf der anderen Seite der ehemaligen Zonengrenze. Sie ist etwas städtischer, doch in mancher Hinsicht sehr ähnlich zu Wernigerode. Auch Goslar hat viele schöne Fachwerkbauten, dazwischen aber auch viele „steinerne Schindelhäuser“. Bisher kannten wir nur Schieferdächer, aber hier sind ganze Fassaden mit Schiefer belegt. Sie waren oft handgefertigt und hatten sehr dekorative Muster. So beeindruckend diese Handwerksarbeit auch ist, die graue Farbe des Schiefers vermittelt aber doch einen etwas deprimierenden Eindruck.

 

Während unserer Stadtbesichtigung stach uns das Restaurant „Butterhanne“ ins Auge, welches Windbeutel gegen den kleinen Hunger anbot. Kommt uns wie gerufen, dachten wir und setzten uns ins Gartenrestaurant. Als wir für Heinz einen grossen (€ 4.50), und für Brigitte einen kleinen Windbeutel (€ 3.50) bestellen wollten, warnte uns die Kellnerin, dass auch die kleinen recht gross seien, worauf wir dann nur zwei kleine Profiterolen bestellten. Die „bescheidenen“ Portionen, die wir daraufhin serviert bekamen, waren wirklich kaum grösser als unsere Köpfe und gefüllt mit höchstens je ½ lt. Sahne…

 

Als wir zurück in Wernigerode waren, unterhielten wir uns wieder etwas mit unseren Vermietern. Sie erzählten uns, dass es in dieser Stadt schon immer von Restaurants und Strassencafés wimmelte und dass diese zu DDR Zeiten so preiswert waren, dass es sich jeder leisten konnte auswärts zu essen, wenn auch die Küche damals noch nicht ganz so raffinert, aber doch auch gut gewesen sei. Im Gegensatz zu heute füllten sich die Lokale damals noch jeden Abend.

 

Wir befolgten die Ratschläge unserer Vermieter und besuchten ein paar Sehenswürdigkeiten im Harz. Verschiedene Sagen handeln von Hexen und Teufeln und dies wird von der Tourismusindustrie natürlich kräftig vermarktet. Nachdem wir Gernrodes Kuckucks Uhr, die grösste ausserhalb des Schwarzwaldes, besichtigt hatten, besuchten wir als nächstes die Teufelsmauer bei Weddersleben. Es handelt sich um eine 8km lange Sandsteinmauer die von der Natur, bzw. gemäss der Sage, vom Teufel empor geschoben wurde. Es ist schon merkwürdig wie stark sich die Mauer talwärts, in Richtung des darunterliegenden Dorfes neigt. Die einzelnen Abschnitte bestehen aus über 10m hohen schrägen Felsen, die wie einzelne Steine erscheinen.

 

Oben im Harzgebirge erreichten wir den Hexentanzplatz. Auch dies ist ein sagenumwobener Platz, doch die Skulptur einer Hexe hingegen, ist zeitgemäss; sie trägt Birkenstock Sandalen. Von hier oben sieht man in die dramatische Bode-talschlucht. In der Legende ist auch die gegenüberliegende Talseite mit eingeschlossen und dort befindet sich, an einem weiteren Aussichtspunkt, die sogenannte „Rosstrappe“ (Pferdehuf Abdruck). Unsere Rückfahrt führte uns durch sattgrüne Harzlandschaften, vorbei an Gaststätten und Pensionen, welche sich in Schluchten oder enge Täler einschmiegen.

 

Entlang der Deutschen Fachwerkstrasse

 

Nach drei intensiven Tagen verabschiedeten wir uns in Wernigerode und folgten einem Teilstück der „Deutschen Fachwerkstrassen“, die von diversen Touristen Broschüren gut dokumentiert werden. Insgesamt gibt es 7 Abschnitte dieser Strasse, die sich im zick-zack quer durch Deutschland zieht. Es würde Ewigkeiten dauern, alle Fachwerk-Dörfer zu besuchen und es wurde uns bewusst, wie viele malerische Orte es im ganzen Land gibt. So suchten wir uns einfach einige aus, die wir gut in unseren Weg einbauen konnten. Eines davon war Uslar, ein kleines schmuckes Dorf.

 

Noch am selben Nachmittag überquerten wir mehrere Gebirgsketten, bevor wir schlussendlich in Hannoversch Münden landeten. Diese hübsche Kleinstadt mit 25‘000 Einwohnern ist zwischen drei Flüssen eingebettet. In der malerischen Altstadt gibt es fast nur alte, oft schiefe Fachwerkhäuser. Hann. Münden ist eine befestigte Stadt und Teile der Stadtmauer, sowie ein paar Wachtürme sind immer noch intakt. Wie in vielen anderen Städten, gibt es auch in Hann. Münden ein stattliches Rathaus. Dieses wurde nicht als Fachwerk-, sondern als Steingebäude erstellt. Der Eingang, sowie das danebenliegende Fenster sind sehr aufwändig gestaltet.

Wir hatten Glück, dass wir ein kleines Studio mitten im Zentrum fanden. Es lag im dritten Stock eines schiefen Fachwerkbaus. Man hat es zwar renoviert und dem heutigen Standard angepasst, doch der schräge Fussboden war nicht begradigt worden. Jedes Zimmer hatte ein unterschiedliches Niveau und oft hatte man Keile untergeschoben, um die Möbel gerade zu stellen. Es war alles sehr charmant, aber wir mussten immer aufpassen, dass wir keine Kopfabdrücke an Deckenbalken und Türrahmen hinterliessen.

 

Bevor wir am nächsten Morgen weiterfuhren, frühstückten wir noch in einer der vielen Bäckereien mit Stehcafé. Diese Deutsche Institution ist uns so richtig ans Herz gewachsen. In vielen Bäckereien gibt es eine kleine Ecke, entweder mit Tischen oder einer Stehbar, wo die Kunden ihre Backwaren gleich verzehren und dazu eine Tasse Kaffee bestellen können. So kamen wir täglich zu einem guten und preiswerten Frühstück.

 

Als wir entlang der Fachwerkstrasse weiter südwärts fuhren, besuchten wir zwei weitere Juwelen: Fritzlar und Alsfeld. Beide waren enorm hübsch, aber an diesem Tag mussten wir leider in neue Regenschirme investieren; anscheinend fand der Wettergott, dass wir wieder einmal eine Hirnwäsche nötig hätten. Das Positive daran war, dass wir so noch ein Fachwerkhaus von innen sahen: eines wo Kaffee und Kuchen serviert wurde. Dies war eine willkommene Abwechslung zu unserem täglichen Eisbecher in einer der vielen Italienischen Eisdielen.

 

Wir übernachteten in Marburg, einer hübschen 80‘000 Seelenstadt an der Lahn. Die Altstadt liegt an einem Hügel über dem neuen Stadtteil und über allem thront majestätisch das Schloss Marburg und wacht über die vielen Fachwerkhäuser zu seinen Füssen. Am Abend zog es alle in die atmosphärisch beleuchtete Altstadt, den Ort, um zu sehen und gesehen zu werden!

 

Ein paar Tage entlang der Mosel

 

Anderntags ging’s weiter nach Koblenz, wo wir ins Moseltal abzweigten. Dies ist ein beliebtes Feriengebiet mit steilen Hängen oberhalb der Flussufer. Dort werden oft bis hinauf zu unvernünftig hohen und steilen Lagen Reben angebaut. Die ganze Gegend ist sehr malerisch und durchstreut mit romantischen Schlössern, Ruinen und Dörfern. Da wir hier ein paar Tage verweilen wollten, suchten wir nach den „Zimmer frei“ Schildern, welche man in den meisten Dörfern entlang der Mosel reichlich findet. Da es noch früher Nachmittag war, hofften wir im ansprechenden Ort Alken auf eine Unterkunft an schöner Lage und mit allem Pipapo. Nachdem wir eine Stunde lang überall abgewiesen wurden, krebsten wir mit unseren Wünschen zurück. In der Zwischenzeit hatten wir erfahren, dass an diesem Wochenende ein beliebter Anlass im Dorf stattfinden würde und so sahen wir uns anderswo um. Mit viel Glück fanden wir schlussendlich ein hübsches Zimmer in einem netten Haus in Niederfell.

 

Am nächsten Tag zeigte sich das Wetter von der besten Seite und so schwärmten wir in die Umgebung aus. Als wir der Mosel entlang fuhren, fiel uns eine bemerkenswerte Anzahl grosser Boote auf. Darunter waren Mini-Kreuzfahrts-Schiffe oder Ausflugsboote, aber am häufigsten: unglaublich lange Frachter. Diese Kähne waren weder breit noch hoch oder tief, doch sie konnten bis 110 Meter lang sein. Die Länge war wahrscheinlich nur durch die vielen engen Moselschlaufen und die Schleusen beschränkt. Die Kapitäne und ihre Helfer führten jeweils ihre Autos und ab und zu auch ein Sportboot auf dem Deck mit.

 

Das Schloss Liebig und einige schmucke Dörfer wie Hatzenport und Treis spiegelten sich wunderschön im Fluss. Die Burgruine Thurant hingegen, thront noch immer majestätisch hoch über dem Dorf Alken. Cochem ist ebenfalls sehr schön, aber auch schön touristisch. Es war schon eine Herausforderung einen Parkplatz zu finden und dann mussten wir uns in der Stadt durch die Menschenmassen drängen. Wir können uns kaum vorstellen, wie es hier im Herbst aussehen muss, denn dann sollen noch vielmehr Touristen hierher pilgern, wie uns gesagt wurde. Die Leute strömen nach Cochem wegen der engen, von schönen Fachwerkhäusern gesäumten kopfsteingepflasterten Gassen. Auch die mittelalterliche Reichsburg, welche über der Stadt thront, ist ein Besuchermagnet.

 

Am selben Tag fuhren wir noch zur Burg Eltz. Es war eine lange, aber schöne Fahrt durch Felder und das Schloss schien uns viel weiter von der Mosel entfernt, als es wirklich ist. Wir hatten schon bald das Gefühl, dass wir uns auf einer Hochebene befänden, da man bald weder von der Mosel, noch von der Eltz etwas sehen konnte. Die beiden Flüsse waren ganz tief unten im Tal versteckt, als ob sie in einem Canyon wären. Endlich erreichten wir eine Waldlichtung am Hügel und erspähten die einsame Burg Eltz unter uns, welche über den, auf drei Seiten um sie fliessenden Fluss wacht.

 

Nach zwei Tagen basierten wir uns in einer weiteren Frühstücks-Pension, diesmal in Ediger-Eller, einem ebenfalls eher touristischen Dorf. Wie überall entlang der Mosel, gibt es auch hier sehr viele Restaurants – zu viele, dass sie nur von den Einheimischen überleben könnten. Alle servierten eher grosse Portionen, aber mit etwas Umsicht konnte man sogar Lokale finden, bei denen auch die Qualität überzeugte. Viele Besucher kommen sicherlich wegen des Weines hierher und einige unter ihnen sind wohl nicht so wählerisch, was sie dazu essen.

 

Rebberge findet man selbst an den steilsten Hängen über dem Fluss. Calmont nimmt für sich in Anspruch mit 65°„der allersteilste“ Rebberg der Welt zu sein. Es ist nicht nur sehr gefährlich, sondern auch sehr anstrengend die Reben auf so steilem Terrain zu bewirtschaften. Viele Bauern hatten auch bereits aufgegeben. Um aber den speziellen Charakter dieser Region zu erhalten, hat sie die Regierung mit Subventionen zum Weiterführen des Weinbaus „bestochen“. Irgendwie ist dies verrückt, denn die Regierung gibt ja schliesslich auch sehr viel Geld aus, um vom Alkohol verursachte Probleme zu lösen. An den Hängen entlang der Mosel wurden speziell konstruierte Monotrack Eingleis-Systeme installiert. Dies ist eine vereinfachte Monorail Bahn, mit einer Art Traktörchen mit Einspur-Wägelchen als Anhänger. Dank der Subventionen kann sich jeder Moselbauer so einen Monotrack leisten und damit werden heute die geernteten Trauben zu Tal gebracht.

 

Ein Spaziergang durch die Rebberge oberhalb der Mosel lohnt sich nur schon wegen der faszinierenden Aussicht über die engen Fluss-Schlaufen. Es ist hochinteressant zu beobachten, wie die langen Kähne dort durch navigieren. Wenn man die eng zusammengeschmiegten Häuser der kleinen Dörfer von oben betrachtet, sieht man nichts als einhellig graue Schieferdächer, aus denen hie und da ein Kirchturm emporragt.

 

Nach zwei Tagen fuhren wir am 17. August südwestwärts weiter und sahen uns in Traben-Trarbach kurz das beeindruckende Brückentor mit seinen zwei Türmen an.

Noch etwas weiter flussaufwärts erreichten wir Bernkastel-Kues, ein weiteres entzückendes Städtchen, vielleicht das allerschönste an der Mosel. Mit seinen vielen Fachwerkhäusern entlang der engen kopfsteingepflasterten Strassen, Gassen und Plätze, ist es ganz besonders reizend. Die Einwohner legen viel Wert auf Details, wenn sie ihre Häuser dekorieren. Überall sah man Blumen und Figürchen. Farbe wurde nicht nur dazu verwendet die alten Balken zu streichen, sondern auch um mittelalterliche Sprüche an die Fassaden zu malen. Fast jede Firma macht mit einem schmiedeeisernen Schild auf sich aufmerksam.

 

Saarburg & Trier

 

Unsere nächste Destination war Saarburg, wo wir zwei Nächte blieben. Dies ist eine sehr hübsche Stadt über der Saar. Ein weiteres Gewässer, der Leukbach, fliesst mitten durchs Zentrum. Direkt zwischen den Häusern fällt er über einen hohen Wasserfall und treibt darunter mehrere Wasserräder an. In früheren Zeiten wurden sie zum Mahlen von Getreide und Öl benutzt. Saarburgs Burg thront auf einem Felsvorsprung über der Altstadt und ist am Abend sehr schön beleuchtet.

 

Am nächsten Tag nahmen wir den Zug ins nahegelegene Trier. Diese Stadt mit 100‘000 Einwohnern wurde einst von den Römern unter dem Namen Augusta Treverorum gegründet und beansprucht damit den Titel, die älteste Stadt Deutschlands zu sein. Die mächtige Porta Nigra (Schwarze Pforte) ist das einzige Tor, das noch von der Römischen Stadtmauer übrig ist. Viele weitere Relikte aus der Römerzeit findet man auch heute noch in der ganzen Stadt, so z.B. ein Amphitheater, die Kaisertherme, die Barbara-Thermen und eine Römische Brücke.

Im schmucken Stadtzentrum findet man eine gute Mischung aus Fachwerkhäusern, sowie aus Gebäuden in Jugendstil und Barock. Wir fanden auch recht viele grosse Plätze, Kirchen und Paläste. Trier ist nicht nur ein Magnet für Touristen, sondern dank der Universität auch eines für Studenten, und dank der vielen Geschäfte, auch eines für Schnäppchenjäger.

Wir waren überrascht, wie selten Kreditkarten in Deutschland akzeptiert wurden. Weder Restaurants, noch Läden oder kleine Hotels nahmen Kreditkarten an – sie wollten alle nur das eine: Bargeld!
Auch Internet-Zugang, der in Skandinavien in so gut wie jeder Jugendherberge selbstverständlich war, gab es in unseren Deutschen Unterkünften kaum. Ironischerweise bot nur das preiswerteste Quartier beides.

 

Quer durch den Schwarzwald

Um den Schwarzwald zu erreichen, entschlossen wir uns, eine Abkürzung durch das Französische Elsass zu nehmen. Mit einer Autofähre über den Rhein, die zu unserer grossen Überraschung sogar gratis war, kamen wir zurück auf Deutsches Gebiet. Unser Ziel war die Strasse Nr. 500, welche unter dem Namen „Schwarzwald Hochstrasse“ bekannt ist. Wir hofften auf eine Nebenstrasse mit wenig Verkehr, fanden aber eine Hauptstrasse mit sehr viel Verkehr, denn diese ist bei Touristen sehr beliebt, seien sie nun mit dem Fahrrad, Motorrad, oder mit dem Auto unterwegs. Vor allem entlang des nördlichen Strassenabschnittes sah man mancherorts wunderschön über die Landschaften und Hügelzüge des Schwarzwaldes.

 

Für unsere nächste Übernachtung fanden wir wieder eine nette Frühstückspension. Sie befand sich in Schiltach, einem unglaublich malerischen Dorf, das nicht einmal vom Touristenstrom überrannt war. Es liegt an einem Berghang beim Zusammenfluss zwei kleiner Flüsse. Im kopfsteingepflasterten Zentrum findet man fast nur Fachwerkhäuser, von denen einige schon im 16. Jh. erbaut wurden. Nachdem wir am nächsten Morgen wiederum eine Bäckerei für unser Frühstück überfallen hatten, machten wir uns bei schönstem Wetter wieder auf den Weg.

 

Unseren ersten Halt machten wir in Triberg, welches nur bekannt wurde, weil sich hier die grösste Kuckucks-Uhr der Welt befindet. Genauer gesagt befindet sie sich an einem Haus mit einem grossen Touristengeschäft. Oberhalb einer riesigen Uhr befindet sich ein Fenster, bei dem sich alle 15 Minuten die Fensterläden öffnen. Ein hölzerner Vogel erscheint und verbeugt sich vor seinem Publikum, das zu spendierfreudigen Kunden seines Besitzers werden soll. Dabei ruft der Holzvogel sein obligatorisches Kuckuck. Im Ladeninnern hört man diesen Ruf hundertfach, da alle Wände mit solchen Uhren überfüllt sind. Die meisten sind aus Holz hergestellt und mit vielen Schnitzereien verziert. Wir fanden die meisten sehr kitschig, doch die Preisschilder möchten uns Kritiker Lügen strafen.


Triberg ist kein besonders hübsches Dorf, aber die vielen Kuckucks Uhren-Geschäfte wirken wie ein Touristenmagnet. Etwas oberhalb des Ortes gibt es einen Wasserfall und da die Leute vor allem hierher kommen, um Geld auszugeben, wird Eintritt verlangt, um diesen zu sehen. Wir gaben unser Geld lieber für einen letzten Eisbecher aus, bevor wir weiterfuhren.

 

Nur im mittleren und südlichen Schwarzwald sahen wir ab und zu ein paar typische Schwarzwälder Bauernhäuser. Oft waren ihre grossen Dächer, oder die ihrer Stallungen, mit Solarzellen belegt. Gute Bauern wissen wofür man Subventionen kriegt; einmal ist es Mais, ein anderes Mal sind es Solarzellen, und diese brauchen nicht einmal Dünger…

Unseren letzten Stopp in Deutschland machten wir in Titisee, am See mit dem gleichen Namen. Allein schon die Grösse des riesigen Parkplatzes liess einen grossen Touristenaufmarsch vermuten. Und genau das war es – nichts anderes! Zugegeben, die Lage der vielen Touristen-Hotels, Touristen-Lokale und Touristen-Geschäfte direkt am See, ist wirklich sehr hübsch. Es gibt aber auch viele andere Seen, die ebenso schön sind, nur dass es dort keine Touristenfallen hat. Wir machten das Beste draus; genehmigten uns ein grosses Stück Schwarzwälder Torte und fuhren danach in die Schweiz, wo uns Heinz’ Schwester zu ihrer Geburtstagsfeier erwartete.

Sicherlich war unsere zweiwöchige Deutschlandreise noch viel lohnenswerter gewesen, als wir es erwartet hatten. Weit weg von den Autobahnen, erlebten wir entlang von Nebenstrassen, ein liebliches Land mit viel Kultur, malerischen Landschaften und reizenden Dörfern und Städten.

 

Via Frankreich nach Südspanien

 

Wir hielten uns nur ganz kurz in der Schweiz auf, besuchten unsere Eltern und Schwestern und schon bald setzten wir unsere Reise fort. In Erstfeld besichtigten wir eine Baustelle des neuen Gotthard-Basistunnels, welcher nach seiner Eröffnung etwa in 2016, der längste Tunnel der Welt sein wird. Als nächstes fuhren wir über die atemberaubende Furka-Strasse und besuchten kurz nach der Passhöhe die künstlich angelegte Eisgrotte im Rhonegletscher. Im Wallis fanden wir eine nette Pension in Obergesteln und genossen ein gutes Wildgericht in einem nahegelegenen Hotel. Am nächsten Morgen fuhren wir weiter Talwärts bis Martigny, wo wir nach Frankreich abbogen.

 

Eine weitere Passtrasse führte uns über den Col de Montets nach Chamonix. Von dort ging’s weiter bis ins nette Städtchen St. Jean de Maurienne, wo wir übernachteten. Am nächsten Tag überquerten wir den 2‘067m hohen Col de la Croix de Fer, sowie den 1‘457m hohen Col de Menée. Bevor wir bei Nonières wieder ins Tal kamen, sahen wir entlang unseres Weges viele Felsformationen die zu Steinsäulen erodiert waren. Danach besuchten wir kurz die Ortschaften Chatillon en Diois und Die, bevor wir abends Crest erreichten, wo wir ein weiteres Mal übernachteten.

 

Am nächsten Morgen, dem 10. September, war es nur noch eine kurze Fahrt bis zum Domaine de la Sablière, einem netten FKK-Gelände. Es liegt im Cèze-Tal etwa 7 km ausserhalb von Barjac in der Nähe der Ardèche Schlucht. Wir mieteten uns ein Mobilheim und genossen sechs sonnige Tage auf diesem sehr natürlichen Platz, zu dem wir immer wieder gerne zurückkommen.


Am 16. September ging unsere Reise weiter westwärts durch die spektakuläre ‚Gorge de la Vis‘. Später sahen wir uns das malerische Dorf Olargues an. Danach übernachteten wir in einem Hotel im Zentrum Mazamets. An diesem Abend genossen wir eine letzte Französische Gourmet-Mahlzeit.

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Fotos Mehr über Natsun & Vera Playa: Kapitel 19

Zum Überwintern nach Spanien

Tags drauf fuhren wir über die Pyrenäen nach Spanien weiter. Kurz nach dem neuen Tunnel de Vielha, erreichten wir mehrere Spanische Skiorte entlang der Strasse N230. Danach setzte ein sintflutartiger Regen ein und wir waren froh, dass wir in Bernabarre ein gutes Zimmer in einem Hostal fanden. Am nächsten Morgen erreichten wir bereits nach wenigen Kilometern einen Höhepunkt: die wirklich spektakuläre Schlucht des Rio Esera. Hier hatten sich die Gesteinsschichten fast vertikal aufgefaltet und dem kleinen Fluss blieb nur eine enge Felsspalte.
Zaragossa umfuhren wir im Nordwesten und bogen bei Ejea de los Caballeros nach Süden ab. Vorbei an grossen Feldern und vielen kleinen Dörfern, gelangten wir bis am Abend nach Molina de Aragón, wo wir wiederum übernachteten. Die Rezeptionistin erzählte uns, dass wir im kältesten Ort Spaniens gelandet seien, und es fühlte sich hier wirklich deutlich kälter an, als an den letzten Orten. Molina liegt zwar nicht zwischen Bergen, aber doch auf einer Höhe von 1‘000 Metern. Hier wurde einmal die Rekord-Tiefsttemperatur von -28°C gemessen.

Reste einer Moorischen Festung mit mehreren intakten Wachtürmen, thronen über dem hübschen Ort. Innerhalb der alten Stadtmauer gibt es aber kein einziges Haus mehr. Die jetzige Ortschaft liegt vollkommen unterhalb der Festung (Alcazar). Obwohl Molina nur 3‘500 Einwohner zählt, war hier am Abend ziemlich viel los. Mit den vielen Leuten die auf der „Rambla“ spazierten, fühlte es sich so richtig Spanisch an. Uns ist aber weder hier, noch in anderen ähnlich grossen Inland-Dörfern, ein richtiger Supermarkt aufgefallen, von einem Einkaufszentrum ganz zu schweigen! In den Küstenorten die wir kennen, gibt es überall grosse Filialen verschiedener Supermärkte. Die Spanischen Touristenorte werden wohl besser versorgt, als die einsamen Orte im Landesinnern.

 

Am nächsten Tag fuhren wir entlang der Strasse CM210 weiter südwärts. Die Landschaft blieb ländlich und eher karg, ab und zu flach, dann wieder hügelig. Manchmal kamen wir an einer Windfarm, oder an einem Solarzellen-Kraftwerk vorbei. Meist waren es aber traditionelle Korn- oder Sonnenblumenfelder und Olivenhaine. Am späten Nachmittag erreichten wir die Sierra de Segura, wo wir in Orcera ein nettes Hotelzimmer fanden. Dies ist ein weisses Dorf, welches an einem Hang klebt. Genauso wie sein Nachbardorf Segura de Sierra, gleicht es den typischen Andalusischen Dörfern und dorthin fuhren wir als nächstes. Es war eine spektakuläre Fahrt durchs Gebirge, wo oft grosse Nadelwaldgebiete durch Olivenplantagen ersetzt worden waren. Kurz nach der Passhöhe des 1‘600 Meter hohen Puerto del Pinar, erreichten wir die Mittelmeerküste. Während unserer letzten 100 km regnete es nun wieder in Strömen, ausser an unserem Ziel: Vera Playa. Selbst in Vera goss es noch, doch Natsun war definitiv UNSER PLATZ AN DER SONNE!

 

Zurück im Natsun in Vera Playa

 

Am 20. September 2010 erreichten wir die Reception von Natsun. Wir wurden von den Besitzern Hedi & Jan herzlich empfangen und waren sehr erfreut, dass sie uns dasselbe Apartment zuteilten, welches wir schon beim letzten Mal hatten.

So konnten wir wiederum von der tollen Aussicht profitieren, die man von mancher von Natsuns Ferienwohnungen geniessen kann. Zudem hatten wir nun also wieder dieselben netten Nachbarn, mit denen wir während unserer 1½ Jahre im Hohen Norden Kontakt gehalten hatten.

 

Da einige der Kleinigkeiten, die wir hier zurückgelassen hatten, immer noch im Apartment waren, fühlten wir uns sofort wie zuhause. Den Grossteil unserer „Schätze“ mussten wir allerdings im Keller holen, so z.B. unseren Backofen, Shaker und ein paar zusätzliche dekorations- und möblierungs Elemente. Bei 30°C im Schatten war dies eine schweisstreibende Angelegenheit. Sehr froh waren wir nun über die schattenspendende Pergola, die man neu auf der Terrasse errichtet hatte.

 

Wettermässig hatten wir riesiges Glück, da wir nicht nur mit einem aussergewöhnlich warmen Herbst beschert wurden, sondern auch mit einem aussergewöhnlich warmen und sonnigen Winter und Frühling. In Andalusien ist es normalerweise bis im November, manchmal sogar noch zu Silvester möglich, im Meer zu baden. In diesem Jahr waren die Lufttemperaturen aber im Oktober meistens noch so hoch wie normalerweise im August.

 

Bis etwa Mitte Oktober war Natsun fast ausgebucht, aber danach ging es bis Neujahr eher ruhig zu. Bald darauf kamen so viele Rentner, die dem kalten Winter in Zentral- und Nordeuropa entfliehen wollten, dass die Anlage schnell wieder brechend voll war. Paradoxerweise sehnen sie sich alle nach Sonne, obwohl sie für ihren Aufenthalt die kälteste Jahreszeit auswählen. Obwohl dies einer der wärmsten Winter war, den wir je in Andalusien erlebt hatten, wurde dieser von etwa zwei Wochen ungewöhnlich kaltem Wetter unterbrochen. Während dieser Zeit stiegen die Temperaturen kaum über 5°C und es gab mehrmals Gewitter, gefolgt von Hagelstürmen, was hier sehr selten vorkommt. An einem Abend schneite es sogar. Ironischerweise erhielten wir genau während dieser Kälteperiode mehrere e-Mails von Freunden, die uns um das (wie sie glaubten) „warme“ Winterquartier beneideten! Grund zu jammern haben wir aber sicherlich nicht; an einigen Januar-Tagen war das Wetter so warm, dass man „ganz ohne“ einen Strandspaziergang machen konnte.

 

Wohl aus Gewohnheit pilgern jeden Winter dieselben Leute hierher. Deshalb kennt man sich, was oft zu Geselligkeit führt. Egal ob am Strand, auf dem Parkplatz, oder auf einem Spaziergang; man trifft immer wieder Bekannte und hält für einen kleinen Schwatz inne. Oft luden wir jemanden zum Kaffee oder Abendessen ein, oder wir wurden eingeladen. Andere Male wiederum, gingen wir mit jemandem zum Essen aus. Dies war meist nicht ohne unangenehme Kompromisse möglich, da die meisten Winter-Flüchtlinge schon das Abendessen einnehmen, wenn die letzten Spanier gerade mit ihrem Mittagessen fertig sind. Wir hingegen ziehen es vor, spät zu essen.

 

Vom Strand hinaus aufs Land

 

Mehrmals schwärmten wir aus, um den frühen Frühlingsanfang zu erleben. Unser grösster Ausflug brachte uns für ein paar Tage nach Valencia, etwa 400km nordöstlich von Vera. Da wir noch mehr Mandelbäume in der Blüte erleben wollten, entschieden wir uns für kleine Nebenstrassen durchs Landesinnere. Wir kamen durch hügelige Landschaften, wo der sonst karge Boden mit Wildblumen übersät war. In einigen Gegenden war die Mandelblüte zwar schon vorbei, aber sobald wir etwas in die Höhe kamen, wie z.B. zwischen Caravaca und dem Jumilla Pass, erschienen die Mandelhaine und Obstplantagen wie gigantische rosarote oder weisse Blütenteppiche. Entlang unseres Weges kamen wir an der Baustelle eines grossen Solarparks vorbei. Wie wir erst später erfuhren, wird dieser zum grössten Teil von der Stadt Zürich und vom EW des Kantons Basel finanziert.

 

Am 1. März 2011 erreichten wir das Ibis Hotel am Stadtrand von Valencia. Obwohl unser Hotel nur 5km vom Zentrum entfernt lag und einen Busstop direkt vor der Tür hatte, war es nicht ganz so einfach, wenn man sich auf den öffentlichen Verkehr verlassen wollte. Obwohl die Spanier die ganze Nacht ausgehen, fällt fast der gesamte öffentliche Verkehr in Spanischen Grosstädten (inklusive Madrid und Barcelona) um 10 Uhr abends in einen tiefen Schlaf. Irgendwie können wir es nachvollziehen, dass sich die Spanier überhaupt nicht dran stören. So zwischen 19:00 und 22:00 Uhr schwärmen sie für Tapas aus, suchen sich zwischen 21:00 Uhr und Mitternacht ein geeignetes Lokal fürs Abendessen, machen danach einen Spaziergang bevor sie in die Disco gehen, welche so zwischen 02:00 und 03:00 Uhr morgens öffnet. Bis sie dann nach Hause wollen, fahren schon längst wieder die ersten Morgenbusse oder Züge… Wir nahmen dann halt notgedrungen den letzten Bus um 22:00 Uhr und tafelten danach in einem Restaurant in der Nähe unseres Hotels.

 

Die Einheimischen waren immer sehr hilfreich, wenn wir uns, mit unserem limitierten Spanisch, nach dem Weg, oder dem richtigen Bus, erkundigten. Sie gaben sich die grösste Mühe uns zu helfen das Ziel zu finden. Ein Mann nahm uns sogar in seinem Auto mit, damit wir schneller zur U-Bahn Station kamen, welche mehr oder weniger auf seinem Weg lag. Witzigerweise fuhr er ebenfalls eine Dacia, welche mit unserer sowohl im Modell, als auch in Farbe identisch war.

 

Futuristische Gebäude der „Ciudad de las Artes y las Ciencias

 

Wir waren vor allem nach Valencia gekommen, um die eindrücklichen futuristischen Gebäude der „Ciudad de las Artes y de las Ciencias“, der Stadt der Künste und der Wissenschaften zu bewundern. Dieses architektonische Meisterwerk wurde vom bekannten Stararchitekten Santiago Calatrava entworfen. Er stammt aus Valencia und studierte sowohl in seiner Heimatstadt, als auch in Zürich.

Um der 800‘000 Seelen Stadt eine grüne Lunge zu schaffen, wurde der Fluss Turia in ein neues Bett, ausserhalb der Stadt umgeleitet und das alte Flussbett in einen riesigen Stadtpark umgestaltet. Ein kleiner, etwa 2km langer Abschnitt dieses Parks wurde zum Bau der „Ciudad de las Artes y de las Ciencias (CAC)“ verwendet. Diese Ansammlung ultramoderner Gebäude ist ein wahres Fest für jeden Architekturliebhaber und beeindruckt Besucher jung und alt. Sie besteht aus vier faszinierenden Gebäudekomplexen, sowie aus zwei weiteren extravaganten Strukturen; einem riesigen Bogengang aus Metall; genannt „Umbracle“, sowie der harfen-ähnlichen Brücke; „Puente de l’Assut de l’Or“.

 

Wir beginnen im Nordwesten des „CAC“ wo sich der 70m hohe „Palacio de las Artes Reina Sofía“ (Kunstpalast Königin Sofia) befindet. Er beherbergt Oper- und Theatersäle. Dieses prächtige Bauwerk hat etwa die Form eines Eies mit vielen Strukturen. Der augenfälligste Teil ist die 230m lange, sogenannte Feder, welche sich über das Dach schwingt. 

 

Daneben liegt ein kleineres extravagantes Gebäude: „el Hemisfèric“. Es hat die Form eines Auges, welches aus einem spiegelnden Wasserbecken blinzelt. Darin befindet sich ein IMAX Kino, dessen runde Leinwandkuppe einer Pupille gleicht. Es wurde 1998 als erstes Gebäude der „CAC“ fertiggestellt.

 

Das nächste spezielle Bauwerk ist einem weiteren Mitglied der Spanischen Königsfamilie gewidmet: „Museo de las Ciencias Príncipe Felipe“, das Museum der Wissenschaften. Seine interaktiven Ausstellungen beanspruchen 26‘000 m2 Fläche. Etwa 20‘000 m2 Glas wurden zum Bau dieses Komplexes verwendet. Mit seinen 220 Metern Länge, 80 Metern Breite und 55 Metern Höhe ist es das grösste, der vier ungewöhnlichen Gebäude. Als Schweizer sahen wir gewisse Ähnlichkeit zu einer gigantischen Toblerone aus Stahl und Glas.

 

Als letztes erbaute man „el Ágora“, eine geräumige Halle, welche für Ausstellungen und andere Anlässe genutzt wird. Obwohl sie bereits im Jahr 2009 offiziell eröffnet wurde, war sie auch im März 2011 noch nicht ganz fertiggestellt. Dieses dunkelblaue Gebäude entspricht von der Form her einer gigantischen, aufrecht stehenden Muschel, welche (ihr Dach) öffnen und schliessen kann.

 

Gleich dahinter befindet sich das ozeanographische Museum und Aquarium „Oceanogràfic“, das etwa 500 verschiedene Spezien aus dem Umfeld des Meeres beherbergt. Nur wer Eintritt bezahlt, kann das herausragendste Gebäude des „Oceanogràfic“ bewundern, welches von Felix Candela entworfen wurde.

 

Die übrigen futuristischen Gebäude der „Ciudad de las Artes y de las Ciencias“ kann man hingegen von aussen ohne Eintritts- oder sonstige Kontrolle, bewundern und nach Lust und Laune zwischen diesen beeindruckenden Strukturen herumwandern. Dies lohnt sich Tag und Nacht und wir fanden die Dämmerungs- und Abendstunden besonders interessant, da dann die gesamte „ciudad“ wunderschön beleuchtet wird.

 

Historisches und verrücktes Valencia

 

Nachdem wir am ersten Abend nur die „CAC“ und ein Restaurant besuchten, stand am nächsten Tag Valencia’s historisches Stadtzentrum auf dem Programm. Wir wunderten uns, wie es die grossen Stadtbusse schaffen, sich durch die engen Strassen zu zwängen, welche auch noch beidseitig mit parkierten Autos überstellt sind. Nachdem wir den Bus im Zentrum verliessen, erkundigten wir die Stadt zu Fuss.

Die Altstadt liegt am trockengelegten Flussbett der Turia und die alten Brücken führen den Verkehr nun über den Stadtpark, statt über das Wasser. In der gesamten Stadt gab es immer wieder historische Gebäude zu bewundern. Darunter waren die grosse Markthalle im Zentrum und der „Mercado de Colon“, beide mit schönen Markthallen. Wunderschön sind auch die Hauptpost, der Nordbahnhof und natürlich unzählige Kirchen und die obligatorische Stierkampf-Arena. Zudem gab es mächtige Stadttore, ein beeindruckendes Rathaus und mehrere Plätze, welche alle hübsch mit Blumen eingefasst waren.

 

Momentan steckte die Stadt mitten in den Vorbereitungen zu den „Fallas, wie Valencia’s berühmter Karneval genannt wird. Ganze Strassenzüge wurden, ähnlich wie zu Weihnachten, mit Lichtornamenten dekoriert. Einige Strassen hatten eher bescheidene Beleuchtungen, andere wiederum bemühten sich um den Titel der Strasse mit der ausgefallensten „Fallas“ Dekoration. Diesen Quartieren ist kein Aufwand zu viel und sie umrahmen ihre Strassen regelrecht mit Lichtschlössern und Bogengängen mit hunderttausenden von bunten Lichtgirlanden. Wir konnten beobachten, wie die Rahmen mit den kleinen Lämpchen entlang der Gehsteige aufgebaut wurden. Sie sehen aus wie sehr hohe schmiede-eiserne Ornamente, welche die Strassenzüge tunnelförmig überspannen. Spezialisten aus Italien waren gerade dabei diese zu errichten, so waren wir leider etwas zu früh, um nachts die beleuchteten Schlösser und Strassenzüge zu sehen.

 

Hingegen gerieten wir mitten am Nachmittag direkt und ungewollt in eine „Falle der Fallas“; die „Mascleta“. Plötzlich waren wir in einem riesen Menschenauflauf, aus dem es kein Entrinnen gab. Irgendwie schien die Masse auf etwas zu warten. Ein grosser Platz war von hohen Zäunen abgeriegelt und von Ambulanzen umgeben. Was in der Mitte war, konnten wir nicht sehen. Unsere Versuche, die Umstehenden zu fragen worauf sie warteten, war wenig erfolgreich; die erste Antwort lautete: „sprechen sie Deutsch?“ Es war eine Touristin die ebenfalls ahnungslos gefangen war. Die Antwort einer älteren Dame war schon etwas aufschlussreicher, sie sagte kurz und bündig und mit viel gestikulieren: „bum bum, bum bum“. Wenig später hörten und fühlten wir was sie meinte.

Die Mascleta ist nichts anderes als ein Feuerwerk mitten am Tag. Es geht einzig um Lärm! Ein heftiges Konzert von koordinierten Knallkörpern und Schiesspulver. Jedes Jahr wird zwischen dem 1. und dem 19. März die „Mascleta“ täglich  jeweils um 14:00 Uhr auf der Plaza del Ayuntamiento gezündet. Das grosse „bum bum“ ist sehr beliebt und zieht viel Volk an. Obwohl es bei einem Tagesfeuerwerk offensichtlich nicht sehr viel zu sehen gibt, hat sich eine kleine Spanierin lautstark beschwert, dass wir in ihrer Sicht stünden.

Nun, wir konnten ihr aber auch nicht aus dem Weg gehen, da es zu viele Leute hatte, als dass wir uns in irgendeine Richtung hätten bewegen können. Was für die Einheimischen der Höhepunkt ist, kommt am Ende des etwa 20 minütigen Spektakels: „el terremoto“ was wörtlich übersetzt Erdbeben heisst. In der Tat, für mindestens 5 Minuten eskalierten die künstlichen Explosionen so stark, dass sowohl der Boden, als auch die Körper der Anwesenden heftig vibrierten. Es war schon fast schmerzhaft, doch die Menge johlte und klatschte.

 

Zurück nach Vera Playa

 

Nach zwei erlebnisreichen Tagen wählten wir für die Rückfahrt eine andere Inland-Route. Unseren ersten Halt machten wir bei der unglaublich klaren Quelle „el Pou clar“ bei Ontinyent, welche über eine steile Treppe zugänglich gemacht wurde. Nur 7km weiter kamen wir zur Ortschaft Bocairent, die stolz auf einem Hügel thront. Im darunterliegenden Tal findet man mittelalterliche Höhlen und Zeugen früherer Siedlungen.

Auf engen Nebenstrassen erreichten wir die Sierra de Espuña. Auch hier waren wieder viele Bäume in voller Blüte und die Landschaft war sehr spektakulär. Wegen dunkler Wolken war die Fernsicht zwar nicht so gut, dafür bildeten die schwarzen Stämme der Mandelbäume einen tollen Kontrast dazu.

Als wir Lorca erreichten, begann es zu regnen und deshalb unterbrachen wir unsere Reise fürs Abendessen, nachdem wir uns zuerst eine Weile im neuen Einkaufszentrum umgesehen hatten. Es war ziemlich spät, bis wir wieder in unserem Apartment in Vera Playa eintrafen. Nun war es trocken und die Nachbarn erzählten uns, dass der Himmel furchterregend ausgesehen hatte, sich aber hier nicht entlud und es sogar bis 16 Uhr sonnig gewesen sei. Dies ist kein ungewöhnliches Phänomen. Während unserer Zeit hier in Vera Playa war es oft sonnig, während es nur 5km weiter regnete.

Bereits im Herbst ist uns aufgefallen, dass die meisten der ausländischen Langzeiturlauber und Einwanderer an den langen Wochenenden, wenn viele Einheimische hierher pilgern, Vera Playas langen Strand zu meiden scheinen. Sobald aber die Spanier an ihren Arbeitsplätzen zurück sind, strömen die “extranjeros  (Ausländer) wieder zurück an den Strand. Wir wissen nicht, ob einige Besucher befürchten, dass die Einheimischen beissen (oder etwas wegschauen). Für uns ist es irgendwie schockierend zu sehen, dass viele Langzeiturlauber eher über den Lebensstil der Andalusier jammern, statt versuchen, wenigstens ein paar Worte der Landessprache ihres Gastlandes zu lernen! Dass einige unter ihnen in ihren Heimatländern Wähler der rechtspopulistischen Parteien sind, gibt umso mehr zu denken!

Wir sind immer noch beeindruckt, wie Vera Playas grosse FKK Zone ganz ohne Zäune und Markierungen übergangslos in die umliegende Textilzone übergeht und wie problemlos die Nackten und die Prüden hier miteinander umgehen. In dieser Hinsicht gehört die Spanische Gesellschaft sicherlich zu den tolerantesten unseres Planeten. Daher ist es überhaupt kein Problem, dass der (inzwischen) frühere Spanische Präsident Zapatero in einer Textilen Ferienanlage in Vera Playa,  welche von FKK Ferienanlagen und dem FKK-Strand umgeben ist, eine Ferienwohnung besitzt.

Fallen

 

Der kaum wahrnehmbare Übergang von der FKK- in die Textile-Zone, sowie die tolerante Spanische Gesellschaft gehören, zweifellos zu den grossen Pluspunkten  Vera Playas. Dies wird leider allzu oft von skrupellosen Immobilien-Maklern ausgenutzt, welche FKK-Anhängern Appartements in Textilanlagen andrehen, oder umgekehrt. Seriöse Beratung und Verkaufskommissionen sind eigentlich schon ein Wiederspruch in sich selbst. In Ländern wie Spanien, wo die Geschichte für lange Zeit von einer Diktatur geprägt wurde und die Korruption deshalb noch nicht vollständig ausgerottet ist, ist die Situation naturgemäss noch schlimmer.
Wohnungen und Häuser, welche ohne gültige Baubewilligung verkauft werden, gehören zu den weiteren Fallen. Normalerweise passiert überhaupt nichts, ab und zu statuiert die Regierung ein aber Exempel und lässt eines der Gebäude abreissen, bei welchem die Baubewilligung mit Schmiergeldern bezahlt wurde. Falls der momentane Besitzer beim Kauf von der rechtlichen Situation nichts geahnt hat, könnte er eventuell eine Entschädigung für den Verlust seines Heims erhalten. Wie auch immer, die Spanische Justiz arbeitet sehr langsam und wir hörten von Ausländern, deren Fall sieben Jahre nachdem ihr Haus per Regierungsbeschluss abgebrochen wurde, immer noch beim Gericht pendent liegt!

Veränderungen

 

Mieten ist eine gute Möglichkeit, um Vera Playa sorgenfrei zu erleben. Nur das Schwimmbecken trennt Natsun, die Ferienanlage in der wir wohnten, von der Beach. Deshalb hat man von den meisten Wohnungen Sicht zum Strand. An den (seltenen) Tagen mit starkem Wellengang ist das Meer wahrlich spektakulär. Es ist beeindruckend zu erleben, wie schnell 30 Meter Sand im Meer verschwinden können, um vielleicht (hoffentlich) nach ein paar Tagen, Wochen oder Monaten wieder zurückzukommen. Dies sind wohl die dramatischsten Veränderungen, welche wir in Vera Playa beobachten konnten, sonst hat sich aber in den letzten zwei Jahren nicht allzu viel getan.

Die Immobilienkrise ist schlussendlich auch in diesem Teil Andalusiens angekommen. Immerhin endeten die unzähligen Ferienwohnungen, an welchen vor zwei Jahren gearbeitet wurde, nicht als Bauruinen, sondern werden langsam, aber sicher fertiggestellt. Der grosse Consum Supermarkt, welcher direkt an die “Zona Naturista” angrenzt, wurde noch etwas erweitert und hebt sich nun Qualitätsmässig noch deutlicher von den anderen Supermärkten der Umgebung ab. Im Gebäude welches früher Veras Intermarché beherbergte, befindet sich nun „Iceland by Overseas“, eine Britische Detailhandelskette in Spanien, welche ausschliesslich englischsprachiges Personal beschäftigt. Ein paar wenige Produkte kann man wirklich nur dort finden. Über 80% der Artikel sind aber identisch mit denjenigen, welche man auch in jedem Spanischen Supermarkt findet, nur dass sie hier gegen einen bescheidenen 20% - 200% Zuschlag in der Original-verpackung aus Grossbritannien angeboten werden - selbst wenn es sich um Paella handelt!

Die Anzahl der Chinesischen Billigläden ist in den letzten Jahren ebenfalls stark gestiegen. Immer wenn in Spanien ein Generalstreik angesagt ist, werden Streikposten eingesetzt, welche sicherstellen dass alle, also auch die ausländischen Ladenbesitzer, mitmachen. Am Vortag eines gossen Generalstreiks sagte uns ein sichtlich frustrierter Chinesischer Geschäftsmann: „Irgendwie ist es eine verrückte Welt; in China kann ich Probleme kriegen wenn ich streike, hier in Spanien kann ich Probleme kriegen, wenn ich NICHT streike. Hier ist es kein bisschen besser, einfach umgekehrt!“

In Vera Playa sind die meisten Ferienanlagen umzäunt; Natsun ist da eine der wenigen, aber angenehmen, Ausnahmen. Deshalb fühlt man sich hier wirklich wie in einem Badeort mit Sicht  über den Strand und nicht wie in einem Ghetto hinter Mauern. Natsun hat viele Stammgäste und ist, im Vergleich zu den umliegenden FKK Ferienanlagen, ganzjährig recht gut belegt. Dies sorgt naturgemäss für mehr Sicherheit, als ein Zaun bieten könnte. Die meisten der Deutschen „Winterflüchtlinge“ die wir kennen, entschieden sich zuerst spontan für eine umzäunte FKK Anlage in der Nähe. Innerhalb von zwei Jahren zogen dort aber alle wieder aus und suchten sich etwas anderes, da sie sich dort eher wie in einem menschenleeren Ghetto hinter Mauern fühlten!

Unsere Zeit in Natsun verging wie im Flug und auch das Wetter war wiederum sehr langweilig; wir hatten so oft gutes Wetter, dass wir ab und zu auch sonnige Tage dazu nutzten, etwas in der Wohnung zu machen. Normalerweise ist der Frühling in Vera Playa zwar recht warm, aber immer wieder auch sehr windig. Dieses Jahr war es aber (fast) den ganzen Frühling windstill. Nur an den verlängerten Wochenenden war das Wetter nicht immer so kooperativ. Trotzdem war der Strand während der „Semana Santa“ (Osterwoche) zeitweise fast so beliebt wie im Hochsommer. Nur ein paar Tage später ging es aber am Strand wieder genauso ruhig zu und her wie zuvor; ein paar hundert FKKler bevölkerten den Strand unter der Woche, vielleicht tausend am Wochenende. Der textile Strandabschnitt hingegen, blieb bis August so gut wie menschenleer. Wenn die Sonne den Po nicht erreichen kann, ist es zum Sonnenbaden im Frühjahr einfach noch zu kalt. Nur wer die nackten Tatsachen offenlegt, scheint unter der Andalusischen Vorsaison-Sonne schnell braun zu werden und warm zu bekommen!

 

Abreise von Vera Playa

 

Mit vielen guten Erinnerungen im Gepäck, verliessen wir Vera Playa am 22. Mai 2011, nachdem wir uns von Hedi und Jan, den Eigentümern von Natsun, verabschiedet hatten. Zuerst folgten wir der spektakulären Küstenstrasse bis Aguilas, wo wir Inland, Richtung Lorca, abbogen. Es war erst 10 Tage her, dass ein Erdbeben der Stärke 5.4 in dieser Stadt ein paar Gebäude zum Einstürzen gebracht hatte. Natürlich hatten sich die Medienberichte vor allem auf die 9 Toten und die am schwersten beschädigten Gebäude konzentriert, sodass der Eindruck entstand, die ganze Stadt sei am Boden zerstört. Als wir aber am Stadtrand vorbeikamen, sahen wir überhaupt keine Erdbebenschäden. Wegen der engen Spanischen Bauweise gibt es leider kaum Fluchtmöglichkeiten, wenn bei einem Beben etwas herunter fällt.

 

Nun folgten wir den Landstrassen RM711 und CM3203 nordwärts. Je weiter weg wir von der Küste kamen, desto grüner wurde die Gegend. Die Landschaft war entlang der gesamten Strecke sehr ansprechend und viele Dörfer und Weiler präsentierten sich aus der Distanz so richtig malerisch. Wenn man diese allerdings durchqueren musste, war es oft reine Glückssache, auf der Durchgangsstrasse zu bleiben, da diese oft nicht markiert und zu eng war, um als Hauptstrasse erkennbar zu sein. Wenn man sich verfährt ist es fast unausweichlich, dass man sich im typischen engen Labyrinth der Spanischen Ortschaften verklemmt, wie uns dies in Caravaca de la Cruz wieder einmal passierte. Sogar mit unserem eher kleinen Auto waren gewisse T-Verzweigungen nicht ohne mehrmaliges Rücksetzen zu schaffen. Auch für Fussgänger ist dies mühsam, aber zumindest kann man sie einfach um Hilfe bitten, solange sie zwischen einer Hausmauer und dem Wagen gefangen sind.

 

Als wir die beeindruckende Bergkette bei Socovos erreichten, sahen wir langsam wieder Bäume in der sonst sehr kargen Landschaft. Immer häufiger zierte zudem Mohn und Ginster die Felder. Kurz vor Ayna erreichten wir die spektakuläre Aussichtsplattform „mirador de los infiernos“, von wo aus man hinunter in die tiefe Schlucht des Rio Mundo sah. Die Ortschaft Ayna und die dahinter liegenden roten Felsen leuchteten im warmen Licht der Abendsonne. Nicht viel später erreichten wir eine Hochebene und sahen uns langsam nach einer geeigneten Übernachtungsmöglichkeit um. Wir kamen an einigen einladenden Dörfern vorbei, welche zwar alle mehrere Gaststätten, aber leider keine Unterkünfte boten. Schlussendlich fanden wir ein Zimmer in einem Hostal direkt an der Strasse kurz vor Balazote. Es entpuppte sich allerdings nicht unbedingt als Glückstreffer.

 

Am nächsten Morgen fuhren wir Richtung Cuenca weiter. Wiederum nahmen wir hauptsächlich Nebenstrassen, welche normalerweise in ganz Spanien sehr gut ausgebaut sind. Dank gigantischen Bewässerungssystemen ist die hier topfebene Gegend sehr fruchtbar und mit riesigen Feldern intensiv bewirtschaftet. Zudem sieht man oft Windgeneratoren. Auch hier leuchteten immer wieder rote Mohnblumen in den Feldern. Die Landschaft präsentierte sich auffällig bunt und am dramatischsten war es um den stahlblauen Stausee „Embalse de Alarcon“ bei Valverde de Jucar. Es waren nicht nur die verschiedenen Pflanzen, welche das Bild wie die Palette eines Malers einfärbten, sondern auch die rote Erde, die im selben Acker hellere und dunklere Schattierungen aufweisen konnte.

Als wir die spektakuläre Schlucht kurz vor Valeria erreichten, bald bot uns die Landschaft schon wieder ein ganz anderes Bild.

 

Da nun langsam Hunger aufkam, fragten wir in einem Dorf, wo es hier was zu essen gäbe. Man verwies uns an ein aussergewöhnlich gutes Restaurant bei einem Campingplatz, ein Lokal das wir ohne Tipp schlichtwegs ignoriert hätten. Während des Mittagessens kam ein Gewitter auf, doch bis wir weiterfuhren, konnten wir die Felsformationen in den „Hoz de Beteta“ Bergen, entlang der Str. CM210, wieder unter blauem Himmel bestaunen. Erst etwas später kriegten wir eine kurze Autowäsche (vom Himmel). Obwohl es noch recht früh war, betrachteten wir dies als Zeichen, bereits in Molina de Aragón zu übernachten. Hier kannten wir sowohl ein gutes Hotel, als auch ein ausgezeichnetes Restaurant. Da sich das Wetter inzwischen wieder von der besten Seite zeigte, konnten wir nun die Festungsruine der Alcazar bei Sonnenschein bewundern und nochmals durch dieses historische Dorf schlendern, welches wir schon vor ein paar Monaten besucht hatten.

 

Am nächsten Morgen fuhren wir weiter in nördlicher Richtung. Sobald die Strasse die Provinzgrenze nach Aragon erreichte, bekam sie, wie dies zwischen Spanischen Provinzen üblich ist, eine neue Nummer und so wurde aus der CM210 die A202, welche in diesem Fall auch deutlich enger war. Über eine weitere fruchtbare Hochebene kamen wir hinunter nach Nuevalos, einem Dorf das majestätisch über dem Stausee „Embalse de la Tranquera“ thront. Richtung Zaragoza nahmen wir für 40km die Autobahn, welche steil hinunter ins Flachland führte. Auch nachdem wir die „autovia A2“ bei Calatorao verliessen, hatte es auf der Strasse entlang des Rio Jalón anfangs noch immer sehr viel Verkehr. Da sie jedoch entlang weisser Sandsteinklippen führte, war sie sehr malerisch. Vor Sadaba war die Gegend wieder sehr flach und oft war Reis angebaut, was wiederum Störche anzog, die wir auf Strommasten nisten sahen.

 

Weiter in die Pyrenäen

 

Entlang der Strasse A127 erreichten wir die Ortschaft Sos del Rey Católico, von wo wir plötzlich eine atemberaubende Sicht über mehrere Täler zu den teilweise noch schneebedeckten Gipfeln der Pyrenäen hatten. Bevor wir das Land verliessen, wollten wir noch einen Tag lang im Zick-Zack durch diese Bergkette fahren, die sich zwischen Frankreich und Spanien erhebt. Auf der Strasse A1601 kamen wir an den Ruinen der “Ermita San Jacobo” vorbei, eine von vielen verlassenen Siedlungen. Die heutigen Spanier leben gerne dort, wo sie viele Menschen um sich haben und nicht an einsamen Orten, wie dies Immigranten oft bevorzugen.

Kurz darauf kamen wir an den Yesa Stausee. An seinem Ufer war der Sandsteinboden so stark ausgewaschen, dass er wie Spritzbeton aussah.

 

Von Puente de la Reina de Jaca machten wir einen Abstecher entlang der A132 und A1205 in die Sierra de la Peña. Wiederum wurden wir mit atemberaubenden Aussichten über die Berggipfel und auch enge bewaldete Flusstäler belohnt. Überall wo wir nun stoppten, wurden wir von einem Konzert von Vogelstimmen begrüsst, aus dem wir oft einen Kuckuck heraushörten.

 

Wir übernachteten in Jaca, einem ansprechenden, wenn auch touristischen Skiort mit vielen Hotels. Seine 14‘000 Einwohner verdreifachen sich während der Hauptsaison, doch momentan war es eher ruhig. Das Angebot der meisten Restaurants schien dem Geschmack der Französischen Touristen angepasst zu sein und versprach folgedessen eine recht raffinierte Küche. Da wir ja auf dem Weg nach Frankreich waren, entschieden wir uns hier für ein Sushi-Restaurant, das wohl auf moderne Spanische Stadtmenschen ausgerichtet war. Auch an unserem letzten Tag schien die Sonne und so schlenderten wir ein weiteres Mal durch Jaca, wobei wir historische Bauten, wie die Zitadelle oder die Altstadthäuser, aber auch sein modernes Gesicht, wie die hypermoderne Eishalle bewunderten.

 

Unsere Weiterfahrt führte uns immer noch durch atemberaubende Pyrenäenlandschaften, vorbei an vielen Ferienorten, welche teilweise von riesigen, momentan leer stehenden Ferienwohnungs-Siedlungen umgeben waren. Von der Architektur her sind sie grundverschieden von denjenigen der Spanischen Küstenorte, da man versuchte, sie vom Stil her ein wenig den Bergdörfern anzupassen. Unser Weg führte uns über die N260 via Biescas und dem hübschen Ort Broto nach Ainsa. Wir überquerten mehrere kristallklare Bergbäche und folgten schlussendlich der begradigten und recht schnellen A138 entlang des Rio Cinca hinauf nach Bielsa, von wo wir den 3,5 km langen Tunnel nach Frankreich durchquerten.

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Sommer in Frankreich: Kleider- und Sorgenfrei

Frankreich ist ein sehr stolzes Land, berühmt für seine unwiderstehliche Haute Cuisine und seine regelmässigen landesweiten Streiks. Ein Land von 60 Mio. Einwohnern, die sich über eine Fläche von 543’965 km2 verteilen. Ein Land, welches Zentral von seiner Hauptstadt Paris aus regiert wird, die von der Provinz Île de France (Insel Frankreichs) umgeben ist.

 

Wie schon vor 10 Jahren, kamen wir auch diesmal nach Frankreich, um einen FKK Sommer mit viel „vivre nu et manger bien“ zu verbringen. Wir wollten beide auch ein paar für uns neue Regionen entdecken. Deshalb wollen wir vor allem FKK Gelände berücksichtigen, in denen wir entweder noch nie, oder schon lange nicht mehr waren. Wir hatten nach Ferienanlagen gesucht, welche Unterkünfte mit gutem „Preis-Leistungs-Verhältnis“ anbieten. Damit konnten wir es vermeiden, unser kleines Zelt aufzustellen, und mussten unser Sparschwein trotzdem nicht schlachten. Für uns bedeutet campieren eigentlich nur „sparen, egal wieviel es kostet“!

Am 25. Mai 2011 erreichten wir also die Französische Seite des Bielsa-Aragnouet Tunnels durch die Pyrenäen. Hier war es nun viel dichter bevölkert, als kurz vorher in Spanien. Eine steile und kurvenreiche Strasse windet sich ins Tal hinunter und nach etwa einer Stunde waren wir wieder im Flachland.


L'Eglantière: FKK und Haute Cuisine

 

Wir verbrachten unsere ersten zwei Wochen im l'Eglantière, einer netten FKK Ferienanlage bei Castelnau-Magnoac, etwa 20km nördlich von Lannemezan. Mit 45 ha ist dies ein eher grosses Gelände, welches den Urlaubern viel Platz bietet. Die 120 Stellplätze waren noch nicht allzu gut belegt, hingegen waren die etwa 30 Mobilheime und Chalets schon sehr begehrt. Wir bezogen ein gut ausgestattetes und sehr neues Mobilheim mit einer gedeckten Terrasse, einem grossen Bett (1,60 x 2m), sowie einem elektrischen Boiler, welchen wir viel angenehmer empfanden, als die sonst üblichen Gasgeräte. Obwohl wir es immer schaffen, all unsere Habseligkeiten einzig und allein im Kofferraum unserer Dacia zu verstauen, beanspruchten diese locker das ganze zweite Schlafzimmer, nachdem wir alles ausgepackt hatten.

 

Da die Saison gerade erst richtig anlief, hatte Eglantière’s Shop noch nicht geöffnet. Hingegen konnte man, wie fast überall in Frankreich, bereits frisches Brot bestellen. Lautlos wurde es jeden Morgen direkt auf unsere Terrasse geliefert, ohne unseren Schlaf zu stören.

Das Restaurant im Eglantière eröffnete mit einem neuen Küchenchef, einem wahren Meister der Gourmetküche. Was er zubereitete war von vorzüglicher Qualität und auch fürs Auge ansprechend präsentiert. Es konnte sich ohne weiteres mit dem Angebot in so manchem preisgekrönten Gourmet-Tempel messen, war aber deutlich preiswerter und hob sich trotzdem deutlich von dem ab, was man normalerweise auf einem Campingplatz erwarten kann. Sogar ein „amuse bouche“ wurde jeweils serviert.

Jede Woche werden Gemeinschaftsmahlzeiten organisiert, einmal ein einfacher Grillabend und einmal ein leckeres Mehrgänge-Menü mit Spezialitäten aus der Region.

Ein Schwimmbecken, Spiel- und Sportplätze, sowie WLAN Zugang um das Hauptgebäude, ergänzen das Angebot von Eglantière.

 

Nach einer langen Zeit in Südspanien, mussten wir uns erst wieder daran gewöhnen, dass die Temperaturen nachts stark fallen. Das Wetter war hier nun wieder viel abwechslungsreicher, als in Andalusien und ab und zu bescherte uns der Himmel auch eine Hirnwäsche. Wir waren ziemlich verdutzt, dass es anfangs Juni sogar so kalt werden konnte, dass wir die Heizung im Mobilheim in Betrieb nehmen mussten. Wir schätzten es, dass nun die Sauna spontan eingeheizt wurde. Wir wollen aber nicht jammern, denn sonst brauchten wir an den meisten Tagen überhaupt keine Kleider.

 

L’Eglantière wird von einer Familie aus der Region enthusiastisch und auf sehr persönliche Art geführt. Isabelle, Xavier und ihre Kinder im Teenageralter werden von einer kleinen, sympathischen Mannschaft unterstützt, darunter ein paar Ferien-Techniker aus aller Welt, die Arbeit und Urlaub verbinden. Informationen zu Aktivitäten werden oft persönlich überbracht und nicht nur auf einem Anschlagbrett kommuniziert. Am Muttertag verteilte Isabelle sogar jeder Frau auf dem Platz eine Rose.

 

Wie bei unserem letzten Aufenthalt vor 10 Jahren, genossen wir die ausgedehnten Wege in der Domaine. Das Flüsschen Gers schlängelt sich für mehr als einen Kilometer durchs Gelände, welches ebenfalls Waldstücke und Wiesen aufweist. Es schien uns, dass nicht allzu viele den Weg zum Wald auf der Hügelkrete unter die Füsse nahmen, da wir dort jedes Mal Rehe sahen. Wir genossen es, im Evas- und Adamskostüm durch die natürliche Umgebung dieses Ortes zu streifen.

 

Wenn wir uns dazu durchrangen, nicht nur Wanderschuhe, sondern auch ein paar Lumpen über zu streifen, gab es auf den umliegenden Nebensträsschen unzählige Spazier- und Radfahrmöglichkeiten durch die Felder und Weiler der Umgebung. Wenn das Wetter mitmachte, hatten wir zudem eine phantastische Sicht auf die Pyrenäen.


Ein Einbrecher aus Down Under

 

L’Eglantière ist zwar räumlich recht gross, aber noch immer klein und persönlich und so ist es einfach, mit den anderen Gästen ins Gespräch zu kommen. Als wir an einem Nachmittag von einem langen Spaziergang zurückkehrten, waren unseren Nachbarn ganz aufgeregt. Sie erzählten uns, dass ein merkwürdig gekleideter Mann um unser Mobilheim geschlichen sei. Sie beobachteten, wie er danach hinter ein weiteres Mobilheim ging und dort in den Büschen verschwand. Sie waren besorgt, es könnte ein Einbrecher sein, und wollten die Rezeption informieren.
Am nächsten Morgen kam dieser Fremde wieder, und klopfte an unsere Tür. Es war Brian aus Neuseeland, der uns einen Überraschungsbesuch abstatten wollte. Er erzählte uns, dass er bereits am Vortag vorbei kam, neugierig ob wir ihn in seiner originellen Verkleidung ebenfalls erkennen würden. Obwohl wir wussten, dass Brian ab und zu im Eglantière aushilft, erwarteten wir nicht, ihn hier zu treffen. Wir hatten ihn und seine Partnerin Kay, vor fünf Jahren auf unserer Neuseeland Rundreise kennengelernt. Die beiden führten damals „Aoraki Naturally“ ein FKK Gelände am Tekapo See. Von Brian erfuhren wir, dass wir damals zu den letzten Gästen gehörten, da sie kurze Zeit später umzogen. In der Nähe von Blenheim eröffneten sie danach “
Wai-natur”, ihr neues FKK Paradies. Wir sassen noch mehrmals zusammen und informierten uns gegenseitig darüber, was seither passierte. Dabei kam auch das Erdbeben, das Christchurch am 22. Februar 2011 erschütterte, zur Sprache. Brian erklärte dass, obwohl die Zerstörungen im Stadtzentrum enorm waren, die umliegenden Orte kaum Schäden aufweisen. So haben z.B. die Gebäude des Vereinsgeländes Pineglade, nur 20km ausserhalb von Christchurch, das Erdbeben schadlos überstanden.

 

Wir erfuhren auch, dass Kay mittlerweile nicht mehr Präsidentin des Neuseeländischen Naturistenverbandes ist, dafür aber “Mrs New Zealand Naturist Magazine”, da sie sich zur Verfügung stellte, die Redaktion des Magazins “gonatural” zu übernehmen. Deshalb fehlt ihr nun die Zeit, zusammen mit Brian den Sommer in Europa zu verbringen.

 

Unsere Zeit im Eglantière verging sehr schnell und gegen Ende unseres Aufenthalts, verdreifachte sich die Zahl der Urlauber, da nun ein langes Wochenende auf das nächste folgte.


Mehrdeutige Ortsnamen entlang unseres Weges

 

Am 8. Juni 2011 ging unsere Reise über sanfte grüne Hügel weiter nordwärts. Zum Mittagessen stoppten wir in der netten Ortschaft Condom, die am momentan ziemlich trüben Fluss Baïse liegt. Der Ortsname ist von der alten Gallo-Römischen Bezeichnung "Condatomagus“ abgeleitet und hat überhaupt nichts damit zu tun, woran die meisten deutschsprachigen bei diesem Namen denken mögen. Wie auch immer; die Franzosen nennen jenes Ding entweder “préservatif" oder “capote anglaise„ (Englisches Hütchen).

 

Nur 15km westlich von Condom, liegt das kleine charmante Dorf Montréal, eines der Namensvettern von Québec’s grösster Stadt. Mehr historische Fachwerkbauten konnten wir im nahe gelegenen Fourcès bewundern, welches auf der Liste “Les plus Beaux Villages de France”, der hübschesten Dörfer Frankreichs, vertreten ist. Über einige der typischen, mit Baumalleen gesäumten Strassen, erreichten wir Ste-Foy-la-Grande in der Dordogne. Etwas später machten wir einen Stopp beim gedeckten Markt in Gontaud-de-Nogaret, wo wir die schönen alten Holzornamente bewunderten.


Le Portrait: klein & persönlich

 

Etwa 12km nordwestlich von Riberac erreichten wir die „Domaine Le Portrait“, ein kleiner FKK Camping im Charente Bezirk. Unsere Holländischen Freunde Tineke & Wim, die diesen Platz erst vor zwei Jahren eröffneten, begrüssten uns im Tenü splitternackt. Wir finden das gut, aber leider ist dies nicht bei allen FKK-Betreibern selbstverständlich. Wir denken, dass damit die ersten Berührungsängste bei FKK-Neulingen abgebaut werden, weil ihnen so selbstbewusst und natürlich die FKK Ideale vorgelebt werden.

Im Jahr 2009 waren wir unter Tineke & Wim‘s ersten Gästen gewesen, nachdem die langersehnte Bewilligung eingetroffen war und ihr kleines Paradies endlich legalisierte. Vor zwei Jahren waren bereits die notwendigen Einrichtungen in die alten Farmgebäude integriert. Ein Gemeinschaftsraum befindet sich im alten Kuhstall und die Duschen im ehemaligen Schweinestall, was dem Platz eine spezielle Note gibt. Nur das Schwimmbad ist brandneu und wird auch regelmässig von den Behörden getestet. Die Inspektoren hätten die Idee, den Pool in die ehemalige Jauchegrube zu integrieren, wohl kaum akzeptiert.

 

Inzwischen kam noch einiges an Luxus dazu und Tineke & Wim arbeiten hart, ihr Gelände noch besser zu machen. Es gibt jetzt z.B. ein schönes Chalet für zwei Personen und genau dort hausten wir. Da in Le Portrait alles „hausgemacht“ ist, unterscheidet es sich sehr stark von den Standardlösungen, welche die meisten Campingplätze bei grossen Herstellern einkaufen. Nur die kompakte Bauweise des Häuschens ist sehr ähnlich. Sonst sieht und fühlt man aber, dass alles von guter Qualität und geschmackvoll dekoriert ist.
Ein neues Sanitärgebäude war im Bau und wartete auf die Anlieferung der Fliesen. Wenn alles nach Plan verlief, war es noch vor der Hochsaison in Betrieb.

 

Momentan verfügt Le Portrait über 16 Campingplätze, das erwähnte Chalet, einen Miet-Wohnwagen, sowie ein Miet-Zelt. Nach Fertigstellung des neuen Toiletten- und Duschblocks wird die Kapazität etwas erweitert werden. Eine Fläche für zusätzliche Zelt- und Wohnwagenplätze wurde bereits planiert. Da es aber diesen Frühling aussergewöhnlich trocken und warm gewesen war, ist darauf leider bisher noch überhaupt kein Gras gesprossen. Zum Glück ist die Ausbreitung von WLAN Signalen weniger wetterabhängig und so ist inzwischen der Zugang zum Internet auf dem ganzen Gelände möglich.

Tineke & Wim’s Vision nimmt dadurch immer mehr Gestalt an, und es kommen noch dauernd neue Projekte dazu. Um sicher zu stellen, dass sie ihre Ideen nicht auf die lange Bank schieben müssen, kehren die beiden in den kalten Wintermonaten jeweils in die Niederlande zurück, um das nötige Kleingeld für die vielen Investitionen zu verdienen.

Wenn man bedenkt, wie klein dieses Gelände ist, wird hier nicht nur ein sehr persönlicher, sondern auch ein ausgesprochen guter Service geboten. Leckere französische Mehrgänge-Menüs werden auf Bestellung an sechs Tagen pro Woche frisch zubereitet. Wir sind immer noch von der Brot-Liste beeindruckt. Jedes Gebäck wird mit einem Bild, sowie dem Gewicht vorgestellt, damit niemand die Katze im Sack kauft. Das bestellte Brot wird den Gästen jeden Morgen direkt auf den Stellplatz geliefert. Alles andere findet man im nahegelegenen Dorf St. Séverin.

 

Le Portrait ist von Feldern und Hügeln umgeben und sitzt selbst auf einer Hügelkrete. Deshalb können die Gäste ungehinderte Sicht in alle Richtungen geniessen. Nacktspaziergänge sind zwar auf ein paar hundert Meter beschränkt, doch in der Umgebung findet man unzählige Möglichkeiten um zwischen den Feldern und Weilern zu spazieren und zu radeln. Wir hatten es leider gerade verpasst, von den Kirschen profitieren zu können, waren aber noch zu früh, um die ausgedehnten Sonnenblumenfelder der Umgebung blühen zu sehen.

Le Portrait ist ein kleiner, wunderschöner und persönlicher Platz, perfekt für alle die einfach für ein paar Tage, oder Wochen, etwas ausspannen möchten.


Weiter an den Atlantik

 

Über kleine Nebenstrassen fuhren wir gemächlich westwärts durch die liebliche Landschaft bis Blaye am Mündungs-trichter der Gironde. Da die Autofähre nach Lamarque jeden Tag nur wenige Male ablegt, blieb uns genügend Zeit dieses charmante Städtchen mit seiner, im UNESCO Weltkulturerbe gelisteten Zitadelle, zu bewundern.

Wir fanden den Preis von 20 Euro für die 3km lange Überfahrt nicht gerade bescheiden. Sogar im eher teuren Norwegen hätten wir für so eine kurze Fährfahrt weniger bezahlt.

Die Ufer der Gironde waren mit malerischen, aber einfachen Fischerhütten auf Stelzen gesäumt. Normalerweise hing ein viereckiges Netz, genannt „Carrelet“ davor.


Nun waren wir im Médoc, einer Gegend, welche für ihre teuren Traubensäfte bekannt ist. In diesem Gebiet wimmelt es nur so von „Chateaux“, aber die meisten haben mit einem Schloss wenig gemeinsam. Die meisten Chateaux dienen nur als Marketing-Instrument, um den süssen Trauben einen wohlklingenderen Namen zu geben, nachdem sie in ein saures Getränk umgewandelt wurden… Wie auch immer, die Reben verliehen der Landschaft ein ganz anderes Gesicht, als die ausgedehnten Kiefernwälder, die entlang der nahen Atlantikküste gepflanzt wurden.


CHM Montalivet; ein komplettes Dorf für Naturisten

 

Es war 19 Uhr, als wir am 11. Juni 2011 das „Centre Hélio Marin“ (CHM) in Montalivet erreichten. Die Rezeption war zwar bereits geschlossen, doch bei der Pförtnerin erhielten wir die Schlüssel, und erst noch viel schneller, als wir dies erwartet hatten. Auch das Ein-checken am nächsten Morgen ging sehr schnell von statten, ganz im Gegensatz zu unseren früheren Erfahrungen. Wir wissen nicht, ob dies unserem Vorausbuchen zu verdanken war, oder den neuen Besitzern des CHM.

 

Wir bezogen ein neues, sehr kompaktes Mobilheim, welches aber dank seines geschickten Grundrisses deutlich grösser erschien, als es wirklich ist. Ausser einer Wohnküche bot es auch zwei Schlafzimmer, ein Bad, ein separates WC und mehrere Schränke. Mit seinen 23 m2 war es allerdings so kompakt, dass wir dauernd mit dem Kopf oder Ellbogen irgendwo anstiessen. Wir sollten aber nicht jammern, schliesslich haben wir ein kleines, nicht ein grosses Mobilheim gewählt.

 

Das CHM Monta besteht bereits seit 1950 und gehört zu den grössten FKK Campingdörfern Europas. Direkt am Atlantik bietet dieses Gelände, zwischen 200 Hektaren Kiefernwald, Grundstücke für insgesamt 3’500 Stellplätze, Mobilheime und Chalets. Ein grosser Teil davon ist an Dauermieter vergeben. Die einen besitzen nur einen kleinen Wohnwagen oder eine lottrige alte Hütte, andere hingegen ein grosses und grossartiges Mobilheim oder ein adrettes Holzhaus. Einige kommen an jedem Wochenende und in den Ferien, ein paar wenige bleiben sogar das ganze Jahr. Einige Dauermieter lassen ihr Grundstück sandig wie es ist, oder belegen es mit Gartenplatten aus Waschbeton, dass kein Unkraut wachsen kann. Andere wiederum, legen schmucke kleine Gärtchen um ihre Freizeitbehausung an.

 

Im Sommer kommen zu den Dauermietern noch mehrere tausend Urlauber hinzu, welche entweder einen Wohnwagen anschleppen, ein Zelt aufstellen oder von den unzähligen Mietmöglichkeiten profitieren. Im Hochsommer pilgern bis zu 16‘000 (sechzehntausend) begeisterte Naturisten ins CHM Monta. Früher oder später werden alle hungrig. Um die sich daraus ergebende Nachfrage zu decken, versuchen rund 40 Shops und Restaurants die (Na)Touristenschar zufrieden zu stellen. Es gibt mehrere Bäckereien, eine grosse Metzgerei, ein Fischgeschäft und einen Take-Away, welcher zwar keine Hamburger, dafür aber eine erstaunlich grosse Auswahl an delikaten Hauptgerichten, Salaten und Desserts anbietet. Auch wenn es hier zum einkaufen keine Kleider braucht, braucht es doch eine Geldbörse, denn es kann ja schliesslich auch den Nackten „das Geld aus der Tasche“ gezogen werden – Geschäft ist Geschäft! Es gibt also keinen Grund das Feriendorf zu verlassen, erst recht nicht, da es in der Umgebung weder viele Dörfer, noch gute Geschäfte gibt. Das nächstgrössere „Einkaufszentrum“ mit weiteren 40 Geschäften befindet sich wohl im Euronat, dem zweiten gigantischen FKK Zentrum der Region, keine 10 Kilometer nördlich, immer noch am selben Strand.


Unendlicher goldener Sandstrand

 

Es ist sicherlich der Atlantik, welcher die Massen sozusagen zum Ausziehen anzieht. Ein fast 250 Kilometer langer goldener Sandstrand erstreckt sich zwischen Biarritz und dem Mündungstrichter der Gironde nördlich von Montalivet. Der Unterschied zwischen Ebbe und Flut ist riesig und hier, vor dem CHM Monta, kann der Strand ausnahmsweise auf 10 Meter schrumpfen, nur um bald darauf wieder 500 Meter breit zu sein. Starke Strömungen und kraftvolle Wellen sind für die Badenden nicht ganz ungefährlich. Deshalb wird der Strand hier von Rettungsschwimmern überwacht, die in Australien ausgebildet wurden und ihren Job unter anderem, mit Hilfe von Surfboards ausüben. Das Küstengebiet hinter dem Strand ist vor den Launen des Atlantiks durch eine bewachsene Düne geschützt. Diese wird durch Wind und Wasser bedroht, weshalb sie unter Schutz gestellt wurde, um weitere Schäden einzudämmen. Aus diesem Grund sind die Strandbesucher angehalten, nur die angelegten Wege zu benutzen, was leider zu oft missachtet wird.

 

Wir genossen es sehr, so weit dem Strand entlang spazieren zu können, welcher momentan überhaupt noch nicht überfüllt war. Dies traf auf das kleine Touristendorf Montalivet Plage noch viel mehr zu. Dort waren in der zweiten Junihälfte die meisten Geschäfte und Restaurants immer noch dicht und es sah hier aus wie in einer Geisterstadt. Obwohl auch im CHM Monta, wo wir wohnten, immer noch Vorsaison war, war es doch deutlich belebter als hier. FKKler glauben viel eher an gutes Wetter in der Nebensaison, als die anderen (mit Textilien) die oft glauben, dass gutes Wetter nur zwischen Mitte Juli und Mitte August zutreffen könne.

 

In der Tat war das Wetter während unseres Aufenthaltes nicht immer so sonnig und manchmal kaum wärmer als 21°C. Andererseits vernahmen wir aber, dass es im letzten August noch viel schlechter gewesen sei, dafür diesen April mit 30°C über längere Zeit sehr heiss war. Auch am Atlantik nehmen die Wettergötter keine Rücksicht auf Schulferien, sondern leben ihre eigenen Launen aus.


Mehr als das Touristenherz begehrt

 

Nicht nur der Strand bietet unzählige Möglichkeiten für Bewegung, auch im eigentlichen FKK Zentrum gibt es ein mehrere duzend Kilometer langes Wegenetz, welches zu ausgiebigen Spaziergängen einlädt. Während unseren Streifzügen durch das CHM Monta kamen wir nicht nur an den modernen, gut ausgebauten Quartieren vorbei, sondern auch in den älteren, wo es keine Elektrizität und viele alte Hütten gibt, welche noch von den „Pionieren“ des Naturismus erbaut wurden. Hier spürt man immer noch den Geist und die Bescheidenheit der Gründer, wenn auch heutzutage Sonnenkollektoren in diesem Gebiet sehr verbreitet sind. Solange der Fernseher und das Internet laufen, fällt es den meisten nicht schwer, auf Strom zu verzichten, wie uns einmal gesagt wurde… Offensichtlich ziehen junge Familien die neueren Quartiere, mit Elektrizität und WLAN-Deckung vor. CHM war zwar der einzige Platz, auf welchem wir für den Internet-Zugang extra bezahlen mussten, dafür wird ein grosser Teil des Geländes mit etwa 40 Antennen abgedeckt.

 

Ausser dem grossen Shopping-Komplex in der „Ortsmitte“, bietet das CHM auch ausgedehnte Sportplätze und grosse Kinderspielplätze. Darunter befinden sich aufblasbare Schlösser und Hüpfburgen, sowie ein grosses Segelschiff zum Klettern, aber natürlich auch Rutschbahnen und Schaukeln. Obwohl es nun einen neuen Aqua Park mit Wasserrutschen gibt, betreibt man zusätzlich noch immer das alte Schwimmbad (Französisch: piscine / ausgesprochen: piss-in).

Damit sich bestimmt niemand langweilt, können sich die Urlauber am Anschlagbrett über die unzähligen Animationen, Tourniere und work-shops informieren, die organisiert werden. Von Yoga zur frühen Morgenstunde bis zu nächtlichen Filmvorführungen im Freiluft-Kino, wird so einiges geboten. Für alle, die es lieber etwas ruhiger mögen, gibt es eine grosse Bibliothek, sowie das Wellness Zentrum „Therme“, welches gegen Geld Schönheit und Entspannung verspricht.

 

Toiletten und Waschräume gibt es viele, selbst in Sektionen wo dies jeder im eigenen Haus oder Mobilheim hat. Alle sind sehr sauber gehalten, aber ein paar wenige sind bei brütenden Vögeln fast so beliebt, wie die Vogelfelsen Vestmanna auf den Färöer Inseln, nur dass hier bloss Schwalben nesten, statt Papageientaucher.

 

Da die Médoc Region nicht allzu viele Höhepunkte zu bieten hat, weder kulinarische, noch touristische, gingen wir nur einmal aus, um fein zu essen. An diesem Abend wurden wir von Freunden begleitet; einem humorvollen Englischen Paar, dem wir den Spitznamen „Funny hat’s“ gaben. Da die beiden permanent im CHM Monta wohnen, nahmen wir die Gelegenheit wahr, sie mehrmals zu treffen und wurden sogar noch zu seiner Geburtstags-Party eingeladen.
Von ihnen erfuhren wir einiges an Insider-Stories, aber auch, dass diese lebhafte Sommerferien-Destination im Winter, wenn ausser der Rezeption alles geschlossen hat, ziemlich ausgestorben wirkt.

 

Nach zwei genussreichen Wochen fuhren wir weiter. Durch fast endlose Kiefernwälder umfuhren wir Bordeaux im Südwesten. Erst nach unserem Mittagsstopp in St. Symphorien, kamen wir wieder in hügeliges Gebiet mit vielen Kornfeldern und Wiesen. In der Ortschaft Villandraut bestaunten wir die romantische Ruine eines grossen alten Schlosses und fuhren danach weiter ins Landesinnere.


Domaine
Laborde; Niederländische Perfektion gepaart mit Französischem Charme

 

Am 25. Juni 2011 erreichten wir die Domaine Laborde, ein nettes FKK Gelände auf halbem Weg zwischen Monflanquin und Monpazier. Es befindet sich direkt an der Grenze zwischen den Provinzen Lot et Garonne und Dordogne. Obwohl dieses Gelände von der Grösse her nur einem Bruchteil des letzten, welches wir besuchten, entspricht, ist es mit seinen 23 Hektaren doch nicht so klein. Momentan war es hier noch recht ruhig, doch dies war wohl nur die Ruhe vor dem Sturm. Erst etwa 20% der 120 Stellplätze waren belegt und von den 30 Chalets waren es etwa die Hälfte. Sehr bald füllten sich die Hüttchen jedoch alle, denn man konnte sie noch immer zum selben „Neben-Saison Tarif“ wie im April mieten, welcher inzwischen zum Schnäppchen wurde.

 

Wir hatten uns bei der Buchung für ein sogenanntes „Chalet simple“ entschieden. Es war recht gross, hatte eine gut ausgestattete Küche, sogar mit Espresso-Maschine, jedoch kein Badezimmer. Uns gefielen der offene Schlafboden und die uneingeschränkte Sicht zum gegenüberliegenden Hügel, welche unser Chalet an Hanglage bot. Da es während unserer ersten paar Tagen brütend heisse 37 Grad wurde, schlenderten wir oft durch den unteren Teil des Geländes. Dort gab es viel mehr schattenspendende Bäume und zudem mehrere Spazierwege, die durch dichten Wald führten. Sehr hübsch sahen auch die drei kleinen Teiche aus, wo es nur so von Fischen und Fröschen wimmelte. Momentan störte niemand die Reflektionen der Bäume auf dem Wasser, doch dies wird sich wohl sehr bald ändern. Wenn wir das über’s Wasser gespannte Seil am einen, und das Floss auf dem andern Teich betrachten, können wir uns vorstellen, dass sich hier Kinder in den kommenden Wochen sowohl im, als auch am Wasser so richtig austoben werden.


Flug in neuer Richtung

 

Domaine Laborde gehört einer Niederländischen Familie und wir erfuhren, dass diese vor 20 Jahren ihre gutgehende Fabrik verkaufte, um mit diesem „lifestyle business“ ihren Traum zu leben. Fotos dokumentieren wie die Gebäude der ehemaligen Farm renoviert und anders genutzt wurden. Dazu kamen mehrere Neubauten, welche alle im Stil der bestehenden Gebäude errichtet wurden. Drei davon beinhalten Nachbildungen von Taubenschlag-Türmen, offensichtlich eine Leidenschaft der Eigentümer. Sie geizten nicht mit Investitionen und stellen sehr viele Einrichtungen zur Verfügung, von denen nichts auf billig gemacht ist. Neben einem Aussen-Pool und Sprudelbad, können die Gäste auch von einem grossen Hallenbad profitieren, welches auf 28°C geheizt wird. Zudem findet man dort eine grosszügige Sauna, ein kaltes Tauchbecken, ein kleines Dampfbad und viel Platz zum entspannen.

 

Ein Taubenschlag Turm dient als Startpunkt für die zwei grossen Wasserrutschen, welche die Tollkühnen schreiend in ein separates Becken ausspucken. Es gibt eine gerade, 20 Meter lange Rutschbahn, sowie eine 50 Meter lange Röhre, die sich spiralförmig hinunterschlängelt. Beide sind bei den jungen total beliebt, reizen aber ab und zu auch einen Erwachsenen. Der WLAN Zugang um den Eingangsbereich war ebenfalls sehr beliebt.

 

Der Platz bietet ein paar ausserordentliche Dienstleistungen, wie das grosse überdachte Lager für Caravans oder Schlafsack-Unterkünfte, wo Kampierer ihre letzte Nacht verbringen können. Dies erlaubt ihnen nach dem Zusammenpacken noch einmal gut auszuschlafen und am Morgen trotzdem zeitig loszufahren.

 

Laborde ist schön angelegt, mit grossen Wiesen als Freifläche zwischen den Stellplätzen. Überall sieht man alte Gerätschaften und Kunstwerke. Gepflegte Wege erschliessen das Grundstück, auf welchem es ebenfalls viele Spiel- und Sportplätze gibt. Auch wenn das Gelände voll sein wird, hat es bestimmt noch für jeden sehr viel Platz.
Die Eigentümer suchen dauernd nach Verbesserungsmöglichkeiten und auch in der Hauptsaison hören sie nicht damit auf, den Platz weiter zu verschönern und zu verändern. So wurden z.B. am 10. Juli, auf ein perfektes intaktes Well-Eternit- Dach zusätzlich Tonziegel in derselben Farbe aufgesetzt.

Dies mag eine Symbiose aus Niederländischer Perfektion, gepaart mit dem Ehrgeiz des Eigentümers sein. Wir mochten es aber, dass wir an diesem Ort auch etwas Französischen Charme vorfanden, da alle Angestellten an der Rezeption, neben anderen Sprachen, auch Französisch sprachen. Unter ihnen befand sich ein Franzose, der dauernd mit allen Spässe machte. Er nahm besonders gern die jungen Holländerinnen, welche hier einen Ferienjob hatten, in Französisch auf die Schippe. Über ein Dutzend Studenten kamen hierher, um während der Sommerferien Arbeit und Vergnügen zu verbinden. Die meisten von ihnen kämpften etwas mit der Französischen Sprache und sprachen alle Gäste in Holländisch an, ob sie dies verstanden oder nicht. Dies kam natürlich bei Urlaubern aus anderen Ländern, darunter viele Franzosen, nicht sehr gut an!

Heinz genoss es jeden Morgen beim Brot abholen im Lebensmittelgeschäft, die jungen Studentinnen an der Kasse mit etwas Französisch zu necken. Auch wenn unser Französisch nicht perfekt ist, genügt es noch lange um sie etwas zu fordern. Auf der anderen Seite, wurden wir aber oft von den Französischen Feriengästen gefordert. Auf unseren Spaziergängen kreuz und quer durchs grosse Grundstück, kamen wir nämlich immer wieder mit Leuten ins Gespräch. Dreimal wurden wir von Französischen Paaren zum Apéro eingeladen. Mit Urlaubern aus den Niederlanden unterhielten wir uns meist in Englisch, ab und zu auch in Deutsch.


Schlemmen und Ausflüge ums Laborde

 

Laborde hat einen Take-Away und ein Restaurant, von dem wir hörten, dass es für seine Pizzen berühmt ist. Wenn wir aber in ein Lokal gingen, zogen wir die einheimische Küche vor und kombinierten Restaurantbesuche gern mit einem Ausflug. Auf Empfehlung eines Französischen Paares besuchten wir einmal eine „Ferme Auberge“. Dieser Ausdruck steht für ein Restaurant, welches einem Hof angeschlossen ist, ähnlich einem Straussi in Süddeutschland. Normalerweise werden dort herzhafte traditionelle Gerichte serviert, welche mit Fleisch und Gemüse aus eigener Produktion zubereitet werden. Meist sind die Portionen riesig und sowohl Wein, als auch Aperitif und Digestiv um das ganze runterzuspülen, sind im Preis inbegriffen – für Abstinenzler nicht unbedingt das beste Angebot. Wir trinken ja keinen Alkohol und da wir in solch rustikalen Lokalen für Wasser extra bezahlen mussten, begannen wir diese zu meiden. Die „Ferme Auberge de Selles“ hingegen, war in mancher Hinsicht ganz anders! Alle Getränke werden separat verrechnet und die Aufmachung der Gaststube war sehr elegant. Die Zutaten wie Ente, Früchte und Gemüse, stammten auch hier vom eigenen Hof und die Portionen waren immer noch sehr grosszügig bemessen, doch sowohl die Präsentation, als auch die Zubereitung der Gerichte entsprach eher dem Standard eines Gourmet-Restaurants. Es war einfach super lecker!

 

Farm-Restaurants im Gourmet Stil sind eine Ausnahme, Gourmet-Restaurants findet man hingegen sehr viele. Wir kauften uns (einmal mehr) eine der Feinschmecker Bibeln für Frankreich: den Gault-Millau. Mit dessen Hilfe konnten wir  vorsortieren, welche Gourmet-Tempel gut, aber eher teuer sind, und welche wir uns leisten können, aber dennoch hervorragend kochen.

 

In der näheren Umgebung von Laborde, gibt es nicht nur viele Möglichkeiten um gut zu essen, sondern auch viel zu sehen, darunter einige hübsche Dörfer. Monflanquin, nur 12km südlich der Domaine Laborde, war das erste, das wir besuchten. In den Provinzen Lot et Garonne und Dordogne gibt es viele Dörfer mit Befestigungsmauer, die „bastides“ genannt werden. Monflanquin ist eines davon und thront auf einem Hügel, überragt von einer grossen Kirche. Die Gassen zu ihren Füssen sind gesäumt von jahrhundertealten Häusern.

 

Weiter südlich besuchten wir Villeneuve sur Lot, welches mit 23‘000 Einwohnern zehn Mal so gross ist wie Monflanquin. Es gibt hier viele schöne Gebäude zu bewundern, allen voran die majestätische Kirche „Eglise Sainte Catherine“ mit ihrem 55m hohen Turm aus kunstvoll verziertem rotem Backstein im Römisch-Byzantinischen Stil. Ebenfalls sehr beeindruckend, war die Sicht entlang des Flusses Lot bis hinauf zu einer fast überhängenden Kapelle und einer schmucken Markthalle. Nur einen Steinwurf weiter, thront das ehemals von einer Stadtmauer umgebene Dorf Pujols auf einem Hügel. Dort waren es eher die neuzeitlichen Dekorationen und die vielen Blumen, die den uralten Gebäuden Charme verliehen.

 

Diese Region ist auch berühmt für ihre vielen Schlösser. Das erste liegt nur ein paar wenige Kilometer von Laborde entfernt: Château Biron. Es steht auf einem Felsvorsprung über einer winzigen Siedlung. Auch die Ruine des Château Gavaudun thront auf einem Felsen, direkt über einer anderen kleinen Siedlung und dort gibt es sogar ein von Gault-Millau ausgezeichnetes Restaurant. Durch eine malerische Schlucht fuhren wir weiter nach Fumel und erreichten bald darauf das wunderschöne Schloss Bonaguil.

 

Zurück im Laborde genossen wir das warme Sommerwetter, welches ab und zu schon fast zu warm wurde. So schlenderten wir oft durch das Gehölz, oder nahmen ein erfrischendes Bad im Pool. Am Abend genossen wir manchmal die hervorragende Sauna Anlage. Momentan durften wir diese immer noch gratis benutzen, doch während der Hauptsaison ist ein Eintritt fällig um die steigende Nachfrage in erträglichen Grenzen zu halten.


Begegnungen 

 

Als wir im Laborde eintrafen, herrschte eine unheimliche Stille. Keine Kinder weit und breit, nur stille FKKler, welche sich kaum je bewegten und uns vorkamen, als wären sie an ihren Liegestühlen festgezurrt. Nach etwa einer Woche änderte sich dies Schlag auf Fall. Anfangs Juli waren alle Chalets belegt, wenn auch die Stellplätze noch nicht all zu voll wurden. Trotzdem war der Platz nun viel lebhafter geworden, da die meisten Pensionäre kurz vor der Hauptsaison die Flucht ergriffen und nun von Familien mit Kindern ersetzt wurden. Dass sich nicht nur die Eigentümer, sondern auch die meisten der jungen Studenten, welche zum Arbeitsurlaub hier waren, regelmässig auszogen, trug zur natürlichen Atmosphäre bei und half mit, Jugendliche zu motivieren es ihnen gleichzutun.

 

Die meisten Neuankömmlinge stammten aus den Niederlanden, aber es kam auch ein weiterer Exote aus der Schweiz. Somit konnten wir nicht mehr für uns in Anspruch nehmen, die einzigen Vertreter dieser Alpenrepublik im Herzen Europas zu sein. Wir sassen recht oft zusammen und obwohl er ein begeisterter Camper war, fand er die Idee eine Hütte zu mieten, schon fast etwas besser, als zu zelten.

Dies traf ganz sicher für unsere Belgischen Nachbarn zu. Da sie nur für kurze Zeit kamen, entschieden sie, dass es sich nicht lohnt, ihren Wohnwagen herzuschleppen. Die beiden dachten an ein luxuriöses Chalet und waren zuerst etwas enttäuscht, dass diese alle reserviert waren. Schlussendlich bekamen sie ein Einfaches, wie wir es bewohnten, halt eben ohne Toilette. Nur ein paar Tage später hatten sie sich entschieden ihren Wohnwagen zu verkaufen, nachdem sie sahen, dass selbst die einfachste Hütte deutlich mehr Platz und Komfort bietet, als der Caravan, den sie seit 20 Jahren in den Ferien umherschleppten. Sie rechneten sich aus, dass Mieten eine preiswertere Variante ist, wenn man sowohl die Anschaffungs-, Unterhalts- und Lagerkosten für den Caravan, als auch die höheren Strassengebühren und den höheren Treibstoffverbrauch mit einrechnet. Wir konnten ihnen nur zustimmen.

 

Fast jedes Mal, wenn wir die kleinen Seelein umrundeten, trafen wir ein paar Fischer. Die meisten waren überhaupt nicht daran interessiert, ihren Fang zu verspeisen. Sie liessen ihn zurück ins Wasser, nachdem sie den Haken entfernt hatten. Fische hatte es viele und es brauchte wenig Zeit, dieses Spiel mit ein paar Dutzend Fischen zu machen. Die Regeln und Gesetze die der Mensch aufstellt, sind oft etwas verrückt. Ein Tier zu verletzen kann entweder als Tierquälerei, oder als Sport gelten – wir zweifeln, ob die betroffenen Tiere den feinen Unterschied im Kleingedruckten spüren…

 

Auf der anderen Seite gibt es aber im Laborde auch Tiere, die sich selbst verstümmeln. Zwei Australische Kakadus bewohnen eine grosse Volière und einer der beiden sieht fast aus wie ein gerupftes Huhn, er ist nun ein echter FKK Vogel, der seine graue Haut freilegte. Er zupfte sich alle Federn auf seiner Brust und sogar einige auf seinem Rücken aus. Es hat uns beeindruckt, dass die beiden Papageien sprechen können – natürlich Niederländisch, wen wundert’s? In einer anderen Voliere sind mehrere Hühner und ein Fasan untergebracht. Zudem gab es noch ein paar Ziegen. Wie uns ein Angestellter erklärte, dienen sie als „Schweine“ indem sie Resten verwerten. Die Geländeleitung weiss wohl, dass es den Eltern lieber ist, wenn ihre Kinder Ziegen statt Schweine streicheln!

Einige dieser Tiere geben zeitweise sehr viel Lärm von sich. Es scheint aber, dass sich immer genügend Camper finden, die freiwillig ihr Zelt oder ihren Wohnwagen in die Nähe dieser Viecher stellen. Wir waren aber sehr froh, dass man von unserem Häuschen den Hahn nicht hören konnte.


Weitere lohnenswerte Ausflüge

 

Egal wohin wir auch fuhren, immer kamen wir an wunderschönen Sonnenblumenfeldern vorbei. Jetzt war auch Erntezeit fürs Getreide. Somit mussten wir auf den engen Landstrassen oft noch auf überbreite Landmaschinen achtgeben. Ein Strässchen führte ins charmante Dorf Castillonnès, wo wir die gedeckte Markthalle bestaunten. An einem Morgen besuchten wir den Mittwochsmarkt in Villeréal und später fuhren wir noch zur Bastide Monpazier, einem sehr touristischen Ort.

 

Es gibt viele weitere lohnenswerte Ziele in der Nähe von Laborde. Da wir aber an diesen Orten, welche um die 50km entfernt sind, noch einige unserer Lieblingsrestaurants besuchen wollten, zogen wir lieber für 4 Tage in ihre Nähe, um in der Nacht nicht noch zurückfahren zu müssen. Da wir mehr Zeit als Geld haben, nehmen wir logischerweise einen anderen Rhythmus an, als diejenigen denen die Zeit fehlt. So verabschiedeten wir uns am 12. Juli vom Laborde und fuhren der Dordogne entgegen. Bereits nach 25km stoppten wir in Belvès, wo momentan noch alle Strassen und Gassen mit künstlichen Blumen überhängt waren. Diese Dekoration waren anlässlich des „Fête Félibrée Pays d'Anaïs“ angebracht worden, welches die alte Kultur und Sprache der Okzitanischen Region ehrte. Es war ein buntes Bild und sah aus, als hinge der Himmel voller Blumen.


Verlorene Reservation

 

Nach weiteren 25 Kilometern erreichten wir La Roque-Gageac, ein ungemein malerisches Dorf über dem Ufer der Dordogne. Hier hatten wir uns bereits im April eine Frühstückspension reserviert. Unser Buchungsformular landete allerdings im Spam-Mail unseres Schlummervaters. Weil er dieses nicht sah, ging er davon aus, wir wären nicht mehr an einem Aufenthalt in seinem B&B interessiert. Zudem scheint er so gut bei Kasse zu sein, dass er auch unsere 50 Euro Anzahlung nicht wahrnahm. So stornierte er unsere Buchung und sagte das Zimmer jemand anderem zu, der ein paar Tage später eintrudeln wollte. Nachdem wir in der Vorwoche nach dem Weg zum B&B gefragt hatten, realisierte der Besitzer seine Misere. In aller Eile organisierte er uns für die letzte Nacht ein Zimmer in einem nahen Hotel – auf seine Kosten. Die ersten drei Nächte in seiner Frühstückspension waren aber ok.

 

Wir kennen diese Gegend recht gut und wollten einfach wieder einmal gerne in die reichhaltige historische Vielfalt, die schöne Natur, sowie die gastronomischen Höhepunkte dieser Region eintauchen. Letztere waren so köstlich wie immer doch der Zahn der Zeit und die Naturgewalten nagten an der steilen Felswand über La Roque Gageac. Bei einem kleinen Felssturz gab es zwar nur geringen Schaden an wenigen Hausdächern, als Vorsichtsmassnahme wurde aber unter der gefährdetsten Stelle ein massives Stahlnetz errichtet. Leider blockiert diese hässliche Struktur den malerischen Weg durch den oberen Teil des Dorfes. Dies zwingt noch mehr Touristen sich auf der engen Hauptstrasse zwischen den Häusern und der Dordogne durch den Verkehr zu zwängen, denn für einen Gehsteig hat es hier schon gar keinen Platz. Auch wenn die Saison noch nicht mal richtig in Schwung war, war der Fluss bereits richtiggehend überschwemmt mit Kanus und Ausflugsbooten. Man konnte schon beinahe von Boot zu Boot hüpfen um die andere Flussseite zu erreichen. Wir müssen aber neidlos zugeben, dass die „boat people“ wohl die beste Sicht auf das hübsche Dorf hatten, welches sich an die Felsklippen anschmiegt.

 

An einem sonnigen Tag machten wir einen längeren Spaziergang nach Beynac, einem Dorf das ebenfalls majestätisch über dem Fluss Dordogne thront. Teilweise führte der Pfad malerisch entlang des Flusses. Leider beinhaltete unser Weg aber auch zwei Kilometer entlang der engen Hauptstrasse mit vielen unübersichtlichen Kurven, was bei dem vielen Ferienverkehr schon fast lebensgefährlich war. Nach einer Weile kamen wir entlang einiger Sonnenblumenfelder. Darüber erspähten wir das Schloss Castelnaud-la-Chapelle, bevor uns der Weg ans Ufer der Dordogne führte. Dort wimmelte es, sozusagen zu Füssen des Château de Milandes, wiederum nur so von Bötchen und Badenden. Kurz darauf erreichten wir eine Brücke durch deren Bogen wir das stattliche Schloss über Beynac sahen. Nach einem steilen und schweisstreibenden Aufstieg zu diesem Schloss, wurden wir mit einem leckeren Mittagessen und einer tollen Aussicht über das Dordognetal belohnt.


Französischer Nationalfeiertag in Sarlat-la-Canéda

 

Um den Französischen Nationalfeiertag vom 14. Juli zu erleben, besuchten wir das sehr touristische Städtchen Sarlat-la-Canéda. Am Nachmittag war eigentlich noch nicht viel los, ausser den Touristenmassen, die sich wie üblich durch die engen Gassen zwängten. Einmal sahen wir eine Troubadour Band durch die Strassen der Altstadt schmettern. Dieser folgten ein paar Kriegsveteranen, die stolz ihre Orden auf der Brust zur Schau trugen.

 

Sicherlich assen wir auch hier wieder in einem gut benoteten Gourmet-Tempel und waren nun sehr froh, dass wir bereits am Morgen einen Tisch reserviert hatten.
Als wir gestern Abend, nach einem ausgezeichneten Essen in einem erstaunlich ruhigen Lokal, den Kellner gefragt hatten, wann denn die Hauptsaison beginne, hatte er ohne Zögern geantwortet: „morgen, am
Nationalfeiertag juillet 14!“ Es scheint, als hätte er absolut recht und für die gesamte Französische Tourismusindustrie gesprochen. Währendem wir hier unser Abendessen genossen, musste die Kellnerin mindestens doppelt so viele hungrige möchte-gern-Gäste abweisen, als sie beherbergen konnte. Zum Glück haben wir schon vor längerem gelernt, dass man in gastronomischen Lokalen Frankreichs immer zum Voraus reservieren sollte. Sonst kriegt man oft auch dann keinen Tisch, wenn es eigentlich Platz hätte. Da auch die Vorbereitungen in der Küche sehr aufwändig sind, möchte man gerne gut gewappnet sein, bevor die hungrigen Gäste eintreffen.

 

Fast wie bei einem grossen Knall trafen alle Touristen gleichzeitig in dieser Region ein. Auch das Feuerwerk um 23:00 Uhr startete mit einem grossen Knall. Nach einem etwa zwanzigminütigen Lichterzauber gingen die Feierlichkeiten mit Livemusik auf verschiedenen Plätzen im Stadtzentrum vermutlich noch die ganze Nacht weiter. Wir folgten aber dem Menschenstrom zurück zum Parkplatz und kehrten nach La Roque-Gageac zurück.

 

Nach unserer Nacht im Hotel in das man uns einquartiert hatte, verliessen wir die malerische Dordogne-Region und fuhren nordwärts, dem Zentrum Frankreichs entgegen. Es war ein eher regnerischer Tag und so machten wir nicht allzu viele Zwischenstopps, ausser natürlich, als wir hungrig waren. So lernten wir das historische Örtchen Corrèze kennen. Das Restaurant, das wir dort fanden, sah für ein schnelles Mittagessen schon fast zu gut aus. Im nächsten Dorf sah das einzige Lokal eher wie eine Bar aus, aber es versprach ein schnell serviertes “Menu du Jour”. Wir waren aber trotzdem etwas überrascht, dass die Vorspeise ohne weitere Nachfrage eintraf, kaum hatten wir uns niedergesetzt. Was uns serviert wurde, war reichhaltig und schmeckte sehr gut. Wir sollten uns eigentlich nicht mehr wundern: in Frankreich sind sogar einfache Gerichte meist raffinierter zubereitet, als etwas Exklusiveres in Spanien.


Creuse Nature; ein wahrlich holländisches FKK Gelände

 

Am 16. Juli 2011 trafen wir im Distrikt Creuse ein, welcher nach den beiden Flüssen Petite Creuse und Grande Creuse benannt ist. Wir bezogen Quartier auf dem Naturisten-Camping Creuse Nature. Wir hatten uns im Voraus einen Miet-Wohnwagen reserviert und bekamen nun einen ganz in der Nähe des kleinen Teiches zugewiesen.

 

Ein grosser Rundbau mit lichtdurchlässigem Kuppeldach bildet das Herz von Creuse Nature. Der durchdachte Grundriss beinhaltet ein Hallenbad in der Gebäudemitte. Dieses ist umgeben von einer Reihe Toiletten, einem Wasch- und Duschraum, Waschküche, Ping-Pong Tisch, sowie einer Bar mit Restaurant und zugehörender Küche.
In der Nähe befinden sich ein Aussenschwimmbecken und mehrere Spiel- und Sportplätze. Die 100 Stellplätze und ~25 Mietunterkünfte, sind in einem Waldstück verteilt. Manchen mögen die 18 Hektaren recht gross vorkommen, uns als Fans grosser Gelände, kam es hingegen eher etwas eng vor. Wir waren aber positiv überrascht, wie viele Waldwege die Campingplätze umgeben.

Im kleinen Tümpel wimmelte es von Fischen. Baden ist zwar verboten, die Gäste dürfen hingegen angeln, müssen jedoch ihren Fang wieder ins Gewässer zurückgeben. Also schon wieder ein „Fisch-folter-Teich“. Wir möchten nicht wissen, wie oft derselbe Fisch diese Tortur mitmachen muss.

 

Wir hörten, dass im diesjährigen Ausnahmefrühling auch Creuse Nature mit trockenem und 30°C warmem Aprilwetter verwöhnt wurde. Wie immer gibt es auch eine Kehrseite der Medaille: wenn der Sommer bereits im April stattfindet, mag das Aprilwetter im Juli kommen und genau das hatten wir jetzt – wie ganz Zentraleuropa! Während der ganzen ersten, unserer drei Wochen, war es so nass und kalt, dass eine Person die nicht dick wie ein Michelin-Männchen eingekleidet war, entweder einer Fata-Morgana entsprach, oder dann im Duschraum oder Hallenbad gesichtet wurde. Und nur dort sah man FKKler so, wie man sie sich vorstellt: splitterfasernackt.

 

Sobald die Temperaturen aber wieder etwas anstiegen und die ersten Sonnenstrahlen durchkamen, schälten sich die Urlauber so schnell sie nur konnten. Auch Els und Reinier, die Niederländischen Besitzer von Creuse Nature, gingen dann oft nackt ihrer Arbeit nach, auch am Empfang. Dies empfanden wir als viel natürlicher, als die dauern bekleideten Mitarbeiter auf so manch anderem Gelände. Els und Reinier führen ihren Platz sehr persönlich und nahmen sich oft Zeit für einen kleinen Schwatz. Sie sind sehr sprachbegabt und beherrschen natürlich auch Französisch. Unnötigerweise glaubten sie, dass sie uns einen Gefallen tun, wenn sie uns in Deutsch oder Englisch, statt in Französisch ansprachen. Mit den meisten Gästen konnten sie eh in ihrer Muttersprache Holländisch kommunizieren. Wir fanden es schade, dass nicht alle Informationen am Anschlagbrett vom Niederländischen, auch in andere Sprachen übersetzt wurden – oft nicht einmal ins Französische! Einige Animationen wurden sogar nur auf Holländisch angeboten. Es wurden gerade so viele Aktivitäten angeboten, um diejenigen zufrieden zu stellen, die sich gerne inspirieren lassen, aber genauso wenige, dass immer noch genügend Raum zum Ruhen und Ausspannen blieb. Die erwähnenswertesten sind wohl der Kinderzirkus, sowie das „open podium“ bei dem die Gäste eingeladen sind, ihre Talente unter Beweis zu stellen.

 

Das Restaurant von Creuse Nature serviert zwar keine „à la carte Gerichte“, bietet jedoch „take away“, sowie sechs Mal wöchentlich eine Gemeinschaftsmahlzeit an. Diese ist sowohl vom Preis, als auch vom Zeitpunkt her, sehr familien-freundlich ausgelegt. Ein Pizza-Wagen kommt einmal pro Woche so zwischen 17 und 19 Uhr vorbei. Der Pizzaiolo erzählte uns, dass er ursprünglich bis 21 Uhr blieb, aber bald feststellte, dass hier mit den vielen Niederländern nach 19 Uhr kaum noch Geschäft zu machen ist. Ihm ist dies mehr als recht, denn so geht er nun anschliessend noch zu einem von Franzosen dominierten Zeltplatz, wo sich die Leute freuen, dass sie zwischen 20 und 23 Uhr eine Pizza bestellen können. Wir waren auch ziemlich überrascht, als wir sahen, wie viele Familien hier schon um 5 Uhr mit dem Abendessen beginnen. Wir essen deutlich später und mussten uns zum Glück auch nicht anpassen, wenn wir in eines der umliegenden Restaurants fuhren.

Beim Frühstück hingegen, sah die Sache etwas anders aus! Jeden Morgen kam einer von zwei mobilen Bäckern auf den Platz und bot sein Brot in einem Lieferwagen zum Verkauf an. Wenn wir es verpassten, zwischen 9 und 10 Uhr anzustehen, mussten wir ohne Croissant und Baguette auskommen.

 

Am Abend zog unser Vorzelt jeweils ein paar ungebetene Gäste an: grosse nervöse Hornissen. Nach ein paar Nächten hatten wir die Fähigkeit erlangt, diese mit Gläsern zu fangen. Da es nicht ihr Fehler ist, dass wir am Abend Licht machen, gaben wir ihnen jeweils eine zweite Chance und entliessen sie am nächsten Morgen in den Wald. Allerdings machten sie bis dahin einen sehr erschöpften Eindruck und bewegten sich nur noch langsam. So zweifelten wir daran, ob sie ihre nächtliche Gefangenschaft überhaupt überleben. Um Klarheit zu kriegen, setzten wir sie auf einem Baumstrunk frei, den wir „Opferplatz der Hornissen“ tauften. Zu unserer Überraschung blieben sie alle dort und schliefen friedlich – für immer!

 

Wegen des kalten Wetters sprachen wir nicht allzu oft mit dem Paar, das auf dem Stellplatz neben uns zeltete. Trotzdem kann es überraschend sein, wenn man erfährt was die Nachbarn über einem denken. Kurz vor ihrer Abreise sagten die beiden, wie sie uns beneiden, dass wir offensichtlich so viel Spass miteinander haben und immer miteinander reden, während sie bloss schweigend nebeneinander Bücher lesen. Zudem waren sie felsenfest davon überzeugt, dass wir aus England stammen, da sie uns Englisch sprechen hörten. Wir konnten uns keinen Reim darauf machen bis uns plötzlich einfiel, dass sie uns wohl gehört hatten, als wir an der Englischen Version dieses Reiseberichts „gearbeitet“ hatten! Für uns war ihre Folgerung ziemlich überraschend, da wir selbst das Gefühl haben, dass wir oft ziemlich an unseren Sätzen herumknorzen. Unser Lachen über die witzigen Begebenheiten muss wohl doch deutlich dominiert haben.


Moderne Camper

 

Creuse Nature bietet auf dem gesamten Gelände WLAN-Zugang an. Dies wurde rege genutzt und wir waren etwas erstaunt, wie viele Leute davon profitierten, ohne sich Gedanken über die Sicherheit zu machen. Da sie sich hier wie zu Hause fühlten, dachte mancher Urlauber nicht daran, seinen Netzwerkstandort als „öffentlicher Ort“ zu deklarieren. Viele verbinden ihre Geräte mit denselben Einstellungen die sie in ihrem Heim- oder Büronetzwerk verwenden, auch mit Creuse Nature‘s öffentlichem Netz. Dabei ermöglichen sie allen, auf kleinere oder grössere Teile ihrer Harddisk zuzugreifen, je nach ihren Netzwerkeinstellungen. Wenn wir online waren, waren bis zu 15 (fünfzehn!) andere Computer im Netzwerk sichtbar. Mehrere gutgläubige Urlauber stellten allen anderen einen grosszügigen, passwortfreien Zugang zu ihren Musik- Foto- und Video-Bibliotheken zur Verfügung. Da viele Passwörter eh einfach zu erraten sind, braucht es kein hochintelligentes Genie, um nicht nur auf ihre Bibliotheken, sondern auf ihre gesamte Harddisk zuzugreifen!

 

So gut wie jede Familie hatte mindestens einen, aber eher zwei oder mehr Laptops dabei. Oft konnte man Urlauber dabei beobachten, wie sie bei schönstem Sonnenschein fast in ihre Monitore hineinkrochen, später hingegen, als es schon ziemlich dunkel war, ein Buch lasen. Damit wollten sie wohl wenigstens einen Hauch des simplen Campinglebens erhalten. Als weiterer Beweis, wie einfach sie leben können, verzichten viele auf Strom an ihrem Stellplatz. Dies führte dann dazu, dass sie ihre „Heimelektronik“ jeden zweiten Tag in der Bar benutzten, weil sie dort ihre Akkus aufladen konnten, damit die Geräte am nächsten Tag wieder auf dem Stellplatz fit waren.

 

Was die heutigen Camper so alles mitbringen, ist einfach unglaublich! Wir erlebten schon Urlauber, die ihr Zelt mit Kühlschränken, Gefriertruhen, Backofen, Mikrowellengeräten, Geschirrspüler und Klimaanlagen ausstatteten und letzthin sogar noch mit Staubsauger und Heizlüfter, von Liegestühlen und Faltbetten abgesehen… Jene mit Wohnmobilen führen oft nicht bloss ein paar Fahrräder mit, sondern nicht selten Anhänger mit Motorrädern, Quad’s, Strandbuggys, wenn nicht gar einem Smart.

 

Selbst Leute die eine Unterkunft mieten, sind ab und zu alles andere als bescheiden und wir geben zu, dass auch wir deutlich mehr, als das Allernotwendigste mitführen. Wir sind allerdings nicht bloss 2, sondern 52 Wochen pro Jahr unterwegs. Zumindest passt bei uns noch alles in den Kofferraum, inklusive Laptops, Drucker, Espressomaschine und Shaker. Wir müssen weder Sitze umklappen, noch das Auto bis unters Dach füllen. Das Rezept dafür, ist ausgeklügelte kompakte Packordnung und der Verzicht auf sperrige Dinge wie Liegestühle. Wir sind immer stolz, wenn uns wieder jemand zusammen mit unserem „bescheidenen Gepäck“ im Kofferraum, fotografieren will.

 

Wir denken, dass unser „mobiler Haushalt“ alles andere als bescheiden ist. Wenn wir ihn aber damit vergleichen, was andere alles mit sich führen, ist er es tatsächlich! Oft erleben wir Urlauber, die sowohl mit einem Anhänger, als auch mit einem Sarg auf dem Dach, bei ihren Mobilheimen und Campinghütten eintreffen. Die vierköpfige Familie die wir vor kurzem sahen, hat aber definitiv den Vogel abgeschossen. In einem Kleinbus, sowie einem 12 m3 grossen Mietanhänger verbarg sich alles, was die Familie für einen gemütlichen vierzehntägigen Urlaub im Mobilheim als notwendig erachtete. Wir denken, dass wohl auch die Luft für das aufblasbare Krokodil und andere Spielsachen mit dabei war.


Leben im Wohnwagen; Platz ist der wahre Luxus

 

Wir sind schon oft gefragt worden, weshalb wir uns nicht für ein Wohnmobil entschieden hätten. Da wir gerne viel Platz haben, kam für uns so ein Gefährt nie in Frage. Hier im Creuse Nature erlebten wir, dass auch ein Caravan nur sehr wenig Raum bietet. Unser Miet-Wohnwagen war sicher sehr schön und recht preiswert für das, was er bot. Im Vorzelt gab es einen Holzboden mit Spannteppich und auch der Caravan selbst, war sehr gut ausgestattet. Es gab ein richtiges Bett, eine Gasheizung, sowie einen Gasherd mit drei Brennern. Ein Frischwassertank mit Pumpe sorgte für beschränktes Hahnenwasser und ein winziger Kühlschrank, welcher diesen Namen eigentlich gar nicht verdient hat, sorgte dafür, dass wir doch ein paar Nahrungsmittel etwas abkühlen konnten.

 

Das alles war natürlich kein Vergleich zu den 15 Meter langen Monstern, die wir ab und zu in Australien gemietet hatten. Es war ein gewöhnlicher, 4 Meter langer, Wohnwagen, wie ihn viele Familien durch Europa schleppen. Wir mussten zuerst lernen, mit dem beschränkten Platz auszukommen. Es begann nur schon damit, dass der Tisch zu klein war, um all unsere Frühstücksmarmeladen auszubreiten. Um die vollen Kaffeetassen vom Wohnwagen ins Vorzelt zu bringen, bedurfte es einiger akrobatischer Verdrehungen. Bevor wir die dazu notwendigen Fähigkeiten erarbeitet hatten, stiess Heinz entweder mit dem Kopf an den niedrigen Türrahmen oder verschüttete den Kaffee. Das Frühstück war ja noch einfach zu bewältigen, aber zu kochen, war eine echte Herausforderung! Um das Schneiden von Gemüse und Fleisch zu erleichtern, stand eine grosszügige Arbeitsfläche zur Verfügung. Bloss; sobald man den Kochherd oder die Spüle gebrauchen wollte, musste man diese Fläche hochklappen, da sich alles darunter verbarg. Eigentlich sind ja drei Gasbrenner nicht zu wenig, doch wenn die Bratpfanne platziert war, blieb schlichtweg kein Platz für weitere Töpfe.

 

Wenn wir früher jeweils sahen, dass Camper bloss eine Büchse aufwärmen und den Inhalt danach direkt aus dem Kochtopf essen, dachten wir immer, dass echte Camper schlichtweg keinen Sinn dafür haben, gut und stilvoll zu essen. Inzwischen wissen wir es besser; sie passen sich einfach ihren beschränkten Möglichkeiten an und versuchen alles zu vermeiden, das beim Kochen oder Abwaschen unnötige Umtriebe verursacht.

 

In unseren Augen bieten Gemeinschaftsküchen auf Campingplätzen, wie diese in Skandinavien oder in Jugendherbergen üblich sind, viel mehr Komfort als ein Wohnwagen. Anderen mag „klein, aber mein“ ansprechender erscheinen, als das Teilen von Platz, Geschichten und „Schmutz“ in grosszügigen Gemeinschaftseinrichtungen.


Campieren; sparen, egal wieviel es kostet!

 

Aus purer Neugier schauten wir im Internet nach, wie teuer denn so ein “Heim auf Rädern” sei. Die ~€ 20‘000 für die gängigsten Wohnwagenmodelle erscheinen uns einfach zuviel Geld, für zuwenig Komfort. Wie viele Wochen in einem viel geräumigeren Mobilheim oder Ferienhäuschen könnte man dafür erhalten?

 

Im Creuse Nature zahlt eine Familie mit zwei Kindern über 11 Jahren (in der Hauptsaison), pro Woche für ein 30 m2 grosses Mobilheim, nur etwa € 150 mehr, als für einen Stellplatz mit Strom. Campieren ist hier um einiges preiswerter, als an vielen anderen Orten. Im Allgemeinen denkt man, dass zelten eine billige Angelegenheit sei, aber eigentlich stimmt dies überhaupt nicht!

Da die meisten Stellplätze nur für ein paar wenige Wochen pro Jahr belegt sind, kann campieren gar nicht billig sein, da die gesamte Infrastruktur in dieser kurzen Zeit amortisiert werden muss. Mietunterkünfte hingegen, können mit gutem Marketing oft mehrere Monate im Jahr ausgemietet werden. Es ist daher einfach, konkurrenzfähige Mieten für Ferienunterkünfte zu finden, in der Nebensaison erst recht.

Wenn alle Kosten für Campingausrüstung, zusätzliche Mautgebühren und Kraftstoffverbrauch, seriös mit einberechnet werden, ist das Mieten einer Unterkunft normalerweise sogar preiswerter und sicherlich komfortabler, als der Aufenthalt in einem Zelt oder Wohnwagen. Natürlich ist unsere Rechnung etwas rudimentär und lässt einige Faktoren aus. In den letzten Jahren verrieten uns mehrere selbstironische Holländer, wie ihre Rechnung aufgeht: „Was ihr nicht in Betracht zieht: als echte Niederländer füllen wir mindestens die Hälfte unseres Wohnwagens mit billigen Konserven von zu Hause und so müssen wir in Ländern, die teurer sind, kaum Lebensmittel einkaufen!“.

 

Für diejenigen, die Flexibilität und das einfache Leben in einem kleinen Zelt mögen, ist campieren sicherlich das Richtige und kann ein guter Ausgleich sein. Dies ermöglicht es auch, ohne Reservationen umherzuziehen. Wenn wir aber die aufwendigen Zeltausrüstungen sehen, mit welcher die meisten für zwei bis drei Wochen am selben Ort residieren, erscheint uns diese Art zu campieren, als nicht viel mehr, als klischeehaftes „sparen, egal wieviel es kostet“.


Ausflüge um Creuse Nature

 

Immer wenn wir im Gelände spazierten, vermissten wir das “bonjour”; jedermann grüsste auf Holländisch mit “Goedemiddag!”. Da 90% der anderen Urlauber aus den Niederlanden stammten, darunter sogar einige, die mit in Deutschland oder Frankreich registrierten Fahrzeugen hier eintrafen, war es kaum verwunderlich, dass die meisten dachten, alle müssten aus den Niederlanden stammen. Wir mögen die Niederlande sehr, aber hier waren wir in Frankreich und dies wollten wir auch spüren! So verliessen wir die Holländische Kolonie immer wieder und schwärmten hinaus nach Frankreich, entweder zum essen oder für ein paar Ausflüge.

 

Die Creuse Provinz ist sehr dünn besiedelt, was aber nicht heisst, dass es hier nicht auch ein paar Sehenswürdigkeiten gibt. Nur drei Kilometer von Creuse Nature entfernt liegt Boussac, ein hübsches Dorf das auch zum einkaufen ideal ist. Nach ein paar weiteren Kilometern findet man die balancierenden Felsbrocken „Pierres Jaumâtres“. Diese sind sehr beeindruckend und können über einen angenehmen Wanderweg durch moosigen Wald erreicht werden. Die meisten dieser Felsen ragen bis zu zehn Meter in die Höhe. Sie befinden sich auf dem Gemeindegebiet von Toulx-Sainte-Croix, einem Dorf das für seinen Aussichtsturm bekannt ist.

 

Um etwas Stadtluft zu schnuppern fuhren wir ins mittelalterliche Montluçon, etwa 40km östlich. In dieser Stadt mit 40‘000 Einwohnern findet man viele gute Restaurants. Wir mussten aber leider auf die harte Tour lernen, dass die besten unter ihnen am Wochenende ausgebucht sind. Nach sechs erfolglosen Telefonanrufen am Samstagmorgen, gaben wir auf und entschieden uns für ein gutes Vietnamesisches-, statt für ein feines Französisches Restaurant. Die Stadt ist aber wirklich sehenswert, vor allem ihr historisches Zentrum!

 

Auch in unseren letzten zwei Wochen in Creuse Nature war das Wetter alles andere als perfekt, aber zumindest etwas wärmer und sonniger und so konnten wir doch die meisten Tage für ein paar Stunden nackt im Gelände herumschlendern. Einige Urlauber reisten frühzeitig ab und hofften woanders besseres Wetter zu finden. Es wird ihnen wohl kaum geholfen haben, da es diesen Sommer in ganz Europa aussergewöhnlich kalt war.

 

Am Morgen unserer Abreise regnete es wieder in Strömen und das schlechte Wetter begleitete uns fast den ganzen Weg nordwärts bis Paris. Wer sicherlich mit diesen nass-kalten Bedingungen zufrieden war, waren die vielen Pilzsammler, die wir sahen.


Heliomonde; perfekt für einen längeren Aufenthalt

 

Inzwischen war es der 6. August 2011. Wir trafen im Heliomonde einem grossen FKK Gelände vor den Toren von Paris ein. Dieses ist wohl das „französischste“ Mitglied von “France4naturisme”, einem erfolgreichen Zusammenschluss von etwa einem Dutzend Ferienanlagen für Naturisten, welche sich gemeinsam vermarkten.

Selbstverständlich wird an der Rezeption auch Englisch gesprochen, wir zogen es aber vor, mit dem humorvollen Personal unser Französisch etwas aufzupolieren. Wir entdeckten Heliomonde vor zwei Jahren und kamen nun für einen dreiwöchigen Aufenthalt hierher zurück. Wiederum mieteten wir ein kleines Chalet. Dieses war deutlich grösser, als der Wohnwagen, den wir am letzten Ort gemietet hatten und erst noch etwas günstiger. Um die Urlauber zu einem längeren Aufenthalt zu motivieren, sind die Wochenpreise im Vergleich zu den Tagespreisen, sehr konkurrenzfähig gestaltet.

 

Wenn man die Attraktivität und die hervorragende Ausstattung dieses Platzes in Betracht zieht, ist es eine Schande, dass ihn die meisten Touristen bloss als Übernachts-Stopp, oder als Basis für einen Besuch von Paris nutzen. Der Erholungswert qualifiziert Heliomonde ohne weiteres, dass man dort den gesamten Urlaub verweilen könnte! Die Pariser sind von diesem Gelände bereits seit langem begeistert. Viele strömen für ein entspannendes Wochenende hierher und etwa 350 Familien besitzen eine Holzhütte und verbringen soviel Zeit wie möglich hier.

 

Trotz seiner Nähe zu Paris liegt Heliomonde auf einem 47ha grossen Waldgrundstück, inmitten ländlicher, von Landwirtschaft geprägter Umgebung. Es gibt eine Vielzahl guter Wege durch das Gehölz, einige sind drei Meter breit, andere wiederum nur Trampelpfade. Da Fahrzeuge nur am Ankunfts- und Abfahrtstag auf dem Gelände erlaubt sind, eignen sich alle Wege hervorragend für Nacktwanderungen. Sowohl zwei-, als auch drei- kilometerlange Rundwege sind markiert, doch es gibt noch unzählige weitere Wege zu entdecken. Wir wissen nicht, wie viele Kilometer wir dort marschiert sind, doch unsere Schuhsohlen wurden fast löchrig!

Einmal sahen wir sogar zwei Rehe, und diese waren überraschenderweise nicht im Unterholz, sondern mitten zwischen bewohnten Hütten. Wohnwagen und Mobilheime sieht man hier eher selten, da die meisten Dauermieter eine Holzhütte besitzen von denen so viele im Wald verteilt stehen. Ihr Aussehen und ihre Dekorationen sind sehr individuell und wir bekamen den Eindruck, dass viele jährlich ein neues Gesicht kriegen, da die meisten Eigentümer wahre do-it-yourself Enthusiasten sind.


Es wird noch besser

 

Der Virus, alles immer noch zu perfektionieren, hat nicht nur die Hüttenbesitzer, sondern auch die Eigentümer von Heliomonde infiziert. Seit unserem letzten Besuch kam ein Fitnesszentrum voll mit modernen Folterinstrumenten und Spiegeln dazu. Dies bietet eine athletische Alternative für all diejenigen, welche ihren Muskelzuwachs lieber eitel im Spiegel bewundern, statt einfach nur im Wald herumzurennen. Die vielen Sport- und Spielplätze bieten ebenfalls gute Möglichkeiten für Bewegung an frischer Luft.

 

Auf der anderen Seite braucht es nun aber keine Bewegung mehr, um ein WLAN-Signal zu finden, da sich dieses von selbst über die Zone mit den meisten Mietmöglichkeiten und Stellplätzen verteilt. Es war natürlich viel komfortabler, das Internet direkt in unserem Chalet zu nutzen, statt in einer viel zu hellen open-air WLAN-Zone, wie auf vielen anderen Plätzen.
Dank ein paar weiteren Chalets, neuen Mietzelten mit Holzboden, sowie einer originellen Baumhütte für Gäste mit „gehobenen“ Ansprüchen, stehen mittlerweile etwa 20 Mietobjekte zur Verfügung.

 

Das bisherige Restaurant war durch einen Neubau ersetzt worden. Obwohl es fertig aussah und in Betrieb war, realisierten wir nach einer Weile, dass die Arbeiten noch nicht vollständig abgeschlossen waren. Momentan wurde gerade an einer riesigen Dachterrasse gearbeitet. Das Restaurant setzt auf einfache, aber gute und preiswerte Küche, inklusive Pizza. Es gibt zwar kein Lebensmittelgeschäft auf dem Gelände, frische Backwaren werden aber im Restaurant von morgens früh um 8 bis abends um 10 Uhr angeboten. Es war für uns himmlisch, den ganzen Tag frisches Brot kaufen zu können, gerade soviel wie wir Lust hatten.

 

Gleich neben dem Schwimmbad befindet sich das Gebäude, welches eine grosse Sauna, sowie ein Dampfbad, komplettiert mit Ruheräumen und Duschen beherbergt. In den Sommermonaten wird die Sauna täglich eingeheizt. Da Heliomonde ganzjährig geöffnet ist, wird die Sauna und das Dampfbad auch an Winterwochenenden zwischen Freitag und Montag betrieben. Beide sind gesellig und sehr beliebt.

 

Heliomonde ist dank seiner Lage im Wald, seiner Grösse und seiner hervorragenden Einrichtungen, in unseren Augen mindestens so attraktiv, wie so manches, bei Urlaubern viel beliebteres Gelände. Viele Touristen nehmen sich nicht einmal die Zeit, die Vorzüge kennenzulernen. Nicht wenige kommen spät an, mühen sich drei Stunden damit ab ihre ausgeklügelte Zeltausstattung aufzustellen und hetzen dann vor 22 Uhr noch ins Restaurant, gerade bevor die Küche schliesst. Am nächsten Morgen früh sind sie dann bereits wieder unterwegs, oder vielleicht auf einem touristischen Marathon durch Paris. Hätten derart gehetzte Menschen nicht einen viel entspannteren Abend, wenn sie ihn in einem (Budget) Hotel verbringen würden?

Für uns ist es unverständlich, wie viele Naturisten zwar in dieses Paradies kommen, es aber auf ihrer krankhaften Suche nach sonnigeren Regionen, fluchtartig wieder verlassen, bevor sie sich überhaupt umgesehen haben.

 

Unter der Woche kamen die meisten Camper sicher aus dem Ausland, aber an sonnigen Wochenenden wurden die Stellplätze von Franzosen in Beschlag genommen. Uns ist aufgefallen, dass diese eine ganz andere Einstellung zum campieren haben, als andere Nationalitäten. Normalerweise sind die Franzosen nicht mit aufwendigen Zeltausrüstungen bewaffnet, sondern eher nur mit einem kleinen Zelt. Dieses stellen sie schnell auf und nehmen dann ihre Mahlzeiten im Restaurant ein. Diejenigen die sich etwas mehr Komfort gönnen möchten, entscheiden sich meist für eine Mietunterkunft.

 

Trotz der vielen „Blitz-Camper“ fallen den Bungalow-Besitzern die wenigen Touristen schnell auf, die etwas länger bleiben und so ist es einfach, Kontakt zu finden. Obwohl sich der Campingplatz jeden Morgen dramatisch leerte, waren wir froh, dass wir unser Bungalow lange im Voraus reserviert hatten. Alle Mietobjekte waren eigentlich immer belegt und da Heliomonde für einen vier-tägigen Aufenthalt gleichviel verrechnet, wie für einen ein-wöchigen, nahmen doch einige Urlauber die Gelegenheit wahr und blieben etwas länger.

 

Die Atmosphäre hier, war sehr Französisch und sehr kosmopolitisch zugleich. Wir hatten den Eindruck, dass Immigranten in Frankreich viel besser integriert seien, als anderswo, zumindest wenn es um FKK geht. Menschen verschiedenster Kontinente und Hautfarben machten begeistert mit und zogen sich aus. Bei Paaren verschiedener Kulturen war es oft sogar die eingewanderte Hälfte, welche unbedingt hierher kommen wollte.


Der jährliche „congé“, oder eine ganze Nation im Urlaub

 

Das Dorf St. Chéron ist von Heliomonde nur drei Kilometer mit dem Auto, oder zwanzig Minuten Fussmarsch über einen Waldpfad entfernt. Der Ort eignet sich ideal zum einkaufen und zudem gibt es dort ein paar Restaurants. Ein Asiatisches Lokal, welches wir letztes Mal besuchten, war ganz oben auf unserer Liste für ein schmackhaftes Abendessen.

 

Wenn wir bisher im August in Frankreich waren, hielten wir uns jeweils an Orten auf, die auch bei französischen Urlaubern sehr beliebt sind. Dort hatten alle Geschäfte und Restaurants Hochbetrieb und wir verschwendeten keinen Gedanken daran, dass die vielen Feriengäste quer durchs ganze Land Lücken in ihren Betrieben hinterlassen. Egal ob beim Bäcker, Metzger, Apotheker, beim Elektriker oder im Restaurant, überall hängen nun Schilder „congé annuel“ (Jahresurlaub) an der Tür! Die meisten geben an, ab wann sie wieder öffnen, aber man weiss eh, dass dies wohl kaum vor September der Fall sein wird. Hier sahen wir nun all diese Schilder, welche uns in den sonst leeren Strassen anstarrten. Nur unser favorisierter Asiate hatte ein anderes; darauf stand „wegen Umbau geschlossen“. Was sollen wir als „congés permanentes“ (Dauerurlauber) dazu sagen???

 

So suchten wir in unserem gelben Gault-Millau Gourmet-Schunken nach einem Rettungsanker. In unserer näheren Umgebung waren zwar ein paar gute Optionen aufgelistet, es schien jedoch, dass die Französischen Köche nicht nur wissen wie man gut kocht, sondern auch, dass man im August Urlaub macht. Alle Gourmet-Tempel welche wir im Internet abklapperten, hatten ansprechende Menüs, sowie, sozusagen als Monatshit: eine „congé“ Meldung.

 

Schnell wurde uns bewusst, dass ganze Dörfer für einen Monat ohne Bäcker, Fleischer, oder wen auch immer, auskommen müssen. Irgendwie können wir es auch verstehen; für wen sollen sie auch geöffnet haben, wenn sich all ihre Kunden am Strand grillen. Zum Glück bleiben Supermärkte, Warenhäuser, ein paar Imbissbuden und der öffentliche Verkehr in Betrieb. Sie bedienen die wenigen die entweder arbeiten müssen, oder denen das Geld fehlt, um in Urlaub zu fahren. So waren wir froh, dass wir im Chalet eine Kochgelegenheit hatten. So begnügten wir uns in Erinnerungen unserer Gourmet-Mahlzeiten der Vormonate zu schwelgen und unseren Appetit für diejenigen aufzusparen, die wir im nächsten Monat geniessen würden... Derweil überfallen Französische Familien samt Kind und Kegel die gastronomischen Lokale entlang der Küsten und in jeder anderen touristischen Gegend. Auch dies gehört zu Frankreich; Kinder sind in jedem Restaurant willkommen und gut umsorgt, egal ob es sich um eine einfach Pizzeria, oder um ein hochklassiges Schlemmerlokal handelt.


Paris; leblos, aber pulsierend zugleich

 

Natürlich wollten wir noch einmal die Französische Hauptstadt besuchen. Nachdem wir gesehen hatten, wie ausgestorben die kleinen Dörfer sind, waren wir natürlich sehr gespannt, wieviel Leben wir in Paris vorfinden würden.

Am Bahnhof von St. Chéron, welcher nur einen Katzensprung vom Heliomonde entfern ist, kauften wir eine Tageskarte und bestiegen einen der Züge, welche halbstündlich verkehren. Während der einstündigen Bahnfahrt ins Zentrum sahen wir bei fast jeder Station gähnend leere P+R Parkplätze.

Wir begannen unser Besichtigungsprogramm bei der Nationalbibliothek François Mitterrand, wo wir kaum andere Menschen sahen. Entlang der nahen Uferpromenade an der Seine waren viele Bootsrestaurants vertäut. Sie waren aber alle während der Sommerferien geschlossen. Dasselbe Bild bot sich bei den endlos langen Reihen einfacher Trödlerstände entlang des Flusses. Nur ein paar Händler aus dem Nahen Osten hofften auf Kunden. Da sie wegen dem Ramadan fasteten, machte es für sie wenig Sinn, in Urlaub zu fahren. Da konnten sie gerade so gut warten und hoffen, dass ihnen einer der seltenen Passanten ihre angebotenen Sex Videos abkauft.

 

Apropos Sex; es gab auch eine Beach! Um die Stadt für diejenigen ansprechender zu gestalten die nicht im Urlaub waren, hat man einen Teil des Seine-Ufers mit Liegestühlen, Sonnenschirmen, Schwimmbecken und Sand angereichert. Diese Uferabschnitte werden alljährlich für einen Monat eingerichtet und unter dem Motto „Paris plage“ vermarktet.  Dieser Strand in der Stadt war sehr beliebt und Familien kamen entweder zum sonnenbaden oder auch nur zum spazieren hierher und bewunderten die riesigen Sandburgen, die man modelliert hatte.

Abseits der Seine Ufer war die Stadt wieder sehr ruhig und die meisten Geschäfte und Restaurants waren geschlossen. Aber kaum kamen wir in die Nähe der berühmten Sehenswürdigkeiten, änderte sich das Bild dramatisch und in den Strassen wimmelte es urplötzlich von Fotojägern aus aller Welt. Hier hatten alle Geschäfte Hochbetrieb. Genauer gesagt: alle Souvenir Geschäfte, sowie Restaurants, welche wir als Touristenfallen bezeichnen würden.

 

Wie zu erwarten, wurden auch wir irgendwann hungrig. So suchten wir nach einem Lokal, welches weder den jährlichen August congé beachtete, noch auf Touristenabriss spezialisiert war. Glücklicherweise kriegen auch diejenigen Japaner, welche in Frankreich leben, ein schlechtes Gewissen, wenn sie mehr als ein paar Tage nicht arbeiten. In Paris gibt es hunderte von Japanischen Lokalen und weil es so viele sind, haben sich einige spezialisiert, genauso wie in Japan. So fanden wir Lokale, welche einzig Ramen-, Udon-, Tonkatsu-, Tempura-, oder die bekannteren Sushi Gerichte anboten.


Paris ohne Eiffelturm

 

Gestärkt folgten wir weiter dem Touristenpfad, genauso wie dies jeder pflichtbewusste Japaner tun würde. Zuerst konzentrierten wir uns vor allem auf die Sehenswürdigkeiten, welche wir vor zwei Jahren nicht besichtigt hatten, und liessen deshalb Eiffelturm und Konsorte links liegen. Selbst wenn man eine Woche in Paris verbringt, kann es sein, dass man nicht jede der vielfältigen Attraktionen der Stadt gesehen hat. Neben den bestbekannten Höhepunkten gibt es noch unzählige andere ansprechende Ecken zu entdecken.

Die Gegend um den Villette Park mit der  Cité des sciences et de l’industrie  war so ein Ort. Da wir wussten, dass der Star-Architekt Jean Nouvel damit beauftragt wurde, in diesem Gebiet die neue Philharmonie zu entwerfen, hofften wir dort ein paar ultra-moderne Bauwerke vorzufinden. Obwohl die Gebäude des Zentrums der Wissenschaften bereits ein paar moderne Elemente beinhalten, war die neue Konzerthalle für die Philharmonie nicht viel mehr, als ein gähnendes Loch mit ein paar Baukränen, sowie einem kleinen Bautrupp. Das Projekt verzögert sich wegen finanzieller Engpässe und alles was wir zu sehen bekamen, war ein Modell und die Grundrisspläne.

 

So nahmen wir die U-Bahn ins touristische Arrondissement Montmartre. Wir bekamen den Eindruck, dass die anderen Passagiere vornehmlich Touristen und Immigranten waren, da die Franzosen alle irgendwo anders im Urlaub weilten. Ausländer sah man allerdings massenhaft um die berühmte Sacré Coeur Basilika. Ebenso in den malerischen Gassen darum herum und in der Nähe jedes extravaganten Bauwerks, sei es nun die Oper, der Louvre, die Notre Dame Kathedrale oder das moderne Centre Pompidou.

Das stattliche Rathaus ist eine dieser beeindruckenden Bauten. Auf dem davorliegenden Platz wurde mit viel Sand, eine Reihe Beach-Volleyballfelder für den Sommer eingerichtet. Sand hatte es hier schon früher. Der Platz heisst seit 1803 “Place de l’Hôtel de Ville“, doch vorher nannte man ihn „place de Grève“, was ursprünglich eine Französische Bezeichnung für „Sandplatz“ war. Wegen der vielen Versammlungen und Revolten auf diesem ehemals sandigen Platz, bekam „faire (la) grève“ im Volksmund die Bedeutung, auf diesem Platz „zu streiken“. So kam es, dass das Französische Wort „grève“ heute für „Streik“ verwendet wird.

 

Wir sind uns nicht sicher, ob die Franzosen auf ihre vielen Streiks stolz sind, aber sie haben sicherlich viel Nationalstolz. So wurde es uns einfach gemacht, unseren vielen Fotos Namen zuzuordnen; wenn wir etwas wie „de France, du Président de France, oder nationale française...“ zufügten, war der halbe Name schon richtig.

 

Eine andere Modeerscheinung welche in Paris, genauso wie in jeder anderen Grossstadt Fuss gefasst hat, ist Graffiti. Wir sahen solche „Kunstwerke“ fast überall, nicht nur an Mauern, sondern auch an Zügen und parkierten Autos.
Kurz nach Mitternacht bestiegen wir den letzten Zug zurück nach St. Chéron.


Szenenwechsel

 

Die vierte Augustwoche, welche unsere letzte im Heliomonde war, begann mit einem sehr warmen Wochenende. Viele Pariser wollten dies ausnützen und zur selben Zeit brachte das Ende der Schulferien in den Niederlanden eine grosse Zahl an (stop-over) Holländern hierher. Deshalb sahen wir jedes Mal, wenn wir von unserer Terrasse aufsahen, ein paar weitere Franzosen beim Aufstellen ihrer kleinen Zelte, oder zusätzliche Niederländische Familien beim Positionieren ihres Wohnwagens oder beim Aufbau ihrer Zeltschlösser. Bis zum Montag waren die meisten Französischen Wochenendgäste wieder abgezogen, hingegen waren nun viele Bungalows der Dauermieter belegt. Es schien uns, als ob viele Familien aus der Umgebung ihre letzte Ferienwoche in ihrer geliebten Sommerhütte verbringen.

Die Touristen die jetzt kamen, brachten keine Kinder mehr mit, denn sie waren deutlich älter. Diese grauen Nomaden schienen etwas mehr Zeit zu haben, da die meisten für ein paar Tage blieben. Wo vor nur einer Woche noch überall Kinderfahrräder auf den Stellplätzen herumlagen, standen nun Ständer mit exakt ausgerichteten Satellitenschüsseln.

 

Von diesen älteren Herrschaften trafen wir kaum jemanden auf unseren Spaziergängen durch den Wald, ganz im Gegensatz zur vorigen Woche, wo viele Pariser hier waren. Inzwischen herrschte so warmes Wetter, es war eine Wohltat zwischen den Bäumen im Schatten zu gehen. Sogar während unserer letzten Woche fanden wir immer noch neue Pfade. Eine Französische Familie, welche hier seit sechs Jahren eine Holzhütte besitzt, erzählte uns, dass dies sogar ihnen immer wieder passiert.

 

Wettermässig wurden wir nun, im Vergleich zum diesjährigen kalten Juli, schon fast verwöhnt. Es war zwar immer noch wechselhaft, aber an den allermeisten Tagen warm genug, dass wir nackt sein konnten. Wenn der Wind vor unserem Chalet zu stark blies, fanden wir im „Tal der Inkas“, dem tiefer gelegenen Teil von Heliomonde, meist Windschutz. Wenn es etwas überzogen war, war es normalerweise am Schwimmbad noch warm genug, da es dort ebenfalls windgeschützt ist und kaum Bäume hat. In den letzten Tagen hingegen, suchten wir eher Schatten, da die Temperaturen wieder gegen 30°C anstiegen.

 

Unsere drei Wochen vergingen wie im Flug und schon mussten wir wieder packen. An einem sonnigen Tag fuhren wir entlang angenehm leerer Landstrassen etwa 300 Kilometer südwärts. Unser erster Halt war im malerischen Dorf „Chaumont sur Tharonne“, wo wir das Mittagessen einnahmen. Kurz darauf bewunderten wir das beeindruckende Schloss „Château de Valençay“. Für eine Hochzeit wurde es gerade geschlossen. Kein Problem für uns; wir wollten eh keinen Eintritt bezahlen, da wir normalerweise zufrieden sind, Schlösser von aussen betrachten zu können.


La Petite Brenne; ein Gelände mit unverwechselbarer Identität

 

Etwas später an diesem 27. August 2011, erreichten wir „La Petite Brenne“, ein mittelgrosses FKK Gelände im Département Indre. Wir bezogen ein kleines Mobilheim, welches wir im Voraus reserviert hatten. Es war brandneu und eigentlich gar nicht so klein. Es hatte zwei kleine Schlafzimmer, Bad, separate Toilette und einen kleinen Wohnbereich mit Küche, der allein schon grösser war, als so mancher Wohnwagen der kreuz und quer durch Europa geschleppt wird.

 

Sämtliche der zehn Mietmöglichkeiten waren belegt, doch von den 150 Stellplätzen war bloss etwa ein Viertel besetzt. Die Zahl der „Zeltler und Wohnwägeler“ verringerte sich während unseres Aufenthaltes schnell. In der ersten Woche hatte es immer noch Familien mit Kindern, doch danach stieg das Durchschnittsalter der Gäste dramatisch an. Gleichzeitig verloren die vielen Spiel- und Sportplätze massiv an Popularität. Schon bald sah es hier sehr leer aus, obwohl „La Petite Brenne“ dank seiner Grösse von 42 ha, auch wenn es randvoll ist, nie überfüllt aussehen mag. Der Grossteil der Stellplätze ist um ausgedehnte offene Weiden herum angeordnet und zudem gibt es auch welche im bewaldeten Teil. Von einigen hat man Sicht auf den kleinen See, der ebenfalls zum Gelände gehört.

 

Bevor die Holländische Besitzerfamilie dieses Anwesen vor 15 Jahren erwarb, beherbergte es viele Pferde. Inzwischen sind die grossen Farmgebäude schön renoviert und um zusätzliche Einrichtungen erweitert worden. Es gibt auch jetzt noch ein paar 4-Beiner, aber inzwischen ist hier ein wahres Paradies für 2-Beiner entstanden, welche gerne nackt herumrennen, genauso normal wie dies für Tiere ist. Besucher dürfen hingegen keine Hunde mitbringen und deshalb muss man höchstens die vier Hunde abwimmeln, die hier wohnen. So ist „La Petite Brenne“ das einzige FKK Gelände welches wir kennen, wo die Gäste weder mit viel Hundekot, noch mit viel Hundegebell leben müssen.

 

Eines der zwei ehemaligen Farmgebäude beherbergt nun ein Restaurant mit offenem Kamin, einen Mini-Shop mit Brotservice, sowie eine Bibliothek und grosse Gemeinschaftsräume. Diese beinhalten Aufenthaltsräume mit WLAN-Zugang, sowie Räume mit Spielen und Musikinstrumenten, welche allen Gästen zur Verfügung stehen.

 

Es gibt mehrere Dinge, welche „La Petite Brenne“ im Vergleich zu anderen FKK Geländen, einen ganz speziellen Charakter verleihen. So gibt es z.B. ein „Fitness-Center“ unter freiem Himmel mit einigen witzigen und bunten Fitnessgeräten. Kindern mag es wohl nicht gefallen, dass diese modernen Spielzeuge Erwachsenen vorbehalten sein sollen. Die Erwachsenen wiederum müssen sich damit zufrieden geben, den Muskelzuwachs anderer zu bestaunen, da es hier keine Spiegel gibt – nur frische Luft!

 

Es gibt einen ausgeklügelten Irrgarten aus Maschendraht, vielen Torbögen mit abschliessbaren Gittertüren und sogar einer Überführung. Auch wenn einige der Kletterpflanzen, welche die Zäune bedecken sollten, eingegangen sind, ist es immer noch trickreich, den Ausgang zu finden, erst recht, weil der Durchgang regelmässig durch öffnen und abschliessen der Tore verändert wird. Denjenigen Kindern (oder Erwachsenen), die heimlich üben, kann es passieren, dass sie in einer Sackgasse enden, wenn sie ihre Kumpel beeindrucken möchten, ohne zu wissen, dass die Eigentümer inzwischen den Weg durch den Irrgarten geändert haben!


Mosaik Euphorie

 

Das markanteste Merkmal von „La Petite Brenne“ und woran sich sicher jedermann der je hier war, erinnern mag, sind die unzähligen Mosaike aus bunten Keramik-Kacheln. Man findet sie im wahrsten Sinne des Wortes überall! Sie verschönern nicht nur die Böden im und ums Hauptgebäude, sondern auch viele Wände und Zimmer. Es gibt auch viele modellierte Tiere, wie z.B. das gestreckte Pferd, welches einem am Eingang begrüsst.  Die wohl beeindruckendsten Mosaik-Kunstwerke befinden sich bei den beiden Schwimmbecken. Neben dem Hallenbad befindet sich eine ganze Reihe fantasievoller Fabelwesen, welche über einer zehn Meter breiten, anatomisch geformten Sonnenliege wachen.

 

Noch viel mehr Platz bietet die schlangenförmige Sitzbank, welche sich der ganzen Länge des Aussen-Pools entlang schlängelt. Dieses gigantische Schlangen-Mosaik ist mit etwa 45 Metern mehr als doppelt so lang, als das Schwimmbecken. Der gesamte „Schlangenkörper“ (d.h. die Bank) ist mit unzähligen individuellen Sujets dekoriert.

Ganze Wandmosaike schmücken die Sauna, Sanitärgebäude und was auch immer mit Fliesen geschützt werden muss, oder zum Anschauen einlädt.

Wer auch immer etwas von diesen wunderschönen und fantasievollen Kunstwerken wegschauen möchte, kann sich der Mosaik-Euphorie anschliessen, da Kurse angeboten werden, in denen man das Handwerk des Keramik-Mosaiklegens erlernen kann.

 

Chalets und einige andere Gebäude, deren Wände aus Holzscheitern und Zement, statt mit Backsteinen gemauert wurden, sind eine weitere Eigenart, die wir bisher nirgendwo anders gesehen hatten. Auch dies sieht sehr speziell aus und die sichtbaren Rund- und Schnitthölzer zwischen dem Zement sind sehr dekorativ – schon fast wie ein Mosaik aus Holz.


Parc naturel de la Brenne

 

„La Petite Brenne“ liegt innerhalb der Grenzen des regionalen Naturparks Brenne. Er bildet ein 183‘000 ha grosses Naturreservat um seine ca. 2’500 “étangs”, wie diese kleinen künstlichen Seen genannt werden. Obwohl diese Teiche und kleinen Seen alle von Menschenhand geschaffen wurden und zur Fischzucht genutzt werden, leisten sie mittlerweile einen wichtigen ökologischen Beitrag an Flora und Fauna. Es gibt dort eine Vielzahl natürlicher Nistplätze für Vögel. Der Park wurde nicht nur geschaffen um die Seen zu schützen, sondern auch um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, da die meisten in Privatbesitz sind. „Unser“ See auf dem FKK Camping ist einer davon. Er wird zum Schwimmen und Fischen genutzt. Als wir einmal einen glücklichen Hobbyfischer fragten, ob er seinen Fang zu verspeisen, oder in den See zurückzugeben gedenke, antwortete dieser lakonisch: „Weder noch; ich schmeisse ihn in den Müll, er ist nicht essbar und zudem gibt es zu viele davon!“

 

Die meisten Fische die in den Brenne Seen gefangen werden, geben ihr Leben allerdings für einen sinnvolleren Zweck her; sie werden als lokale Spezialität verspiesen werden. Am häufigsten wird hier Karpfen gezüchtet, ein Fisch der von vielen, als nicht essbar betrachtet wird. Die Leute der Brenne-Region haben jedoch herausgefunden, wie man ihn behandeln muss, damit jeder Feinschmecker davon schwärmt.

Die 2‘500 “étangs” dieser Gegend sind alles andere als tief und mit Hilfe von Umfassungsdämmen gestaut. Die meisten sind eher klein, der grösste hingegen nimmt eine Fläche von 160 ha in Anspruch. Wir wissen nicht weshalb, aber diesen nennt man „mer rouge“ (Rotes Meer). Jeder See wird etwa alle vier Jahre einmal entleert. Dabei werden die Fische nach Grösse sortiert; grob gesagt in diejenigen die die Zukunft ihrer Gattung sicherstellen müssen, und in diejenigen, die bei der Ernährung der Gattung des Homo Sapiens mithelfen müssen.

 

Schöne Spazierwege und geschützte Unterstände zur Vogelbeobachtung wurden entlang derjenigen Seen angelegt, welche der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Zwei Besucherzentren bieten interessante Ausstellungen, Multimedia-Vorführungen und geführte Touren an. Dieses unbewohnte Gebiet ist bei Zugvögeln hoch im Kurs und diese ziehen wiederum Ornithologen von weither an. Der “parc naturel régional de la Brenne” ist auch Heimat von Europas grösster Population an Sumpfschildkröten. Etwa 100‘000 dieser kleinen Frischwasserschildkröten leben hier.


Überraschungen an und unter Bäumen

 

Für Streifzüge war es nicht unbedingt notwendig die Grenzen des FKK Geländes „La Petite Brenne“ zu verlassen. Sogar hier führte ein ausgedehntes Netz an Fusswegen durch eine sehr abwechslungsreiche Landschaft und das Beste daran: alle konnten nackt begangen werden. Drei Rundwege zwischen jeweils zwei und drei Kilometern Länge sind gut ausgeschildert, aber es gibt noch unzählige andere Möglichkeiten. Sie führen Mal durch schattigen Wald, dann wieder über blumenübersäte Wiesen, meist weit weg der Zeltplätze.

Es gab einen Baum mit Früchten, welche wir noch nie gesehen hatten. Am selben Tag war auch ein Tier im kleinen Bächlein das durch „La Petite Brenne“ fliesst – wiederum eines, das wir vorher noch nie gesehen hatten. Später stellte sich heraus, dass dieses Tier, welches fast wie ein übergrosses Meerschweinchen aussah, ein Nutria bzw. eine Biberratte gewesen sein muss.

Nur ein paar Tage später entdeckte Heinz einen wunderschönen rot-weissen Pilz, der fast die Form eines Seesterns hatte. Dieser entpuppte sich als Tintenfischpilz. Nachdem wir Fotos davon herumzeigten, mussten wir andere Naturisten mit ihren Kameras zu der Stelle führen, wo diese Pilze wuchsen. Diese und viele andere Pilze schossen dank den vielen kurzen Regenschauern, welche das heisse Wetter unterbrachen, aus dem Boden. Es war ein Glücksfall die Tintenfischpilze zu finden, denn keine zwei Tage später waren sie im wahrsten Sinn des Wortes vom Erdboden verschwunden!

Brombeeren hingegen, fanden wir in rauen Mengen, auch wenn sich die Büsche mit ihren ekligen Dornen der Pflücker zu erwehren versuchten. Unser Wille war jedoch stärker, wir ertrugen die Qualen und genossen danach ein paar erfrischende Beeren-Smoothies.

 

Unsere täglichen Nacktspaziergänge durch das grosse Grundstück brachte uns auch entlang der Weiden, wo Pferde und Esel grasten. Ab und zu kamen sie zu uns an den Zaun und standen sogar für ein paar Fotos modell. Sie waren sich an Menschen gewöhnt, da man jeden Morgen mit ihnen ausreiten konnte.


Dauermieter Gebiet

 

Obwohl sich der Campingplatz im September schnell leerte, fühlten wir dies kaum, da sich unser Mobilheim mitten in der Zone für Dauermieter befand. Etwa zehn Mobilheime wurden an FKKler verkauft, die den Grossteil des Sommers hier verbringen, was das Gelände in der Nebensaison lebhafter macht. Die meisten davon stammen aus den Niederlanden und Belgien, es gibt aber auch ein paar merkwürdige Ausnahmen. Ihre Behausungen sind alle liebevoll dekoriert, sowie um Gartenhäuschen und Terrassen ergänzt. Wie auch anderenorts beobachtet, scheinen sich die meisten Eigentümer eher aufs Arbeiten, als aufs Ausspannen zu konzentrieren. Da gibt es allerdings ein grosses Problem: ihre Mobilheime sind alle brandneu und es gibt kaum etwas zu verbessern oder reparieren... Wer verzweifelt sucht, findet immer etwas zu tun. Die Tatsache, dass ihre Terrassen aus extra langlebigem Holz bestehen, welche in Theorie über mehrere Jahrzehnte die Strapazen von Wind und Wetter aushalten sollten, hindert einige Heimwerker nicht daran, sowohl das Geländer, als auch die gesamte Terrasse zu streichen, abzuschleifen und wieder zu streichen. Dies eliminiert wohl das Ausbleichen durch monatelange Sonneneinstrahlung und hält sie für ein paar Wochen beschäftigt, bis dann der Einfluss des Winters ein paar neue Ideen in ihren Köpfen ausreifen lässt.

Die meisten Frauen der Dauermieter versammeln sich täglich für 2 ½ Stunden zu Keramik-Mosaikarbeiten, was ihren pflichtbewussten Partnern kaum genug Zeit lässt, ihre 50 m2 Grundstücke gründlich zu mähen!


Städte und Täler entlang des Flusses Creuse

 

Nur etwa 12 km östlich von „La Petite Brenne“ befindet sich das hübsche Städtchen Argenton-sur-Creuse. Sein kleines Zentrum ist herausgeputzt und hat viele Geschäfte. Am besten gefielen uns aber die malerischen Häuser die sich an den Fluss Creuse schmiegten. Bei genauerem Hinsehen, waren einige eigentlich ziemlich baufällig und schief – irgendwie genau so wie sie von einem Charakter wie Dalí auf Leinwand gemalt würden.

 

Dann folgten wir der kurvenreichen Strasse durch das Creuse Tal. Diese brachte uns manchmal durch Wälder und manchmal durch Landwirtschaftsgebiet, immer wieder mit Blick auf den Flusslauf. Ab und an kamen wir durch kleine Siedlungen und eine davon war Gargilesse. Sie steht auf der Liste der hübschesten Dörfer “un des plus beaux villages de France” und von einer Stelle aus sah der Ort auch wirklich malerisch aus. Auf jeden Fall viel schöner als das nahegelegene Dorf St. Benoit-du-Sault. Auch dieses ist auf jener Liste vertreten, aber wohl eher für seine historische Bedeutung, denn wir fanden jedenfalls nicht sehr viel, das wir als schön bezeichnen würden.


Food for life

 

Nicht um ein schönes Dörfchen zu sehen, sondern um gut zu essen, fuhren wir nach Le Blanc, etwa 30 km westlich von “La Petite Brenne”. Da diese Region etwas touristisch ist, haben die hiesigen Gourmet-Tempel während des ganzen Sommers geöffnet. Zu unserer Überraschung mussten wir feststellen, dass diejenigen dieser Gegend eher im September Betriebsferien machen – also gerade jetzt! Na ja, wir fanden aber immer noch ein Lokal, welches unseren Gaumen verwöhnte. Da die Brenne Region nur sehr spärlich besiedelt ist und kaum Möglichkeiten bietet, um Geld zu verdienen, ist es nur verständlich, dass die Lokale auf die wenigen Touristen angewiesen sind, die sich in der Hochsaison hier einfinden. So machen die einheimischen Köche halt in der Nebensaison Urlaub.

 

Das Kulinarische hat für die Franzosen einen so hohen Stellenwert, dass auch Haustiere nicht schlechter behandelt werden. Unverhohlen grinsend, stellten wir fest, dass sich Katzen und Hunde in diesem Land nicht bloss mit hundskomunem Büchsenfutter begnügen müssen, wie z.B. „Wauwau“ oder „Miau“ mit Huhn, Fisch oder Schwein. Französische Supermärkte füllen ihre Regale mit einer grossen Auswahl erlesenster Tiernahrung, wie „Mousse“, „Terrines“ oder „émincé aux sauces“ für diejenigen Kunden, die aufs Geld achten müssen. Aber echte Tiernarren verwöhnen ihre Lieblinge wohl mit etwas Delikatem aus der Gourmet-Abteilung für Haustiere, egal wieviel es kostet. Dort müssen sie sich entscheiden zwischen „cassolette gourmande” (Schlemmerpfännchen), “les mousselines avec des légumes” (extrafeine Gemüseterrine) angereichert mit Lamm, Ente oder Forelle. Die besonders raffinierten Double-Delice Gerichte müssen wir natürlich auch noch erwähnen, bevor wir aufhören! So gibt es beispielsweise Hase mit Leber oder Wildfang-Fisch aus dem Ozean, welcher nun in einer herrlichen Spinatsauce schwimmt.

Auch wenn all diese Delikatessen exklusiv für Vierbeiner gedacht sind, werden sie auf der Packung genauso präsentiert, wie sie im bevorzugten Gourmet-Restaurant des Tierhalters serviert würden.

 

Nachdem wir dies gesehen hatten, ging uns ein Licht auf, weshalb “ris de veau  (Kalbsbries) und Kalbskopf zu lokalen Spezialitäten für Zweibeiner gekürt wurden – dies ist doch für Tierfutter einfach zu banal. Ohne zu wissen worum es geht, brachten wir eine Kellnerin in Verlegenheit, als wir sie fragten, was “ris de veau” sei. Da sie nicht so eine direkte Art hatte wie Heinz, kam sie mit einem Englischen Diktionär daher, welcher „ris“ als „sweetbread“ (D: Bries) übersetzte. Da dies für uns nur „Süssbrot“ bedeutete, kamen wir damit nicht weiter.
Am nächsten Tag versuchte uns ein Englischer Naturist auf die Sprünge zu helfen: „that’s the balls, mate!” (Mensch, das sind die Eier). So einfach ist es aber gar nicht. Es handelt sich um eine gängige Verwechslung und zudem werden Stierhoden als „Bries à la Paris“ kredenzt. Wir lernten, dass “sweetbread” oder “ris” auf Französisch, kulinarische Namen für den Thymus (Kehl-, Speiseröhre-, oder Nacken-Bries) oder die Pankreas sind (Herz-, Magen-, oder Bauch-Bries). Bries, welches in der Schweiz als Milken bekannt ist, wird vor allem vom Kalb (ris de veau) und Lamm (ris d'agneau) verspiesen! So konfus dies auch ist, es tönt auf jeden Fall bei weitem nicht so banal, wie wenn man einfach die Hoden eines Tieres essen würde!


Gutes Wetter und gutes Essen in “La Petite Brenne”

 

Wenn man bedenkt, dass es inzwischen September war, hatten wir drei recht warme und meist sonnige Wochen in “La Petite Brenne”. Fast täglich konnten wir Nacktspaziergänge machen, was wiederum zu grossem Verschleiss unserer Schuhe führte. Wir haben die Eigentümer im Verdacht, nur so ein grosses Wegenetz angelegt zu haben, damit die Gäste hungrig werden und danach in deren Restaurant  kräftig zubeissen. Natürlich mussten auch wir unseren Kalorienverlust wieder kompensieren. Die angebotenen Menüs waren wahrlich Französisch und dies, obwohl die Eigentümer Holländer sind. Sie betrieben allerdings schon ein Französisches Restaurant in den Niederlanden, bevor sie hierher einwanderten. Das typisch Französische Mehrgänge-Menü wechselt täglich und bietet trotzdem eine Auswahl von mehreren Vorspeisen, vier Hauptgerichten, inklusive einem Vegetarischen Gericht und mehrere Nachspeisen. Die Küche ist raffiniert und für diejenigen die lieber etwas einfacheres essen, werden an einem separaten Schalter Pizzen und Take-Aways angeboten. Ein- oder zweimal die Woche legt der Koch eine andere Platte auf und verwöhnt seine Gäste mit Gerichten aus anderen Ländern. Wir liessen uns die Indonesische Rijstafel nicht entgehen, wo wir eine grosse Anzahl schmackhafter Gerichte kosten konnten, welche fast so schmeckten wie im Ursprungsland, bloss nicht so scharf.

Wie jeden Abend, wurde das Essen an einem grossen Gemeinschaftstisch serviert. Dieser Abend wurde sogar noch von Life-Musik abgerundet, die von einem Paar vorgetragen wurde, welches den ganzen Sommer in „La Petite Brenne“ verbringt.

Wie immer war das Essen vorzüglich und zudem auch sehr gesellig, zumindest dann, wenn man das Glück hatte, an einem mehrsprachigen Tisch zu sitzen, da die meisten Gäste aus den Niederlanden stammen. Ihrem Ruf gerecht, sind die meisten allerdings recht sprachbegabt und haben mit Deutsch oder Englisch keine Mühe, nur ums Französisch versuchen sie sich gern etwas zu drücken! Wenn die Gemeinschaftsessen nicht bereits um 19:00 Uhr, sondern wie in der Hochsaison auch um 20:00 Uhr serviert worden wären, hätten wir sicher noch öfters davon profitiert.

 

Wo immer die Eigentümer einer Ferienanlage aus dem Ausland stammen, besteht das Risiko, dass diese von ihren Landsleuten „ghettoisiert“ wird. Französisch zu kochen und die Gerichte zuerst in Französisch und dann erst in anderen Sprachen aufzulisten, ist ein Detail wie „La Petite Brenne“ sicherstellt, dass jeder fühlt, dass er in Frankreich ist. Obwohl die meisten Gäste aus den Niederlanden stammen, sind auf dem Anschlagbrett alle Animationen ebenfalls zuerst in Französisch und erst in zweiter Linie in anderen Sprachen notiert. Den verschiedenen Teilbereichen des Geländes wurden gezielt Französische Namen gegeben. Diese sind alle auf hübschen kleinen Schildern, welche auf dem ganzen Grundstück verteilt stehen, angeschrieben. Dies finden wir viel charmanter, als was wir anderswo gesehen hatten, wo die Eigentümer zu vergessen scheinen, dass die Landessprache hier eigentlich Französisch ist.


Weder reich, noch berühmt

 

Nicht auf Französisch, sondern auf Englisch wurden wir von einem Paar aus Grossbritannien angesprochen. Sie waren die allerersten Leser eines FKK Magazines, die auf uns zukamen, nachdem sie ein paar unserer Beiträge gelesen hatten. Wir waren ziemlich überrascht und plauderten recht lange mit Margaret und John, die selbst ein FKK Gelände betreiben: Pevors Farm Cottages, etwa 80km von London. Als wir 2003 begannen, Teile unseres langen Reiseberichtes dem Magazin „Naturist Life“ und später auch anderen Magazinen zur Publikation zur Verfügung zu stellen, waren wir zuerst etwas besorgt, dass wir danach dauernd erkannt würden, wenn wir uns auf FKK Plätzen aufhalten. Die Aussicht von Normalbürgern als FKKler erkannt zu werden, sorgte uns nicht, damit können wir gut umgehen, aber wir wollten innerhalb der Naturistenbewegung nicht „zu bekannt“ werden. Da es ganze acht Jahre dauerte, bis wir zum ersten Mal angesprochen wurden, war unsere Sorge grundlos gewesen. Dies sollte alle Naturisten motivieren, andere an ihren interessanten Geschichten und Bildern teilhaben zu lassen. Warum sollte jemand, der von FKK überzeugt ist, seine Philosophie nicht mit anderen teilen?

 

Wir hatten eine kurzweilige Zeit, da wir uns häufig mit unseren Nachbarn, oder mit Leuten die wir an den Gemeinschaftsmahlzeiten kennenlernten, unterhielten. Ab und zu luden wir jemanden zu einem Shake ein, oder wurden zu einem Apéro eingeladen. Die Sauna hingegen, war eher ein Ort der Ruhe, als der Geselligkeit. Der Eintritt in die grosse holzbeheizte Sauna kostete bescheidene € 1.50. Natürlich war auch hier der gesamte Nassbereich mit fantasievollen Keramikarbeiten dekoriert. Auch die Duschen waren sehr ausgefallen; es gab Kaltwasser-Eimer über den Köpfen, tropische Regenwald-Duschen und ähnliches.

 

Mitte Sept blieb „La Petite Brenne“ noch zehn Tage, bis die diesjährige Saison zu Ende ging. Die Mietunterkünfte waren noch immer alle belegt, bei den Campingplätzen hingegen, waren es nur noch etwa 10%. Die meisten Dienstleistungen wurden aber aufrecht erhalten, darunter auch das immer noch sehr beliebte Restaurant. So nahmen wir an unserem letzten Abend noch einmal an einem französischen Gemeinschaftsmahl teil.

Da das sehr warme Wetter auch an unserem Abreisetag anhielt, liessen wir uns nach dem Packen noch etwas Zeit. Wir hatten uns dafür entschieden, die 700km Autobahnfahrt zu unserem nächsten Ziel in zwei Etappen aufzuteilen. Deshalb verabschiedeten wir uns in „La Petite Brenne“ erst um drei Uhr nachmittags.

 

Nach 2 ½ Stunden Fahrt verliessen wir die Autobahn bereits wieder und machten einen kleinen Umweg nach La Roque Gageac, einem unserer Lieblingsorte entlang der Dordogne. Wir übernachteten in derselben Frühstückspension wie im Juli und schlemmten wiederum ein einem nahen Gourmet-Tempel. Inzwischen herrschte hier eine ganz andere Atmosphäre. Die meisten Touristen waren abgereist und die Campingplätze waren nun fast alle geschlossen. Die Sonnenblumenfelder, die im Juli in voller Blüte gestanden hatten, waren inzwischen abgeerntet und hinterliessen nicht einmal mehr eine Andeutung des leuchtenden Blumenmeeres. Auf der anderen Seite zeigten die ersten Bäume entlang des Dordogne-Ufers bereits einen Hauch bunter Herbstfarben.

Am nächsten Tag ging’s wieder auf die Strasse. Da es kaum Verkehr hatte, waren wir umso mehr überrascht, dass die Autobahnraststätten und Pick-Nick Plätze südlich von Toulouse um die Mittagszeit randvoll waren. Nun dauerte es weniger als zwei Stunden, bis wir das Mittelmeer bei Perpignan erreichten.


Die FKK Dörfer von Port Leucate

 

Es war der 17. September 2011, als wir Port Leucate erreichten. Die freundliche Empfangsdame der Agence Oasis überreichte uns die Schlüssel zu einem gut ausgestatteten Reihenhaus, welches wir vor ein paar Monaten reserviert hatten.

Die Gemeinde Leucate besteht aus vier räumlich getrennten und sehr unterschiedlichen Siedlungen, von welchen jede eigentlich ein eigenes Dorf ist. Das einzige natürlich gewachsene Dorf ist Leucate Village. Es befindet sich im Norden, einige Kilometer vom Meer entfernt. Bei den anderen drei handelt es sich um, als Feriendörfer gebaute Siedlungen, entlang des Strandes. Zwischen Leucate Plage im Norden und Port Leucate im Süden, befindet sich ein ganzes Dorf nur für FKKler. Es liegt zwischen dem Strand und einem Binnensee (étang) und besteht aus mehreren Feriensiedlungen mit Wohnungen und Reihenhäusern.

 

Insgesamt gibt es im “Village naturiste de Port Leucate” etwa 1‘500 Wohneinheiten im Privatbesitz. Viele davon können über Agenturen, wie beispielsweise Oasis, gemietet werden. Einige Eigentümer vermieten auch direkt, doch ihre Preisvorstellungen liegen häufig über dem, was die Agenturen verlangen würden, vor allem in der Nebensaison. Da die Agenturen während der ganzen Saison im Geschäft bleiben möchten, sind ihre Preise naturgemäss sehr konkurrenzfähig und zudem sind sie mit Tat und Rat zur Stelle.

 

Die Bebauung der Naturistenzone begann 1974 und seither wurden und werden noch immer neue Feriensiedlungen gebaut. Aphrodite und Oasis sind die beiden grössten Anlagen. Aphrodite ist sehr französisch, aber mit ausländischen Eigentümern und Feriengästen gut durchmischt. Es gibt hier vor allem ein- und zweistöckige Häuser und viele der Wohnungen wurden von ihren Besitzern um- oder angebaut. Von vielen der Gebäude entlang des Binnensees sieht man auf den Kleinboothafen, der ebenfalls zur FKK Anlage gehört. Im Zentrum von Aphrodite befinden sich, um einen Platz angeordnet, mehrere kleine Geschäfte und Restaurants. Darunter eine Metzgerei und eine ausgezeichnete Bäckerei, der wir jeden Morgen einen Besuch abstatteten. Wir genossen dieses gute Angebot ganz in der Nähe zu haben. Da wir aber in einer benachbarten Feriensiedlung wohnten, zahlten wir eine Administrationsgebühr, um einen Schlüssel zu erhalten, was uns einen Umweg ersparte. Ausser entlang des Strandes, sind hier alle Urbanisationen mit Zäunen umgeben.

 

Die Apartments in der danebenliegende Ferienanlage Oasis, befinden sich vorwiegend in Deutscher- und Schweizer Hand, was auch für das einzige Restaurant gilt. Wir hätten da gut noch etwas mehr französisches Flair ertragen können. Die Siedlung ist ansprechend gestaltet und die Wohnungen, die sich vorwiegend in drei- und vierstöckigen Gebäuden befinden, sind eher gross und modern. Im Oasis ist der Gärtner nicht der Mörder, sondern derjenige der WLAN-Codes fürs Internet verkauft.


Heisse Herbsttage am Strand

 

Weil sich unsere Freunde Annemarie & Beat uns für zwei Wochen anschlossen, hatten wir ein Reihenhaus am Binnensee gebucht. Die beiden trafen bereits an unserem zweiten Tag mit dem Zug ein und wir brachten sie direkt in unser Lieblingsrestaurant, um ihnen einen ersten Eindruck der Französischen Küche zu vermitteln.

Als wir ihnen diverse Möglichkeiten vorgeschlagen hatten, wo wir uns treffen könnten, warnten wir sie, dass Port Leucate nicht nur ein Paradies für Sonnenanbeter, sondern auch für Windsurfer ist, die wegen dem oft stark blasenden Wind hierher pilgern. Es handelt sich um den Tramontane, welcher sich regelmässig in den Pyrenäen aufbaut. Im Frühling fröstelt er die Badenden oft auch an warmen Tagen und zwingt sie in windgeschützte Ecken. Während des Sommers bringt er oft eine willkommene Abkühlung und im Herbst benimmt er sich häufig wie ein echter Franzose; d.h. er streikt gerne und viel...

 

An unserem ersten Tag war es etwas bedeckt und es kamen ein paar Windböen auf, allerdings bei 23°C. Annemarie & Beat rechneten mit dem Schlimmsten und sorgten sich bereits, ob sie überhaupt je den Strand geniessen könnten. Dieser Tag war aber nur ein winziger Unterbruch in einer sonst unglaublich windstillen und warmen Wetterperiode entlang des gesamten Mittelmeeres. Die Einheimischen sagten, dass es seit 20 Jahren nicht mehr so lange so schön war.

Für uns beide, welche vorher im Landesinneren waren, wo wir erlebten, wie sich die Ferienanlagen leerten, war es erstaunlich zu sehen, welche Menschenmassen der Strand hier noch anzog. Auch die Wohnungen in den FKK Siedlungen waren noch sehr gut belegt. Das Meer war noch so warm (etwa 23°-25°C), dass sich sogar Annemarie dazu überwand, regelmässig ins Wasser zu gehen. Beat, als echte Wasserratte, blieb regelmässig so lange im nassen Element, bis er schrumpelige Haut kriegte. Er beherrscht es, für lange Zeit auf dem Wasser zu treiben, als ob er auf einer Luftmatratze liegen würde. So wurde seine Haut noch brauner, genau wie bei uns allen. Nachdem er, als Gelegenheitsnaturist, sich aber dazu entschloss, auf Sonnencrème zu verzichten, färbte sich sein Hinterteil allerdings sehr schnell leuchtend rot.

 

Wir genossen regelmässige Spaziergänge entlang des 1,5km langen Strandes, während denen wir uns immer wieder im Meer abkühlten. Unser Shaker bot uns eine weitere Möglichkeit zur Abkühlung. Da es oft einfach zu schön war, um den Strand zu verlassen, bot sich Heinz öfters an, sein A… zu erheben und verwöhnte den Rest der Bande mit einem frisch zubereiteten Frucht-Smoothie, welches er in einer Eisbox die ~150 Meter von unserem Haus zum Strand brachte. Die vielen neidischen Blicke, die sich jeweils auf uns richteten, wenn er die grossen Gläser auspackte, halfen durchaus mit, das gesunde Getränk noch mehr zu geniessen.

 

Mit diesem wunderschönen Wetter waren unsere Freunde natürlich mehr als nur zufrieden. Die vielen Vorschläge, welche wir ihnen für Ausflüge machten, reizten sie kein bisschen mehr, als sich weiterhin in der Sonne zu aalen. Ausser einem kurzen Besuch von Perpignan sahen wir vor allem Fisch und Fleisch: entweder schwimmend und röstend am Strand, oder dann in einem Restaurant, appetitlich angerichtet und gekocht.

 

Annemarie und Beat bereuten es sicherlich nicht, dass sie sich uns ein zweites Mal für einen FKK Urlaub anschlossen. Wir wunderten uns allerdings über ihre Folgerung, gemäss derer sie meinten, dass nur „ältere Menschen“ FKK praktizieren. Als wir nach den Gründen für ihre Feststellung suchten, fiel uns auf, dass momentan junge Leute und Kinder wohl fehlten, weil kein Europäisches Land Ende September Schulferien hatte. Wären sie noch eine Woche länger geblieben, hätten unsere Freunde gesehen, dass es hier auf einmal viel weniger „oldies“, dafür Familien mit Kindern und Teenagern hatte, aber auch junge Paare. Wir mussten uns aber vor ihnen in Acht nehmen und unsere Zunge zügeln; viele sprachen nämlich Schweizerdeutsch.

 

Nachdem Annemarie und Beat abgereist waren, blieb uns nur noch eine Woche im Haus in Port Leucate. Bald hatten wir wieder ein paar windige Tage, aber bei 30°C waren diese gut zu ertragen. Nun profitierten wir noch von den Probierstuben der vielen Austernzüchtern, die sich direkt neben der FKK Zone angesiedelt haben.

 

Für uns war Port Leucate ein perfekter Abschluss unserer Tour durch verschiedene Französische Naturistengelände. Wir genossen es sehr, dass Oasis und Aphrodite sogar anfangs Oktober alles andere als tot waren. Als wir am 8. Oktober abreisten, war die Bäckerei zwar nur noch einen Tag offen, doch der kleine Casino Supermarkt hielt seine Türen noch zwei Wochen lang geöffnet. Natürlich wurde das Angebot noch etwas weiter reduziert. Es ist aber alles relativ; auch jetzt wurden noch zehnmal mehr verschiedene Artikel angeboten, als in den Läden der Ferienanlagen, in denen wir den Hochsommer verbracht hatten!


Schlussgedanken zu unserem Naturisten-Sommer

 

Der diesjährige aussergewöhnlich heisse Frühling, Spätsommer und Herbst war mehr als nur Kompensation für die unerwartet kühlen Hochsommerwochen. Dieses Jahr hatten sicherlich all diejenigen das Nachsehen, für die Sonnenbaden und Schwimmen ausserhalb der wenigen Hochsommerwochen aus Prinzip nicht in Frage kommt.

 

Es war eine gute Erfahrung, wieder einmal den ganzen Sommer in Französischen FKK Ferienanlagen zu verbringen. Dabei wurde uns auch bewusst, wie kurz die Touristen-Saison eigentlich ist. Obwohl FKK Gelände im Allgemeinen etwas länger auf Gäste zählen können, als herkömmliche (textile) Ferienanlagen, wachsen auch dort die Bäume nicht allzu lange in den Himmel. Nur die wenigen, welche sich nicht ausschliesslich auf Camping konzentrieren, sondern auch Mietunterkünfte anbieten, können für mehr als nur die paar Hochsommerwochen auf gute Belegung hoffen – aber nur, sofern sie konkurrenzfähige Preise anbieten!

 

Das Betreiben einer FKK Ferienanlage ist für die meisten Eigentümer sowieso eher ein „lifestyle-business“, als ein Profitzenter. Dafür werden sie mit Gästen belohnt, welche sich ganz anders, und nicht nur viel natürlicher verhalten, als diejenigen, die man in traditionellen Ferienanlagen trifft. Mehrmals fiel uns auf, dass auf gewöhnlichen Campingplätzen fünfmal weniger Leute locker zehnmal mehr Lärm produzieren, als diejenigen Gäste welche sich für FKK Gelände entschieden haben. Wir bereuen es auf jeden Fall nicht, dass wir unsere Badekleider entsorgten und viel Zeit „ganz ohne“ verbringen…


Fahrt durchs Zentralmassiv

 

Am 8. Oktober 2011 fuhren wir nordwärts los, um die Durchquerung des Französischen Mittelgebirges in Angriff zu nehmen. Beim vorgängigen Studium einiger Touristenbroschüren war uns der Salagou Stausee aufgefallen und jetzt sahen wir, wie nah wir daran vorbeikämen. Spontan verliessen wir die Autobahn, und machten einen kleinen Umweg um ihn zu sehen. Auf unserer Regionalen Strassenkarte entdeckte Brigitte ein kleines Strässchen, und schon bald „verklemmten“ wir uns im ersten Dorf. Während wir versuchten zu wenden, kam ein freundlicher Herr auf uns zu. Er schüttelte uns gleich die Hand und stellte uns nicht nur sich selbst, sondern auch noch die touristischen Höhepunkte der Region vor. Dann schlug er uns vor, das Auto einfach stehen zu lassen und ihm zu Fuss zu folgen. Es sei nur noch ein kurzer Weg bis er uns genau das zeigen könnte, was er glaube, sei was wir suchten. Langsam dämmerte uns, dass er wohl glaubte jemand anders vor sich zu haben. Es stellte sich heraus, dass er ein Immobilienmakler war, der sich hier mit potenziellen Kunden aus dem Ausland verabredet hatte – und da kamen WIR daher, zwar nicht im Rolls-Royce, sondern in einer Dacia…
Kein Problem, wir folgten jedenfalls seinen touristischen Ratschlägen und fuhren auf einer schmalen Schotterpiste entlang des Salagou Sees. Es war unglaublich schön: grünes Wasser eingebettet in ungewöhnlich rote Hügel. Diese Staubpiste war viel lohnenswerter, als die Rückfahrt auf der Hauptstrasse entlang des gegenüberliegenden Ufers.

 

Auf unserer Weiterfahrt nordwärts, sahen wir später den beeindruckenden Viadukt von Millau, welcher im Dezember 2004 eingeweiht worden war. Wir waren erfreut, dass das Besucherzentrum, für das kein Eintritt erhoben wird, auch am Samstag bis 19:00 Uhr geöffnet war. Der Film über den Bau der 2.4 km langen Brücke mit ihren 7 Betonpfeilern, war sehr lehrreich. Das Viadukt überspannt den Talboden auf einer beeindruckenden Höhe von 270 Metern und die höchsten Pfeiler schiessen bemerkenswerte 343 Meter in die Höhe. Obwohl dies eine wirklich schöne Brücke ist, entschieden wir uns für ein Bett in einem Hotel, und dieses stand nicht einmal unter dem “Viaduc de Millau”.

 

Am nächsten Morgen führte unsere Fahrt durch die wahrlich spektakuläre “Gorge de Tarn”. Obwohl das Wetter nicht perfekt war, stoppten wir unzählige Male um die Gegend so richtig in uns aufzunehmen. Die enge Strasse führte oft durch kleine Tunnels, welche aus dem nackten Fels gehauen waren. Viele winzige Siedlungen konnten nur mit simplen Seilbähnchen erreicht werden, welche sich über die Schlucht spannten, ausser man wollte schwimmen. Auf dem uralten Gestein sah man vielerorts die Spuren der Gletscher in Form von Felsenkesseln oder Steinsäulen. Viel älter als die kleinen Weiler mit ihren ganz aus Stein gebauten Häusern (nicht nur Wände, sondern auch Dächer), sind die Überbleibsel der  Troglodyt-Höhlenwohnungen hoch über dem Fluss.
Am Abend endeten wir in der Ortschaft „Les Vans“, welche sich ganz zufällig in der Nähe von „St. Paul le Jeune“ befindet, wo wir einen Gourmet-Tempel kennen, dem wir nicht widerstehen konnten.


Pässefahrt durch die Französischen Alpen

 

Am nächsten Morgen erreichten wir bald den Thermalkurort Vals und fuhren durch eine herbstlich gefärbte Landschaft weiter. Nachdem wir vulkanische Felsen unterhalb des hübschen Ortes "Antraigues sur Volaneinspektiert hatten, kamen wir über einsame Bergstrassen weiter durchs Zentralmassiv, bis ins Rhonetal. Auf der anderen Seite erklommen wir die nächsten Gebirgszüge und wurden mit einer tollen Aussicht über das Vercors-Gebirge belohnt. Nach der ersten Passhöhe mussten wir uns leider für 20 Kilometer durch eine dicke Nebelbank quälen. Für die nächste Übernachtung fuhren wir hinunter nach „La Chapelle en Vercors“, wo wir ein rustikales Hotel fanden. Seltsamerweise war dieses überschwemmt mit anderen Touristen aus der Schweiz. Es scheint so, als ob die Franzosen im Herbst nicht Urlaub machen und bereits auf der Anfahrt war uns aufgefallen, dass viele Hotels in den Ferienorten geschlossen hatten. Trotz seiner guten Belegung schloss auch „unser“ Hotel bereits am nächsten Tag seine Tore. Zum Glück wurde aber noch gut eingeheizt, denn die Aussentemperatur war inzwischen auf etwa 7°C gefallen. Kein Wunder; wir befanden uns hier auf fast 1‘000 Metern über Meer und waren umgeben von hohen Berggipfeln.

 

Als wir am nächsten Tag aus dem sich lichtenden Nebel herausfuhren, kamen wir bald durch einen kleinen Tunnel. Am anderen Ende wurden wir mit einer wahrhaft fantastischen Aussicht beglückt. Dies war nun die Passhöhe des „Col de Rousset“. Kurz hinter „Die“ kamen wir durch die sehr enge Felsschlucht „Gorge de Gats“. Dahinter eröffnete sich eine weite Ebene mit tollem Panorama auf die Berge bei Mens. Wir übernachteten im ruhigen Skiort „Le Bourg d’Oisans“. Obwohl wir früh dran waren, mussten wir recht lange Türklinken polieren, bis wir endlich eine Unterkunft fanden. Die gesamte Stadt schien (bis zum Winter) im Winterschlaf zu sein. Schlussendlich hatten wir Glück und kriegten als einzige Gäste einer riesigen Jugendherberge, ein neu möbliertes Studio.

 

Nachdem uns die Kellnerin des Frühstücks-Cafés dazu motivierte ins Wintersportort „Alpe d‘Huez“ hinaufzufahren, welches hoch über dem Tal thront, entschieden wir uns, dies zu tun. So faszinierend die Fahrt über die 21 Haarnadelkurven auch war, so tot war hingegen der Skiort. Wir können uns gar nicht vorstellen, wie es hier aussehen mag, wenn es in dieser Geisterstadt von 36‘000 begeisterten Winterurlaubern wimmelt.

 

Nachdem wir wieder zurück gefahren waren, kamen wir später auf dem Weg zur Passhöhe des „Col Glandon“ am bildhübschen Stausee „Grand Maison“ vorbei. Sein unglaublich türkis-grünes Wasser bot einen tollen Kontrast zu den gold-orangen Herbst-Bäumen, die an seinem Ufer standen. Auf dem Pass angekommen, begeisterte uns zuerst die tolle Aussicht, welche bis zum majestätischen Mont Blanc reichte, waren danach aber etwas enttäuscht, als wir das Schild sahen, auf dem es hiess: „Strasse wegen Bauarbeiten gesperrt“. Zum Glück mussten wir aber bloss ein paar hundert Meter zurückfahren, bis wir die Strasse zur Passhöhe des “Col de la Croix de Fer“ erreichten. Wir hatten diesen bereits vor 8 Monaten von der anderen Seite her bezwungen, doch er bot auch in diese Richtung ein genauso wunderbares Panorama. Wir kurvten von 2‘067 Metern Höhe hinunter ins Arvan Tal und dann wieder hinauf zum nächsten Pass, dem „Col de la Madeleine“. Entlang des ganzen Weges sahen wir immer wieder beeindruckende Schieferberge.

 

Als wir Chamonix, unseren letzten Übernachts-Stopp in Frankreich erreichten, war es schon recht spät. Dank ausländischer Touristen und auch der vielen Leute, die permanent hier wohnen, war es in dieser Stadt bei weitem nicht so ruhig wie in den anderen Skiorten, in denen wir die letzten Tage durchgekommen waren. An diesem Abend machten wir genau das, was wir schon vorher an unserem letzten Abend in Spanien, ebenfalls in einem Skiort, auch machten: wir verwöhnten uns in einem Japanischen Restaurant mit Sushi.

 

Am nächsten Morgen fuhren wir weiter in die Schweiz, wo wir uns ein paar Ferienwohnungen in den Bergen organisiert hatten – weit weg von Familie und Freunden. Darüber erfährst du dann mehr in unserem nächsten Reisebericht.

 


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