Reisetagebuch Kapitel 26
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Reisetagebuch Kapitel 26 [Januar 2015 - Mai 2015] als PDF
(Korsika + Italien: wir entdecken für uns bisher unbekannte Regionen)

Korsika Italien Top
Spanien, Nizza+Perpignan
Mehr über Korsika: Kapitel 13
Einleitung_und Anreise_nach_Korsika

Auch im Winter 2014/15 verleitete uns das Wetter in Vera Playa eher dazu, uns einfach „au natural“ in der Sonne zu aalen, statt an den Reiseplänen für den kommenden Sommer zu arbeiten. Trotzdem schaften wir es aber, einen Plan zu fassen, welcher unsere Wanderlust befriedigen sollte. Dieses Jahr möchten wir wieder intensiver Reisen, als während der vorangegangenen. Wir legen den Schwerpunkt auf Regionen, wo wir entweder noch nie, oder schon lange nicht mehr waren. Bis Ende Sommer wollen wir ein gutes duzend Länder besucht haben. Neben Korsika und Italien steht die östliche Hälfte Europas auf dem Programm.


Von Andalusien nach Nizza

 

Am 18. Februar 2015 verliessen wir unsere sonnige Attikawohnung im Natsun in Vera Playa. Korsika sollte unser nächstes grösseres Reiseziel werden und wir rechneten 10 Tage ein, um dort anzukommen. So hatten wir genügend Zeit, einige Sehenswürdigkeiten entlang unseres Weges durch Frankreich und Spanien zu besuchen. 

 

Nachdem wir die Mandelblüte in den Alpujarras bestaunten, tauchten wir für zwei Tage ins historische Grananda ein, welches uns mit seinem Charme in seinen Bann zog, genauso wie die beeindruckende Alhambra-Festung. Weiter nördlich bestaunten wir die malerischen Dörfer Alcalá la Real und Priego de Córdoba, bevor wir die nicht weniger beeindruckende „Sierra de Andújar“ durchquerten. Nachdem wir die 12 wunderschönen alten Windmühlen in Consuegra zum Sonnenuntergang genossen, fuhren wir tags drauf entlang des tiefblauen Stausees „Embalse de Buendia“ weiter.

Nach einer letzten Nacht in Spanien und einem edlen Japanischen Abendessen in Lleida, überquerten wir die Pyrenäen nach Frankreich. Dort verbrachten wir zwei Tage im angenehmen Städtchen Perpignan, wo wir etwas bummelten und abends natürlich schlemmten.
Da unsere Autofähre im hektischen und dicht bebauten Nizza ablegte, musste diese touristische Stadt unser nächster Übernachtungsstopp sein. Der Spaziergang entlang der sonnigen, mit edlen Strandlokalen gesäumten „Promenade des Anglais", machte unseren zweitägigen Aufenthalt jedoch absolut lohnenswert. Ebenso gefielen uns die charmante Altstadt und der Hafen, die ebenfalls von unzähligen (z.T. Gourmet-) Restaurants gesäumt waren.

Korsika
Italien Top
Fotos
Mehr über Korsika: Kapitel 13

Korsika: eine Schönheit mit Kratzern

Die Insel Korsika war uns schon oft empfohlen worden, und nun machten wir uns schlussendlich auf, diese für uns zu entdecken. Die vielfältige Insel mit 322'000 Einwohnern ist 8'680km2 gross und hat bis zu 2'706 m hohe Berge.

 

Korsika, welches sich in etwa zwischen Nizza und der italienischen Insel Sardinien befindet, war lange Zeit hart umkämpft. Nachdem es von den Griechen, Phöniziern (Urväter der Libyer) und Römern besetzt wurde, fiel es an die Italiener. Das heisst, die Herrscher von Rom, Pisa und Genua stritten sich nun darum. Nachdem sich die Korsen einseitig für unabhängig erklärten, übergaben die Genuesen die Insel 1769 dem französischen König Louis XV. Seither blieb Korsika französisch, abgesehen von einer nur dreijährigen Phase unter Englischer Flagge.
Im Jahr 1976 formierte sich eine militante Unabhängigkeitsbewegung, welche die Französische Zentralregierung an den Verhandlungstisch zwang. Schon bald wurde die Unabhängigkeitsbewegung immer radikaler. Schlussendlich spaltete sie sich in mehrere gewalttätige und bewaffnete Splittergruppen auf und schaufelte sich damit ihr eigenes Grab, da sie die Unterstützung der Bevölkerung verlor. Als die Korsen 2003 über eine noch weitergehende Autonomie abstimmen durften, bevorzugte die Mehrheit weiterhin von Frankreich "unterdrückt zu bleiben", als sich bewaffneten, selbsternannten Patrioten zu unterwerfen.

 

Travo: eine ideale Basis für unseren ersten Eindruck der vielfältigen Insel

 

Nach einer sehr ruhigen Überfahrt von Nizza, verliessen wir die grosse luxuriöse Autofähre Mega Smeralda am 27. Februar 2015 im korsischen Hafenstädtchen Bastia. Wir trafen gerade rechtzeitig zum Abendessen ein und übernachteten in einem netten Hotel, in einem Weiler nördlich der Stadt. Am "Cap Corse", dem nördlichsten Zipfel von Korsika,

erhielten wir den ersten Eindruck der Insel. Von der Temperatur her, war es etwa gleich "warm" wie in Andalusien (~15°C), aber viel grüner und fruchtbarer. Korsikas Hügel sind mehrheitlich mit immergrünen Bäumen und Büschen bewachsen und der Frühling war mit vielen blühenden Mimosen und Sauerklee schon deutlich im Anmarsch.

 

Da das Wetter jedoch nicht allzu einladend war, fuhren wir bald südwärts zu unserem ersten Ferienhaus, welches sich an der Ostküste, etwa 50km nördlich von Porto Vecchio, in Travo-Ventiseri befand. Das neue moderne Einfamilienhaus, das wir über ein Internet-Inserat direkt vom Eigentümer mieteten, entpuppte sich als eher luxuriös und lag in einem neuen Einfamilienhaus-Quartier mit vielen jungen Familien.

 

Das Wetter war bald wieder einladend und so machten wir uns auf, die Insel zu besichtigen. Viele Dörfer, Strände, Étangs, Berge, enge Schluchten, malerische Flusstäler und faszinierende Klippen warteten nur darauf, entdeckt zu werden. Korsikas einzige Ebene, und damit auch die einzige "Schnellstrasse" befinden sich an der Ostküste. Somit können Sehenswürdigkeiten schnell erreicht werden, das heisst mit Durchschnitts-Geschwindigkeiten von bis zu 45km/h. Dies gilt natürlich nur, wenn man auf der Hauptstrasse bleibt. Will man aber ins Gebirge, oder auf eine Halbinsel hinausfahren, gibt es so viele Haarnadelkurven und die Strassen werden so eng, dass man sogar mit 30km/h als draufgängerischer Fahrer gilt! Genauso wie es Trinker nicht nach Skandinavien zieht, ist Korsika für unbelehrbare Raser höchstens als Kuraufenthalt geeignet.

 

Beginnen wir bei der Beschreibung unserer Ausflüge mit den Klippen. Einzig an der Ostküste gibt es keine, ausser ganz im Süden. Die dramatischsten findet man beim touristischen Bonifacio, welches seinen Ruhm der spektakulären Lage auf einer Steilklippe verdankt. Im Ort selbst, fanden wir nicht allzuviel charmantes, obwohl er aus der Ferne aussergewöhnlich malerisch aussieht. Auch wenn er recht belebt war, sahen wir überraschend viele zerfallende Gebäude. Touristen-Geschäfte und Touristen-Lokale waren nun geschlossen, im Sommer hingegen, hat es mehr als genug davon und die überall ausgefahrenen Markisen hindern die Besucher daran, den schlechten Zustand der Gebäude darüber zu erkennen.

Parkplätze waren auch im Winter gut belegt, doch parkte man jetzt meist gratis. Im Sommer hingegen, kann man sich mit Geld nur dann einen Parkplatz kaufen, wenn man auch einen findet. Wir fragen uns, wie voll es in der Hochsaison hier sein muss. Genauso wie Bonifacio, erlebten wir auch Porto Vecchio, Corte und andere Städtchen.

 

Wer zu den kleinen, an Hängen klebenden Weilern hochfährt, wird oft mit spektakulären Aussichten zu Schneebergen, und/oder hinunter zum Meer und zu vorgelagerten Etangs (Salzwasserlagunen) belohnt.

Auch hier sehen die Siedlungen aus der Ferne wiederum hübsch aneinandergeschmiegt aus. Wenn man aber in den engen Gässchen herumwandert, erkennt man viele verlassene und zerfallene Häuser, welche von den Menschen zurückgelassen worden sind, die aus den entlegenen Dörfern abwanderten.

 

In Korsika findet man auch viel unberührte Natur, vor allem im Landesinnern. Wer denkt, dass es ausser Beach, Sun und Fun nichts gibt, liegt falsch! Es hat auch Schluchten, Seen, hohe Berge und sogar Skilifte.
In der Nähe von Corte hat uns vor allem das Restonica Tal, mit seinen glasklaren grünen Wasserläufen im Fels beeindruckt. Das Tal ist umgeben von hohen Bergen, von denen die höchsten momentan schneebedeckt waren. Auf dem Weg zurück an die Küste überquerten wir den Sorba Pass (1'311m.ü.M.), dessen Strasse erst vor ein paar Tagen noch massiv vom Schnee gepflügt werden musste.

Bevor wir wieder die Tiefebene erreichten, kamen wir durch zwei spektakuläre enge Schluchten, die vom Fluss Fiumorbo ausgewaschen wurden: "Défilé de l'Inzecca" und "Défilé des Strette". Obwohl sie nur wenige Kilometer auseinander liegen, haben sie wegen ihrer unterschiedlichen Gesteinsschichten kaum Ähnlichkeiten.

 

Land unter

 

Dem Winter zum Trotz, wollten wir auch das Meer und die Strände sehen, und so klapperten wir diejenigen um Porto Vecchio ab. Bei ruhiger See hat das Wasser eine wunderschöne türkisblaue Farbe. Irgendwie sieht die Küste dann aus, wie in Asien. Wenn man die vielen geschlossenen Touristengeschäfte sieht, kann man sich leicht vorstellen, wie belebt diese Strände im Hochsommer sein müssen. Bei 15°C waren wir nicht daran interessiert zu wissen, wie gut man im seichten Wasser dieser weissen Sandstrände schwimmen kann, sondern eher daran, wie abwechslungsreich die Küsten-landschaft aussieht. Es erfreute uns, so viele, von Nadelbäumen und Felsen gesäumte Sandbuchten, mit vorgelagerten Inselchen zu finden. Häufig erblickten wir malerische Salzwasserlagunen (étangs), Leuchttürme und Landzungen.

 

Während der meisten Zeit hatten wir angenehm warmes und sonniges Wetter. Dazwischen gab es allerdings zwei heftige Stürme. Die See wurde so rau, dass sogar die grossen Fährboote stundenlang nicht in den Hafen einlaufen konnten. Hunderte, wenn nicht sogar tausende von Bäumen wurden entwurzelt und bei einigen kleineren Gebäuden wurde das Dach vom Wind weggetragen. In gewissen Gegenden waren die Niederschläge so stark, dass die Flüsse über die Ufer traten, was leider auch Menschenleben forderte. Die Berichterstattung der Medien erweckte den Eindruck, dass "Land unter" für ganz Korsika gilt!
Einige unserer Freunde machten sich bereits Sorgen um uns. Wir konnten ihnen aber versichern, dass wir mit ein paar Stromausfällen glimpflich davongekommen sind. In einem modernen hochtechnisierten Haus, verursacht ein Stromausfall allerdings mehr Unannehmlichkeiten, als in einer rustikalen Hütte. Sogar um 11 Uhr morgens sassen wir noch immer im dunkeln, weil sich die elektrischen Rollläden nicht öffnen liessen. Wir konnten nicht einmal ins nächste Dorf fahren um herauszufinden, ob die Bäckerei frisches Brot backen konnte, da auch unser Einfahrtstor auf Strom angewiesen war.

 

Sobald die Sonne aber wieder lachte, zogen wir erneut hinaus in die Natur. Nachdem wir uns in verschiedenen Dörfern, an Stränden und in Schluchten umgesehen hatten, zog es uns wieder in die Berge. Eine der schönsten Attraktionen in der Nähe unseres Ferienhauses, war der Bavella Pass. Bereits die Fahrt auf die Passhöhe ist ein Erlebnis, da man immer wieder auf das umliegende, schroffe Gebirge in ungewöhnlichen Grün- und Rottönen sieht. Da Brigitte unbedingt das berühmte Felsloch sehen wollte, hatte sie die Wanderung herausgesucht, die uns zum "Tafonu di u Cumpuleddu" führen sollte, welches bei Nicht-Korsen eher als " trou de la bombe" bekannt ist.

 

Obwohl sich der Besuch dieser Laune der Natur absolut gelohnt hat, war der Weg dorthin mit ein paar unerwarteten Hindernissen gepflastert. Als Erstes stellten wir fest, dass die Wanderwegwegweiser für die Wintermonate demontiert worden waren. Nachdem der Weg zu Beginn schön breit war, mussten wir bald ein paar Schneefelder überqueren, auf denen wir natürlich tief einsanken. Wo der Schnee schon geschmolzen war, wussten wir dafür nicht, ob wir noch auf dem Weg waren, oder doch eher auf einem Kneipp-Pfad im Bachbett. Am Anfang unserer Wanderung bewunderten wir noch das schöne Totholz. Schon kurze Zeit später, wurde aber das gute Dutzend Bäume, die vom letzten Sturm entwurzelt worden waren und nun unseren Weg versperrten, langsam zu einer Herausforderung. Das "trou" war dann wirklich bombig; hat aber mit einer Bombe überhaupt nichts zu tun. Es ist ein, von den Naturgewalten geschaffenes, fragiles Felsentor von etwa 8 Metern Durchmesser.

 

Pietrosella und die Westküste

 

Nach drei Wochen in Travo wechselten wir am 21. März von Korsikas Ost- an die Westküste. Bereits vor unserer Ankunft auf der Insel war uns bewusst, dass sie zu gross ist, um nur von einem einzigen Ort aus entdeckt zu werden. Auch wenn Korsika nicht riesig ist, die kurvenreichen engen Strassen sind zeitraubend; oder wie es die Einheimischen ausdrücken: "Hier sprechen wir nicht über Distanzen, wir reden über die Zeit die es braucht, um einen Ort zu erreichen".

 

Unser zweites Korsisches Ferienhaus lag in Pietrosella, einem Weiler auf 500 Metern über Meer, etwa 20 Autominuten vom Golf von Ajaccio entfernt. Es handelte sich um ein altes Steinhaus, welches komplett renoviert und dem neusten Standard entsprechend, grosszügig ausgestattet war. Hier hatten wir zum ersten Mal Vermieter, die unsere Grundbedürfnisse wirklich kannten. Sie stellten uns nicht nur Kaffee und Tee, sondern auch 12 (ein ganzes Dutzend) verschiedene Sorten hausgemachter Marmeladen zur Verfügung!

 

Unser erster Ausflug brachte uns nach Ajaccio. Mit 64'000 Einwohnern ist dies die grösste Stadt Korsikas. Wir erhielten den Eindruck, dass es sich um eine eher neuere, aufgeräumte Stadt handelt, d.h., wir sahen vor allem Wohnblocks. Der Ort ist aber trotzdem geschichtsträchtig, da Napoleon Bonaparte hier geboren wurde. Sein Name zieht auch heute noch jeden Sommer Besuchermassen nach Ajaccio und wir fragen uns, wo sie alle parken sollen, wenn man sieht, dass die Parkplätze schon jetzt im März, auch ohne Touristen, knapp sind.

 

An anderen Tagen besichtigten wir abwechslungsweise Küstenregionen und Gebirge im Landesinnern. Wo immer wir auch hingingen, die Aussicht war immer wieder unglaublich schön (wie unsere Bilder beweisen) und die Strasse unglaublich langsam!

Wenn wir der Küste folgten, fuhren wir die meiste Zeit durch dichtes Gehölz, sahen aber immer wieder Buchten mit tiefblauem Wasser. Wenn wir ins Gebirge fuhren, fuhren wir die meiste Zeit durch dichtes Gehölz, sahen aber immer wieder kleine Dörfer oder Bergketten. An der Westküste wechseln sich zerklüftete Felsen und Sandstrände ab. Es machte keinen Unterschied, ob wir die Küste oder das Gebirge erkundeten. Die meiste Zeit fuhren wir auf engen kurvenreichen Strassen auf und ab, von einer Passhöhe zur nächsten, auch wenn die meisten Pässe nicht sehr hoch sind.

Die aussergewöhnliche Schönheit des Col de St Eustache liess uns gleich zweimal auf dessen Passhöhe fahren. Dort oben ist die Aussicht nicht von dichtem Wald begrenzt, da sich die Natur erst gerade von einem schweren Waldbrand erholt, der im Jahr 2009 ein grosses Gebiet verwüstete.

 

Korsikas Vegetation wird dominiert von immergrüner Macchie, einer Vielzahl robuster, hitzeresistenter Buscharten, welche gerade jetzt zu blühen begannen. Wenn man eine Weide, einen grünen Hügel, oder ein Tal sieht, das nicht mit Buschland überwachsen ist, ist dies eine grosse Ausnahme, vor allem im Westen Korsikas. Häufig sahen wir verwilderte Schweine, Kühe, Schafe oder Ziegen auf den Strassen. Man erzählte uns, dass diese Tiere von Bauern, die die Insel verliessen, zurückgelassen wurden.

 

Korsische Eigenheiten

 

Wir hatten den Eindruck, dass sich die Korsen deutlich von den Franzosen des Festlands unterscheiden. Viele Dinge, die wir hier sahen, erinnerten uns eher an Südeuropäische Länder wie Spanien oder Italien, wo es die Menschen vorziehen, sich in dicht besiedelten Gebieten niederzulassen, aber kaum jemand abgeschieden wohnen möchte.

Die Korsen haben ihre eigene Sprache. Korsisch hat mehr Ähnlichkeit zum Italienischen, als zum Französischen, obwohl wir letzteres deutlich öfters hörten. Heutzutage sprechen 100'000 Korsen, aber 250'000 Sarden die Korsische Sprache. Auch die Essgewohnheiten unterscheiden sich vom Festland. Wir konnten kaum glauben, wie begeistert die Korsen von Lokalen sind, die grosse Fleischberge, begleitet von ebensolchen Mengen Pommes Frites, servieren. Genauso wie die Französische Küche für Kreativität bekannt ist, rühmt sich die Korsische Küche für ihre unverfälschte Schlichtheit…

 

Die Korsen sind ein stolzes Volk das auch schon nach mehr Unabhängigkeit strebte. Kurz vor der Jahrtausendwende haben es militante Gruppen von Unabhängigkeits-Kämpfern aber so stark übertrieben, dass es den Einheimischen zu viel wurde. Heute scheinen die meisten Korsen mit der beschränkten Teil-Autonomie unter Französischer Verwaltung zufrieden zu sein.

 

Es scheint aber so, als seien die Korsen von Natur aus Kämpfer. Es ist nicht ungewöhnlich, sowohl Kinder als auch Erwachsene in militärischen Tarnanzügen zu sehen und sie mögen es wohl, ihre Kampffähigkeit zu trainieren. Leere Schrotpatronen sieht man nicht nur auf jedem Wanderweg, im Gebüsch, sondern auch entlang jeder Strasse. Die korsisch-französischen Wegweiser sind öfters als nicht durch Schlusslöcher und mit schwarzer Farbe vandaliert worden!

 

Häufig hörten wir, dass sich Touristen von Korsen nicht so freundlich behandelt fühlten. Während unseres Aufenthaltes im März und April machten wir hingegen keine schlechten Erfahrungen. Wir hatten aber den Eindruck, dass die Einheimischen nicht möchten, dass ihre grossartige Natur dem Besucher allzu grossartig erscheint. Seit Generationen ist es hier Brauch, Autowracks, Sperrgut, Aluminiumdosen, Plastikflaschen, Zigarettenschachteln und weiteren Abfall gleichmässig entlang des ausgedehnten Strassennetzes der Insel zu entsorgen. Das meiste davon ist einfach unschön anzusehen und schadet vielleicht "nur" den Tieren, Glasscherben hingegen, sind eine echte Gefahr für die Natur und den Menschen! In den trockenen Sommermonaten können die Sonnenstrahlen auf dem Glas verheerende Waldbrände verursachen, von denen Korsika oft heimgesucht wird.

 

Die Insel hat auch einen einzigartigen Totenkult. Diejenigen Familien, die es sich leisten können, legen ihre Ahnen oft in einem Familien-Tempel oder Familien-Mausoleum zur letzten Ruhe. Dieses muss sich nicht unbedingt auf dem Friedhof befinden, es kann auch auf einem kleinen privaten Grundstück am Dorfrand stehen, oder sogar im Garten eines Familienmitgliedes. Somit können hier unangenehme Schwiegereltern zusammen mit dem Familiengrundstück verkauft werden, wenn auch erst nach deren Tod.

 

Die bizarre Nordwestküste

 

Nachdem wir von Pietrosella am 11. April 2015 wieder aufbrachen, folgten wir für ein paar Tage der Westküste bis zum Cap Corse. Die zerklüftete Küste zwischen Piana und Porto-Ota gefiel uns besonders gut. Es hat sich wirklich gelohnt, diese nicht nur in einem Tagesausflug von unserem letzten Ferienhaus aus zu erkunden. So übernachteten wir in Porto, kurz nach dem besonders malerischen Abschnitt, genannt "Calanche de Piana", den wir somit am nächsten Morgen, gleich nochmals erkunden konnten. Er ist gesäumt von einzigartigen, von Wind und Wetter erodierten Felsformationen aus rotem Granit. Man kann kleine, oder grosse "Figuren" ausmachen, wie z.B. einen Hundekopf, oder ein Liebespaar mit einem Herz dazwischen.

 

Da es inzwischen eine Woche nach Ostern war, mussten wir die engen Strässchen nun mit anderen Touristen teilen, ein krasser Gegensatz zu den einsamen Bergstrassen, an welche wir uns während der letzten sechs Wochen gewöhnt hatten.

Während wir in sonnigem Wetter weiter nordwärts fuhren, hatten wir fast ununterbrochen freie Sicht, hinunter zur tief-blauen Küste mit noch mehr bizarren Felsformationen in allen Formen und Farben. Je näher wir dem Städtchen Calvi kamen, desto spektakulärer wurde die Landschaft.

 

Die Küste zwischen Calvi and L'île Rousse ist gesäumt von Stränden mit tiefblauem, manchmal türkisfarbenem Wasser und wird als die "Côte d'Azur" Korsikas bezeichnet. Daraus entstand eine florierende Touristen-Industrie, die jeden Sommer von neuem Aufersteht. Vor allem Calvi, mit seiner Festung und seinem Hafen, ist bildhübsch anzusehen. Die wunderschöne Küste zwischen Calvi und Ile Rousse verleitete uns zu so vielen Stopps, dass wir an beiden Orten übernachteten, obwohl sie bloss 25 km auseinander liegen. Da immer noch Nebensaison war, fanden wir immer noch günstige, aber schöne Hotelzimmer. Ab und zu mussten wir jedoch eine Weile suchen, da 80% der Unterkünfte ihre Saison erst irgend einmal zwischen Ende April und Ende Mai eröffnen.

 

Noch mehr spektakuläre Felsküsten und sandige Strände, genauso wie weitere gebirgige Passstrassen, konnten wir auf dem Weg nach  Saint Florent, einem weiteren beliebten Sommerferienort, bestaunen. Der Hafen war alles andere als leer, die Jet-Setter waren aber um diese Jahreszeit noch nicht hier angekommen.

 

Auf dem Weg nordwärts zum Cap Corse sahen wir vor allem steile, bewaldete Berghänge und dazwischen immer wieder kleine Siedlungen. Diese sahen aus der Ferne, wie so oft in Korsika, malerisch aus. Auch das tiefblaue Meer blieb natürlich unser ständiger Begleiter. Die Natur präsentierte sich nun in voller Blüte, überall sprossen Frühlingsblumen und Sträucher. Die einzige, ehemals blühende Industrie, die uns auffiel, war eine alte Asbest-Mine, die vor 50 Jahren stillgelegt, aber nicht abgebaut wurde. Früher haben hier aber wohl noch andere Industriezweige eine Blütezeit erlebt, denn es gibt in ganz Korsika nirgends grössere und pompösere private Grabstätten, als an der Westküste des Cap Corse. Man sagte uns, dass viele dieser Mausoleum- und Kapellen-ähnlichen Gräber teurer sind, als so manches Haus eines Normalbürgers! Man sieht jeweils nur die Eingangshalle, die eigentliche Grabkammer liegt darunter. Die meisten Privatgräber werden regelmässig unterhalten und es werden auch heute ab und zu noch neue gebaut.

 

Zum Abschluss unserer Korsika-Reise gingen wir nochmals zurück zu "La Corniche", einem netten Hotel in einem Weiler hoch über Bastia. Hier hatten wir bereits unsere erste Nacht auf der Insel verbracht und es war hier auch ideal für unsere letzten zwei Nächte. Wir genossen es, noch einen Tag lang einfach die Gedanken über unseren Aufenthalt auf der kleinen Insel, die doch so viel Zeit in Anspruch nimmt um richtig entdeckt zu werden, Revue passieren zu lassen.

 

Schlussgedanken zu unserem Aufenthalt in Korsika

 

Insgesamt verbrachten wir sieben Wochen auf Korsika und legten dabei gut 4000 km zurück. Wer unsere Bilder sieht, wird darin übereinstimmen, dass wir eine extrem schöne Insel besucht haben. Obwohl wir Korsika sehr gut mochten und glücklich sind, diese vielseitige Insel besucht zu haben, können wir sie nicht nur loben. Vielleicht waren unsere Erwartungen einfach etwas zu hoch, da wir im Vorfeld so viele überschwängliche Kommentare darüber gehört hatten. Sicher findet man in Korsikas Landesinnerem viel unberührte Natur, von sanften Hügeln zu engen Schluchten und zerklüftetem Gebirge. Es stimmt auch, dass die Insel mit ihrer atemberaubenden Küste oft von tiefblauem Wasser umgeben ist.

 

Es ist aber auch wahr, dass die ~320'000 Seelen-Insel jeden Sommer von rund drei Millionen Ferienhungrigen überrannt wird (50% davon im Juli & August), fast 10 Touristen pro Einwohner! Wenn man dies weiss, ist es kaum verwunderlich, dass nicht alle Einheimischen über die Schaar der Urlauber erfreut sind. Bereits während des Winters (wenn die Touristenzahlen vernachlässigbar sind), sind die Parkplätze voll und  in jeder nur etwas grösseren Ortschaft sind die Strassen zu den Stosszeiten verstopft. Einheimische erzählten uns, dass während der Sommermonate auf allen Küstenstrassen von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang mit Staus gerechnet werden muss!

 

Es ist auch wahr, dass die meisten Dörfer aus der Ferne recht malerisch aussehen. Sie sind aber eher unattraktiv, wenn man sich die Fassaden genauer ansieht. Man sollte aber auch sonst besser nicht überall so genau hinsehen, ansonsten sieht man entlang der Strassen, vor allem im Winter, auch viel Korsisch entsorgten Müll. Liebhaber der Französischen Küche sollten nicht Gleiches auf der Insel erwarten. Korsische Gerichte sind nämlich berühmt für Bodenständigkeit und nicht für Raffinesse.

 

Obwohl wir während der kalten Jahreszeit da waren, sahen wir uns bei mehreren FKK Ferienanlagen um. Wir fragten nicht nach Campingmöglichkeiten, sondern sahen uns nur Unterkünfte an: sie waren immer ziemlich simpel, und vor allem in der Nebensaison, um einiges teurer, als diejenigen die wir auf dem Festland Frankreichs kennen. Zugegebenermassen, findet man auf Korsika oft Ferienunterkünfte an fantastischen Lagen direkt am Strand. Leider zahlt man aber oft eher für die Lage, als für den Standard der Bungalows. Wenn es vor allem ums Baden geht, finden Wasserratten und Sonnenanbeter wohl anderswo ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis. Wenn die Nähe zum tiefblauen Meer hingegen wirklich das Wichtigste ist, ist man auf Korsika aber goldrichtig!

 

Da wir die Küsten und Landschaften der Insel erkunden wollten, war unser Ziel vollumfänglich erreicht. Wir sind glücklich, dass wir hier waren, und vor allem, dass wir uns für den Jahresanfang entschieden hatten. Während der Nebensaison, vorzugsweise zwischen Mitte Oktober und Ende April, können wir allen Naturliebhabern, welche die wunderschönen natürlichen Schätze der Insel entdecken möchten, einen Besuch Korsikas wärmstens empfehlen. 

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Italien: unerwartet charmant

Trotz seiner Nähe zur Schweiz, blieb Italien bisher ein weisses Blatt auf unserer Reisekarte. Irgendwie schien uns dieses Land einfach nicht anzuziehen. Dies soll sich nun aber ändern, und wir wollen damit beginnen, diesen 301'338 km2 grossen Stiefel mit ~61 Mio. Einwohnern zu erkunden.

 

Toskana: wo Bilder der Realität kaum gerecht werden können

 

Am 16. April 2015 verliessen wir, nach einer ruhigen Überfahrt von Korsika her kommend, die grosse Autofähre in der Italienischen Hafenstadt Livorno. Wir hatten ein Hotelzimmer im nahegelegenen Pisa gebucht, wo unser Italien-Abenteuer beginnen sollte. Pisa gilt ja fast als Synonym für seinen schiefen Turm, aber es überraschte uns dennoch, wie schief er wirklich steht. Obwohl wir es immer wieder versuchten, wir schaffen es beim besten Willen nicht, seine wahre Neigung mit der Kamera richtig aufzuzeigen. Weitwinkelobjektive tendieren dazu, die Perspektiven zu verziehen und so wird der, schon während seiner Bauzeit (1173-1372), absackende Glockenturm schnurgerade abgebildet - hingegen scheinen die danebenliegenden Gebäude schief zu stehen… Das gescheiterte Bauwerk, das die Italiener "torre pendente" nennen, steht auf der "Piazza dei Miracoli", gleich neben einer nicht minder beeindruckenden Kathedrale und einer Babtei. Obwohl diese drei Baudenkmäler die grossen Touristenmagnete sind, ist auch die Altstadt von Pisa einen Besuch wert. Grosse, bunte Stadthäuser säumen sowohl die Ufer des Flusses Arno, als auch die Strassen und Gassen im Zentrum.

Als Studentenstadt bietet Pisa eine gute Auswahl an preiswerten, aber hervorragenden Lokalen und so erhielten wir eine perfekte Einführung in die kulinarischen Höhepunkte Italiens.

 

Das nahegelegene Lucca ist eine weitere attraktive Stadt und wir besuchten sie als Tagesausflug von Pisa. Eine vier Kilometer lange Stadtmauer umgibt Luccas malerisches, schön restauriertes mittelalterliches Zentrum, mit seinen vielen Kirchen. Es handelt sich nicht um eine herkömmliche Stadtmauer, sondern um einen 12m hohen Wall, mit breiten Fusswegen, welche gerne für Sonntagsspaziergänge und zum Radfahren benutzt wurden. Vor allem die mietbaren, vier-rädrigen Familienfahrräder waren sehr beliebt.

 

Als wir südwärts durch die liebliche Landschaft der Toskana fuhren, kamen wir immer wieder an schön restaurierten Dörfern vorbei. Oft liegen sie auf einer Hügelkuppe, wie z.B. Volterra. Dieses kleine, mittelalterliche Städtchen ist, dank seiner engen Gassen und verschachtelten Häusern mit alten, runden Tonziegeln, besonders charmant. Sozusagen in seinem Hinterhof, gibt es ein Römisches Amphitheater, welches im Mittelalter als Müllhalde herhalten musste. In den 50-er Jahren hat man es aber wieder ausgegraben und sowohl Archäologen, als auch Touristen zugänglich gemacht.

 

San Gimignano, das auf dem nächsten Hügel liegt, hat einen ganz speziellen Charakter. Der Ort wird wegen seiner vielen hohen Türme, oft auch als das "mittelalterliche Manhattan Italiens" bezeichnet. Diese wurden von angesehenen und einflussreichen Familien als Zeichen ihrer Macht gebaut, lange bevor Ferraris und Konsorte zu Statussymbolen wurden. Wenn eine noble Familie ihr Ansehen verlor, musste auch ihr Turm dran glauben. Zur Blütezeit hatte San Gimignano 72 dieser bis 54 Meter hohen Türme. Nachdem 1348 die Pest ausbrach, wendete sich das Blatt.
Auch wenn heute nur noch 15 Türme stehen, reichen diese längstens als Touristenmagnet. Der Ort ist einer von vielen in der Toskana, in dem das Zentrum grösstenteils Fussgängern vorbehalten ist. Sogar wer innerhalb der Stadtmauern wohnt, erhält für seine Privatfahrzeuge nur sehr limitierten Zugang. Grossangelegte Parkplätze am Stadtrand schlucken die unzähligen Reisebusse und die Autos der Besucher. In starkem Gegensatz zu den sehr Fussgängerfreundlichen Stadt- und Dorfzentren, sind Gehsteige, nur einen Schritt vom Zentrum entfernt, praktisch inexistent. Vermutlich um sicherzustellen, dass alle Besucher in der Nähe der Touristengeschäfte bleiben.

 

Obwohl Italienisches Eis kein geeignetes Souvenir ist, stürmen sowohl Einheimische, als auch Touristen die unzähligen "Gelaterias" oft mehrmals täglich. Bei fast allen ist die Qualität hervorragend. Der Meister, der "Gelateria Dondoli" in San Gimignano, wurde schon zweimal zum "Gelato Weltmeister" gekürt. Deshalb ist seine Eisdiele noch beliebter als andere und man muss entsprechend lange anstehen. Aber auch eine kleine Kolonne heisst nicht unbedingt, dass man sofort bedient wird. Wenn vier Schulkinder und eine Lehrperson anstehen, kann es vorkommen, dass vor der Eisdiele eine Nonne geschickt dafür sorgt, dass die Kinderschar den Laden paarweise betritt, bis die ganze Bande von 100 Schleckmäulern bedient wurde.

 

Geothermal-Energie: dampfende Kraft

 

Als nächster Punkt stand das Geothermalgebiet Biancane in Monterotondo Marittimo auf unserem Programm. Die Touristeninformation, eigentlich bloss ein Ständer in einer Kaffeebar, stellt eine nützliche Karte zur Verfügung, auf welcher die schön präparierten Fuss- und Wanderwege im Geothermalgebiet eingezeichnet sind. Wie so oft in Italien, wurde auch hier kein Eintritt verlangt, obwohl dieses aussergewöhnliche Gebiet für den Tourismus erschlossen worden ist. Zu unserer Überraschung, hatte es kaum andere Besucher und dies, obgleich es sich wirklich lohnt, diese dampfende Landschaft zu besuchen. Überall sieht man fauchende Fumarolen, die Gase, Wasserdampf und Schwefel ausstossen, was zu bunten Sediments-Ablagerungen auf Schlamm und Fels führt.

Der Geothermalpark war nicht allzu gross, aber in der Umgebung sahen wir mehrere grosse Kraftwerke, welche die Erdwärme in Elektrizität umwandeln. Tatsächlich ist Italien die Nation mit dem fünftgrössten Geothermal-Energiemarkt, nach den USA, den Philippinen, Indonesien und Mexiko. Italien gewinnt 7,5% der weltweit genutzten Erdwärme (~ 901 MW Stromerzeugung) und liegt damit noch vor Neuseeland, Island und Japan.  

 

Wir übernachteten in Massa Marittima. Die Aussicht von der verzierten Stadtmauer reichte über die Dächer unterhalb des Doms, über grüne Hügel bis hin zum Meer, wo sich die Sonne langsam dem Horizont näherte. Am nächsten Tag fuhren wir über sanfte Hügel weiter und kamen in den für uns schönsten Teil, der typischen Toskana Landschaft. Entlang unseres Weges, besuchten wir immer wieder malerische Dörfer, wie Roccastrada, Montalcino und San Quirico d'Orcia, die alle auf einer Hügelkuppe thronen.

 

Für die nächsten vier Tage basierten wir uns in Pienza. Dieses Dorf ist zu einem beliebten Ausflugsziel geworden, seitdem es wegen des harmonischen Layouts seines Dorfzentrums als Weltkulturerbe gelistet ist. Nun gut, Pienza ist, wie so manches Dorf in der Toskana, wirklich sehr hübsch und landschaftlich wunderschön gelegen - wir sahen aber in der Zentrumsgestaltung überhaupt keinen Unterschied zu anderen Ortschaften! Am meisten Harmonie war wohl unter den Besitzern der Geschäfte auszumachen, wenn sie jeweils am Abend die Einnahmen zählen, die ihnen die vielen Bustouristen aus aller Welt bescheren, die hier nach der, von der UNESCO versprochenen, Harmonie suchen. Abends kehrte im Dorf aber wieder Ruhe ein und wir stellten erfreut fest, dass viele Restaurants auf recht hohem Niveau kochen.

 

Friss dich schlank

 

Obwohl wir schon viel davon gehört hatten, war das Italienische Essen für uns doch eine echte Überraschung. Beginnen wir mit dem Frühstück: Colazione. Zur Abwechslung begannen wir hier, Bars zu lieben. Hier in Italien ist eine Bar ein Ort der vornehmlich Kaffee, Tee, dolci (Süsses), Croissants, köstlich warme und knusprige Sandwichs und natürlich Pizza-Schnitten serviert. Da die Einheimischen ein vollwertiges Mittagessen vorziehen, brauchen sie kein schweres Brot zum Frühstück - tausend kleine Luftballons tun's auch. Ein italienisches Frühstück besteht bloss aus einem Espresso mit einem Croissant, und diese sind oft mit Marmelade, Schokolade, oder Vanillecrème gefüllt.

Das Mittag- und das Abendessen ist normalerweise eine zeitaufwendige Angelegenheit, welche in unzähligen Gängen serviert wird. Je weiter südlich man geht, desto länger dauert es. Mamma mia, wir konnten kaum glauben, wie viel die Italiener essen und schon gar nicht, wie schlank sie sind, dem vielen Essen zum Trotz! Der Trick, der zu funktionieren scheint, setzt sich zusammen aus langsamem essen, ein Gang nach dem andern, dem separieren von Kohlenhydrat und Fleisch (Trennkost) und zudem wird alles aus frischen Zutaten frisch zubereitet. Ein traditionelles Italienisches Festessen beginnt mit zwei bis vier Antipasti, wie z.B. Bruschetta, Charcuterie oder gefüllten Tomaten, gefolgt von zwei bis acht Pastas, gefolgt von einer grosszügigen Portion Fleisch und/oder Fisch mit oder ohne Beilagen, etwas Käse und natürlich einer Nachspeise. Mineralwasser, mit oder ohne Kohlensäure und abschliessend ein Kaffee scheinen obligatorisch zu sein, alle anderen Getränke sind fakultativ.

Je nach Stimmung, kann man sich entweder für ein Lokal mit einer einfachen, oder raffinierten Küche entscheiden. Alles in allem wurde unser Gaumen sehr verwöhnt und obwohl auch wir viel assen (wenn auch lange nicht so viel wie die Einheimischen), sind wir dabei nicht schwerer geworden.

 

In Pienza hätten wir ohne weiteres eine ganze Woche verbringen können, nur um durch die umliegenden Hügel zu wandern, die momentan im ersten saftigen Grün des Frühlings leuchteten. In jede Richtung sah man Bauernhöfe, die mit zypressengesäumten Zufahrtswegen erschlossen sind. Wir machten aber trotzdem einen Tagesausflug nach Montepulciano, Bolsena am Lago di Bolsena und nach Orvieto, welches auf einem Hügel thront. Dort bestaunten wir die schöne, mittelalterliche Altstadt und die grosse Kathedrale.

 

Am 26. April 2015 fuhren wir weiter nordwärts. Die "Strada Provinciale del Pecorile 438" war eine gut ausgebaute Strasse und führte über besonders malerische Hügelkuppen. Genauso wie auf vielen anderen Italienischen Hauptstrassen, haben die Behörden auch hier fast über die gesamten 60km ein Tempolimit von 30 km/h verfügt. Damit will man wahrscheinlich erreichen, dass Besucher die Landschaft entlang dieser einsamen Landstrasse besser geniessen können. So erhalten Touristen mit viel Zeit die Möglichkeit, die Nerven der Einheimischen zu testen, und dies vollkommen legal. Während in den meisten Ländern eine einfache, oder gar doppelte Sicherheitslinie als unsichtbare Wand gilt, werden diese in Italien als unsichtbare Markierung betrachtet. Geschwindigkeitsbeschränkungen dienen höchstens dazu, im Falle eines Unfalls den Schuldigen bestimmen zu können.

 

Siena war unser nächster Höhepunkt. Die lebhafte Stadt mit 50'000 Einwohnern begeistert mit ihrem grossen ovalen Hauptplatz, dem "Piazza del Campo". Neben vielen anderen eindrücklichen Gebäuden, sind der Turm des Rathauses und der gestreifte Turm, der aus schwarz und weissem Marmor gebauten Kathedrale, die Wahrzeichen Sienas.

 

Im Grossen und Ganzen sind die Italiener ziemlich konservativ, beziehungsweise religiös; es gibt sogar eine "Banca Cattolica". Heutzutage nutzt aber die florierende Tourismusindustrie die Gräueltaten der Inquisition als eine gute Einnahmequelle. Wie auch hier in Siena, gibt es vielerorts ein "Museo della Tortura".

 

Unsere letzten touristischen Höhepunkte in der Toskana waren das kleine, aber von einer perfekten Stadtmauer umgebenen Dörfchen Monteriggioni und das weniger touristische, aber noch charmantere Zentrum von Certaldo. Auch Castelnuovo di Garfagnana war wenig touristisch, aber seine Lage zwischen den Bergen gefiel uns sehr.   

 

Die Küste Liguriens: von Touristen überrannt

 

Dem Lockruf der hochgepriesenen Küstendörfer des "Cinque Terre National Parks "folgend, fuhren wir in die Provinz Ligurien, wo wir hoch über La Spezia eine perfekte Unterkunft fanden. Bisher hatten wir auf unserer Italien-Rundreise vorwiegend in Hotels und Frühstückspensionen übernachtet, die meistens € 50 - 65 kosteten. "Locanda del Papa", wo wir uns momentan eingenistet hatten, wurde von "Agritourismo" (Ferien auf dem Bauernhof) vermarktet. Die Unterkunft war aber eher ein Treffpunkt Reisender aus aller Welt. Das Paar, das die Pension enthusiastisch führt, deckt seine Gäste nicht nur mit einer beispiellosen Fülle an Informationen über die Region ein, sondern verwöhnt sie auch mit einem, deren Herkunftsländern angepassten Frühstück. Während die wenigen Italiener mit einem kleinen Espresso und einem Croissant zufrieden gestellt werden konnten, genossen die Deutschen Ei, Wurst und Käse, wir erhielten Müesli, Joghurt und Brot, wogegen die Australier mit einem wahren "bush-tucker brekky" verwöhnt wurden.

 

Wie uns geraten wurde, nahmen wir den Zug von La Spezia. Mit einer Tageskarte besuchten vier der fünf Cinque Terre Dörfer. Da die meisten der Dörfer über die Strasse nur schlecht erschlossen sind und es kaum Parkplätze gibt, ist der Zug, welcher die Siedlungen über Tunnels verbindet, die beste Option. Schon beim Aussteigen im ersten Ort Riomaggiore, waren wir etwas schockiert über das Gewimmel am Bahnhof, dabei hatte doch das lange Wochenende vom 1. Mai noch gar nicht begonnen. Damit fanden natürlich Taschendiebe ein perfektes Arbeitsumfeld und Lautsprecher-Durchsagen warnten deswegen nicht nur, dass es Diebe "haben könnte", sondern ganz konkret: "sowohl auf dem Perron, als auch im Zug WIRD ES Diebe haben"! Man sollte keine maskierten Strolche erwarten, sondern sich eher vor hübschen jungen Frauen in Acht nehmen.

 

Die meisten der kleinen Dörfer bestehen aus hohen, bunt gestrichenen Häusern, welche sich an die steilen Hänge über dem Hafen schmiegen. Die Dörfer mussten schon oft der stürmischen See und von tobenden Gewittern verursachten Schlammlawinen standhalten, aber die Leute die dort leben, haben den Glauben nicht verloren - sie sind wirklich sehr katholisch. Um das Gebiet zu erschliessen und Trauben zu kultivieren, sind die Hügel terrassiert worden.

 

Theoretisch verbindet ein Küstenwanderweg die verschiedenen Orte miteinander, aber im Jahr 2011 wurden viele Sektionen durch eine Überschwemmung zerstört. Da die bekannte "Via dell'amore" nun geschlossen war, nahmen wir den markierten Alternativweg nach Manarola. Hätten wir aber gewusst, dass dieser Pfad im wahrsten Sinne des Wortes über eine steile Pyramide führt, hätten wir lieber auf den nächsten Zug gewartet. Zuerst führte der Weg vom Meer fast senkrecht auf 240 Meter Höhe und dann ebenso steil wieder hinunter. Es war unglaublich steil und schweisstreibend!

 

Nach unserem Empfinden, waren Manarola und Vernazza die schönsten Dörfer. Corniglia sah von weitem auch hübsch aus, wir haben es jedoch nicht besucht. Monterosso dagegen, war eher enttäuschend. Dies ist Cinque Terre's einziger Badeort, und zudem über die Strasse gut erschlossen. Unserer Ansicht nach, opfern die Cinque Terre Dörfer einen Teil ihrer Attraktivität dem Massentourismus. Uns erschienen die weniger überlaufenen Orte, die wir vorher besucht hatten, viel charmanter.

 

Wohl wegen dem langen Wochenende, fanden wir weiter westwärts entlang der Küste, weder einen Parkplatz, noch eine Unterkunft. So landeten wir ganz ungeplant in Genua. Diese Grossstadt war eine unerwartete Entdeckung mit vielen attraktiven Besichtigungsmöglichkeiten. Die gut erhaltenen historischen Gebäude in der weitläufigen Altstadt, gefielen uns sehr. Familien hingegen, standen für mehrere hundert Meter für Attraktionen am Hafen, wie z.B. dem Aquarium, an.

 

Nachdem wir eine halbe Stunde südostwärts zurück gefahren waren, hatten wir nun mehr Glück und fanden im immer noch gutbesuchten Badeort Rapallo ein Hotelzimmer. Im Sommer, wenn die Massen der Badeurlauber die vielen Liegestuhlreihen besetzen, möchten wir lieber nicht hier (oder irgendwo sonst an Italiens Küste) sein. Für den Moment, fanden wir aber eine perfekte Basis, um einige der adretten Küstendörfer zu besuchen. Wir konnten Santa Margherita sogar zu Fuss von Rapallo aus erreichen und sowohl die Altstadt, als auch der Hafen waren recht interessant. Eine Fussstunde weiter entfernt, liegt das charmante Hafenörtchen Portofino. Da will man gesehen werden, wenn man Rang und Namen hat - oder sich unter die Schönen und Reichen mischen möchte.

 

Das Dorf, das uns aber an der Ligurischen Küste am besten gefallen hat, ist Camogli. Seine vielen hohen und bunten Häuser schmiegen sich an eine Hügelflanke. Eine Felsnase, auf der eine Festung und eine Kirche thronen, teilt den langgezogenen Küstenort in einen Hafen- und einen Strandabschnitt. Wie in einem so malerischen Dorf zu erwarten ist, reihen sich, entlang der grossen Fussgängerzone Kaffee- und Snack-Bars, Eisdielen und Restaurants, aneinander. Anders als in Rapallo, sind die meisten aber kleine Familienbetriebe, statt grosse unpersönliche Speisesäle.

 

Campeggio Naturista Costalunga: FKK mit persönlicher Note

 

Inzwischen stand der Frühling in voller Blüte und die Temperaturen stiegen und so kriegten wir wieder Lust, die Hüllen fallen zu lassen. Italien ist sicher nicht die erste Wahl, wenn es um FKK Urlaub geht und was wir über öffentliche Nacktbadestrände lasen, auch von solchen in der Nähe von Naturistengeländen, hörte sich wenig einladend an! Eine gründliche Suche im Internet brachte aber in Norditaliens Landesinnern ein paar Gelände zutage, die wir ausprobieren wollten.

 

Als erstes kontaktierten wir Costalunga, ein kleiner FKK Camping ausserhalb von Sassello. Das 2Ha grosse Gelände bietet 40 Stellplätze, zwei Mobilheime, sowie zwei kleine Holzbungalows die gerade fertiggestellt wurden. Bei unserer Ankunft am 4. Mai 2015 entschieden wir uns für eines der gut ausgestatteten Mobilheime, welche eine grosse Wohn-Küche beinhalten.

 

Costalunga wird von Paolo und Enrico, mit der Hilfe von Enrico's Eltern, sehr persönlich geführt. Es handelt sich um ein ehemaliges Vereinsgelände, das vor vier Jahren von den beiden jungen Männern übernommen wurde. Sie investier(t)en und verbessern die Einrichtungen und führen den Platz nun kommerziell. Die beiden haben Land dazugekauft um ein paar zusätzliche Stellplätze anbieten zu können. Das Gelände war bereits viel belebter, als wir dies um diese Jahreszeit erwartet hätten. Viele Naturisten profitierten von den sonnigen Plätzen, es gibt aber auch schattige. Weiter hat es ein grosszügiges Schwimmbecken mit viel Platz darum herum um sich zu sonnen. Gleich daneben finden Eltern einen Spielplatz für ihre Kleinen und die Erwachsenen einen WLAN Hotspot. Lebensmittel, eine Gelateria und Restaurants findet man im nahegelegenen Dorf Sassello.

 

Da FKK bei den Italienern nicht unbedingt beliebt ist, kommen 90% von Costalungas Gästen aus dem Ausland - die meisten aus den Niederlanden. Während unseres viertägigen Aufenthaltes waren fünf Holländische Paare, wir zwei, sowie ein Italienisches Paar als Tagesbesucher, auf dem Platz.

 

Auf Vorbestellung können Gäste zusammen mit Paolo und Enrico, die beide sehr gut Englisch sprechen, das Abendessen einnehmen. Neben einem interessanten Gespräch mit den Eigentümern, kann man mit etwa fünf Gängen rechnen, alles leckere, traditionelle Italienische Gerichte.

 

Costalunga ist eingebettet in eine ländliche Hügellandschaft. Nacktspaziergänge sind auf ein paar hundert Meter beschränkt, auf der anderen Seite bietet sich das Gelände jedoch als Basis an, um einige attraktive Sehenswürdigkeiten an der Küste Liguriens und im nahegelegenen Piemont zu besichtigen. Costalunga  ist ein kleiner, wunderschöner und persönlicher Platz, perfekt für alle die einfach für ein paar Tage, oder Wochen, etwas ausspannen möchten. Für uns war es genau das was wir brauchten, um nach einer intensiven Reiseperiode einfach wieder etwas die Seele baumeln zu lassen. 

 

Villaggio Naturista Le Betulle: FKK am Stadtrand von Turin

 

Am 8. Mai 2015 verliessen wir Ligurien und fuhren weiter ins Piemont. Nach 2½ Stunden Fahrt durch dünn besiedelte ländliche Gebiete, umfuhren wir die Stadt Turin. Nur 20km nordwestlich, erreichten wir ein weiteres, von Italiens wenigen FKK Geländen: Le Betulle, gleich neben dem Dorf La Cassa.

 

Dieses 12 Ha grosse, ehemalige Klubgelände wird seit kurzem als kommerzielles FKK Feriendorf betrieben. Es bietet etwa 80 Plätze für Dauermieter, 80 Stellplätze für Gäste, sowie etwa 20 Mietunterkünfte. Darunter sind diverse Bungalows, Mobilheime, sowie Miet-Wohnwagen, die fast denselben Standard wie Chalets bieten. Sie haben nämlich alle einen Vorbau aus Holz, komplett ausgestattet mit Einbauküche und einem Flachbild-Fernseher. Für unseren 8-tägigen Aufenthalt erhielten wir eines von drei hübschen Holzchalets mit gedeckter Terrasse. Le Betulle liegt an der Flanke eines bewaldeten Hügels und bietet limitierte, aber gute Möglichkeiten zu Nacktspaziergängen. Das Allerbeste ist aber, dass man von einem Hintereingang aus, das Dorf La Cassa in nur 10 Minuten zu Fuss erreichen kann. Dort gibt es zwar keinen richtigen Supermarkt, dafür aber wie in guten alten Zeiten: einen Tante-Emma Laden, eine Metzgerei, einen Bäcker, einen Früchte- und Gemüsehändler. Wie in jedem Italienischen Dorf fehlte natürlich auch eine Kaffee-Bar und eine Eisdiele nicht, welche in La Cassa unter einem Dach zu finden sind. Das Verkaufspersonal war überall ausserordentlich hilfreich, hatte immer Zeit für einen Schwatz, offerierte uns öfters einen Rabatt oder gab uns etwas zu probieren und hatte Spass mit unserer Interpretation der Italienischen Sprache. Kurz und gut; auch in kleinen konservativen Dörfern können nackte Schweine zu werten Kunden mutieren!

 

Wieder zurück in Le Betulle, war es extrem ruhig, vor allem, wenn man die Jahreszeit und die Grösse des Geländes bedenkt. Nicht einmal an den Wochenenden sahen wir viele Dauermieter, bloss ein paar Ausländer kamen jeweils für ein paar Tage und das niederländische Paar neben uns, sogar für zwei Wochen. Das grosse Schwimmbecken war bereits geöffnet und die vielen Sport- und Spielplätze standen ebenfalls zur Verfügung. Es gab mehrere Internet-Hot Spot's und wer ein Buch lesen wollte, konnte sich in der grossen Bibliothek eines ausborgen. Wenn die Saison dann einmal in Schwung gekommen sein wird, stehen zudem ein grosses Restaurant, ein Grillplatz, eine Sauna und ein Sprudelbad zur Verfügung. Auch frische Brötchen können dann bestellt werden.

 

Obwohl es in der Umgebung unzählige Sehenswürdigkeiten gibt, machten wir nicht viele Ausflüge. Um Turin aus der Ferne zu sehen, muss man sich nicht einmal anziehen. Für alle, die die Stadt aber richtig erkunden möchten, liegt sie bloss eine kurze Autofahrt entfernt. Weiter findet man im ganzen Piemont unzählige beeindruckende Berge und malerische Täler. Auch die kulinarischen Leckerbissen der Region rechtfertigen mehrere Ausflüge und zum Glück gibt es in der Nähe mehrere gute Lokale.
An einem Markttag besuchten wir Lanzo Torinese, ein adrettes Dorf, wo sich eine schöne alte Teufelsbrücke befindet. Diese sieht, mit ihrem Steinbogentor in der Mitte, sehr speziell aus.

 

Wir empfanden Le Betulle als ein gut ausgestattetes Gelände, mit vielen Ausflugsmöglichkeiten. In der Nebensaison ist es extrem relaxing, in der Hochsaison kann es aber auch gut für einen Familienurlaub geeignet sein.

 

Die Italienischen Dolomiten: imposante Berge und überwältigende Aussichten

 

Zum 80. Geburtstag von Brigittes Mutter unterbrachen wir unsere Italienreise für ein paar Tage und fuhren in die Zentralschweiz. Nach der Geburtstagsfeier erledigten wir noch ein paar Dinge und fuhren dann weiter nach Zernez im Engadin. Von dort ging's über den Ofenpass weiter ins Münstertal und am 25. Mai 2015 waren wir schon wieder in Italien. Nun befanden wir uns in der Region Alto Adige, dem deutschsprachigen Landesteil, den man besser unter dem Namen Südtirol kennt.

 

Als wir in Glurns anhielten, lernten wir ein Italien kennen, das mit dem, das wir vorher besucht hatten, nicht zu vergleichen ist! Nicht nur, dass alle Deutsch sprachen, die ganze Kultur fühlte sich hier Deutsch an. Die Häuser glichen zwar immer noch denen im Engadin, aber das Italienische Eis wurde hier nun urplötzlich per Kugel, statt wie sonst überall in Italien, nach Bechergrösse verkauft. Einige Verkäuferinnen trugen Dirndl oder eine andere Tracht und die angebotenen Speisen waren so Deutsch, wie sie nur sein konnten.
Unglaublich war auch der Temperatur-Unterschied! Hier hatte es auf einmal 22°C, was mehr als 10°C wärmer war, als in den umliegenden Tälern. Deshalb gaben vielleicht unsere Vorfahren dem 2'149m hohen Pass, den wir soeben überquert hatten, den Namen "Ofenpass/Pass dal Fuorn". Es scheint ganz so, als ob er diese unglaubliche Wärme erzeuge.

 

Von Glurns aus, fuhren wir durchs Vinschgau und dann, nachdem wir Meran und Bozen umfahren hatten, weiter ins Eggental. Jetzt hatten wir die Dolomiten, unser eigentliches Reiseziel erreicht. In Welschnofen gönnten wir uns ein Sandwich aus krustigem dunklem Brot und einen Apfelstrudel. Schon bald darauf bewunderten wir den kleinen, aber unglaublich schönen Karer See. Ein ultramoderner Fussgängertunnel verbindet den Parkplatz, sowie diverse Souvenir Geschäfte und Imbissbuden mit dem See auf der anderen Strassenseite. Touristen ohne Zeit können von der grossen Aussichtsterrasse schnell ein Foto mit dem besten Panorama schiessen. Es ist aber absolut lohnenswert, das smaragdgrüne Kleinod zu umrunden. Das Wasser dieses Bergsees auf 1'500 M.ü.M. ist so kristallklar, man sieht jedes, auf dem Seegrund liegendes Holzstück und jeden Fisch. Das 300m lange Seelein ist von hohen Fichten gesäumt. Dahinter thronen die mächtigen Berge des Dolomitenmassivs und wenn grade kein Wind weht, spiegelt sich alles zum perfekten Bilderbuch-Bild.

 

Die Dolomitenladiner: althergebrachte Sprache und interessante Küche

 

Nach der Überquerung des Karerpasses, übernachteten wir in Vigo di Fassa. Dieses Dorf gehört, genauso wie das gesamte Fassatal, zur Region der Ladiner, südlich des Südtirols. Die meisten Einwohner sprechen dort Ladin, eine Sprache, die mit dem Rätoromanischen verwandt ist. Auch in Italien gibt es unglaublich viele Sprachen und Kulturen, alleine 30 davon sind auf der Liste der "vom Aussterben bedrohten Sprachen" aufgeführt, zusätzlich zu einem Dutzend weiteren, über deren Weiterbestand man sich nicht sorgen muss, wie z.B. Friulanisch, Okzitanisch, Arbëresh.

 

Im Ladinischen Sprachgebiet fanden wir auch eine interessante Esskultur. Sie erschien uns wie eine raffinierte Fusion aus dem Besten der Italienischen- und dem Besten der Deutschen und Österreichischen Küche.
Das von uns ausgewählte Lokal war ein wahrer Glücksfall, ein echtes "Ristorante Gastronomico". Nun gut, wenn wir vom ausgewählten Lokal sprechen, meinen wir eigentlich "dasjenige, das geöffnet hatte"… Wie die meisten Dörfer in den Dolomiten, liegt auch Vigo di Fassa auf 1'500m über Meereshöhe. Es ist eines von vielen Wintersportorten und da Ende Mai weder Winter- noch Sommersaison ist, waren 80% der Hotels und Restaurants geschlossen.

 

Jeden Frühling benimmt sich der verdammte Winter wie eine Dramakönigin und bedroht die Menschheit mit einem theatralischen Comeback. Gemäss dem Wetterbericht mussten wir fürchten, dass die Pässe wieder geschlossen würden. Nichts desto trotz, machten wir uns auf, die Schönheit der zerklüfteten Berglandschaft zu erkunden. Dass wir die Möglichkeit hatten, vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag zu erleben, war für uns bloss ein weiterer Kick. Nun, es endete damit, dass wir immer wieder eine Kaffestube (be)suchten und dadurch noch mehr lokale Spezialitäten kosteten, bis der Regen wieder aussetzte. Und wenn wir uns dann jeweils wieder aufmachten, waren wir nie sicher, ob uns hinter dem nächsten Berg Regen, Schnee, Sonnenschein oder alles zusammen erwarten würde. Zumindest fiel der Nebel nicht allzu tief und so konnten wir doch immer wieder von grossartigen Aussichten profitieren. Nach einer etwa 150km langen Rundfahrt, endeten wir in Canazei, bloss 12km von dort, wo wir die letzte Nacht verbracht hatten.

 

Am nächsten Tag zeigte sich das Wetter viel freundlicher und so machten wir uns nochmals zum Grödner Joch (2121m) und zum Sella Joch (2240m)auf, unsere Favoriten vom Vortag. Die Aussicht auf die majestätischen Berge war gigantisch und da wir die Pässe nun gegenüber gestern in der entgegengesetzten Richtung überquerten, erlebten wir sie überraschend unterschiedlich. Während unseres zweiten Mittagshalts in Arabba, entschieden wir uns, nicht über den Passo Pordoi (2239m)  zurück zu fahren, sondern unsere Fahrt Richtung Westen, nach Cortina d'Ampezzo fortzusetzen.

Natürlich dauerte es eine ganze Weile, bis wir dort eintrafen, da wir unterwegs immer wieder stoppten. Einmal machten wir einen Abstecher, um die Ruine des Castello Andraz zu sehen. Sehr beeindruckt hat uns auch die Aussicht vom Falzarego Pass, auf 2'105 Metern über Meer. Die berühmte "5 torri" Gipfel erschienen uns so nah, man glaubte schon fast, sie berühren zu können. In der Umgebung gab es aber noch viele andere imposante Berge.

 

Unsere letzten beiden Tage in den italienischen Dolomiten, verbrachten wir in Cortina d'Ampezzo. Als Tagesausflug besuchten wir zuerst den kleinen, malerischen Scin-See, wo wir das kristallklare grüne Wasser bewunderten. Kurz darauf genossen wir auf der Passhöhe des Passo Tre Croci das spektakuläre Panorama auf die umliegenden Gebirgsketten. Nicht viel weiter, erreichten wir den Misurina See. Man kann ihn in weniger als einer Stunde zu Fuss umrunden, aber nur, wenn man in keinem der etwa 12 Restaurants und Hotels entlang des Ufers Rast macht. Die Sicht auf das Bergpanorama lohnt sich jedenfalls auf dem ganzen Weg.
Da unsere Rundtour um 17h endete, das Wetter aber immer noch so toll war, nahmen wir die Chance wahr, fuhren an unserer Pension vorbei, und kutschierten noch hinauf zum Passo Giau. Auch wenn wir entlang des Weges zur Passhöhe auf 2236m nie anhielten, erwartete uns da oben ein Traum-Panorama, welches so viele, die wir während der letzten Tage sahen, noch übertraf: 360° spektakulärste Dolomiten-Bergwelt!

 

Der olivgrüne Dürnsee, sowie der türkisgrüne bis milchige Toblacher See boten uns am nächsten Tag, auf unserem Weg nach Österreich, eine perfekte Abschiedsvorstellung zu den Dolomiten, und zu Italien.

 

Schlussgedanken über unseren Aufenthalt in Italien

 

Insgesamt haben wir fünf sehr lohnenswerte Wochen in Italien verbracht. Europas Stiefel bot uns viel mehr, als wir erhofft hatten: unzählige, schön restaurierte Städte und Dörfer - sehr unterschiedliche Kulturen - Geothermalgebiete - faszinierende Küsten - imposante Berge - sanfte Hügellandschaften - freundliche, hilfsbereite Menschen und zu guter Letzt: himmlisches Eis, sowie eine vielfältige und edle Küche. Es war unser erster richtiger Aufenthalt in Italien, aber wohl kaum der letzte…

 


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