Reisetagebuch Kapitel 11
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Reisetagebuch Kapitel 11 [Oktober 2005 - November 2005] als PDF
(Vanuatu)

Vanuatu
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Fotos: Vanuatu Mehr über den Pazifik: Südsee

Vanuatu; melanesische Pazifikkultur vom Feinsten

Nach drei Tagen in Melbourne, bestiegen wir ein Flugzeug der "Emirates' Airline" nach Auckland und genossen den Luxus dieser arabischen Fluggesellschaft. 

Neuseeland  war für den Moment erst ein kurzer Zwischenstop, bevor wir drei Tage später nach Vanuatu weiterflogen. Dieser Staat im Südpazifik besteht aus 83 Inseln mit einer Landmasse von 12'336 km©÷. Sie liegen in etwa zwischen Fiji und Cairns in Australien. Hauptstadt ist Port  Vila auf der Insel Efate. 98% der 200'000 Einwohner sind Ni-Vanuatu, wie sich hier die Einheimischen nennen und diese gehören der Volksgruppe der Melanesier an und haben recht dunkle Haut, krauses, meist schwarzes, aber ab und zu auch braunes oder gar blondes Haar. Von der Statur her, sind sie oft gross gewachsen und kräftig aber eher schlank. 

Wie die meisten anderen Staaten im Pazifik, hat auch Vanuatu eine bewegte Vergangenheit hinter sich, in der die Europäer den grössten Teil ihrer althergebrachten Kulturen und Gebräuche zerstört haben. Im Jahr 1605 sichtete der portugiesische Kapitän Pedro Fernandez de Quiros, der für die spanische Krone segelte, als erster Weisser einige Inseln Vanuatu's und erkärte sie gleich zum spanischen Hoheitsgebiet. Etwa ab 1850 trafen Missionare und Händler in grösserer Anzahl hier ein. Trotzdem konnte das Christentum hier nicht so schnell Fuss fassen wie in anderen Pazifikstaaten und einige Missionare endeten als Hauptspeise an Kanibalenfesten. Leider kamen so viele Missionare hierher, dass die Ni-Vanuatu nicht mehr alle verzehren konnten - irgend einmal waren sie einfach zu satt. Heute sind 98% der Bevölkerung christianisiert und die Missionare arbeiten weiterhin hart daran, auch die letzten Bastionen zu bekehren. Sobald das Dorfoberhaupt eines der wenigen übrig gebliebenen traditionellen "Kastom Dörfer" stirbt, sind die Missionare sehr schnell zur Stelle um der Trauergemeinde "zu helfen".

Vieles das man in unserer Gesellschaft als unmenschlich betrachtet, war hier Bestandteil ihrer Kultur und deshalb vollkommen normal. Wenn ein Mann starb, wurde seine Frau oft bei der Beerdigungszeremonie erwürgt und diesem Brauch wollten die Missionare ein Ende setzen. Zu ihrer Überraschung aber revoltierten die Frauen und kämpften für ihr Recht mit ihrem Ehemann sterben zu dürfen.

Das Verspeisen verstorbener Verwandter war hier die häufigste Form des Kannibalismus, da man damit etwas seiner Geliebten verstorbenen in sich aufnehmen und weiterleben lassen konnte. Diese Tradition hielt sich bis etwa 1980. Auch ihre Kriegsopfer und Gesetzesbrecher wurden häufig aufgegessen, letztmals 1969. 

Da die meisten Inseln der Neuen Hebriden, wie Vanuatu früher genannt wurde, von Franzosen oder Engländern besetzt waren, beschlossen deren beider Regierungen 1906 die Region als Condominium gemeinsam zu verwalten. Daraus ergab sich - wen wundert's? - eine Verdoppelung der Behörden mit 2 Sprachen, 2 Schulsystemen, 2 Spitalversorgungen, 2 Währungen, 2 verschiedenen Polizeikräften und Gefängnissen, welche natürlich unterschiedliche Gesetze durchsetzten. Es soll zwischen den beiden Verwaltungen oft Reibereien gegeben haben, was wohl anders nicht zu erwarten war. 1980 wurde Vanuatu dann in die Unabhängigkeit entlassen und wurde zu einer Steueroase. Heute versucht man auch Touristen und ihre Dollars anzulocken und bereits kommen viele Australier und Neuseeländer in die Ferienanlagen, bei denen alles inklusive ist. 

Am 26. Oktober 2005 trafen wir in Port Vila ein und bezogen ein Zimmer in einem billigen Gästehaus. Auf Anhieb fiel uns auf, wie freundlich hier die Menschen sind. Bevor wir überhaupt das Ortszentrum erreicht hatten, hatten uns schon duzende Menschen zugewunken oder "hello" gesagt (und dies ohne den Hintergedanken uns etwas verkaufen zu wollen wie dies in Asien oft der Fall ist). Port Vila ist ein recht langgezogenes Dorf in dem viele Souvenir und Zollfrei-Geschäfte die staubige Strasse säumen. Das Zentrum bildete ein grosser gedeckter Markt auf dem unzählige Sorten an Früchten und Gemüsen angeboten wurden. Nachdem wir in Mikronesien überhaupt nie einen Markt gesehen hatten, genossen wir es hier doppelt, zwischen den Ständen mit ihren exotischen Produkten entlang zu schlendern und das Beste war, dass uns niemand zum Kauf drängte, nicht einmal in der Souvenir Abteilung.

Auf den ersten Blick schien uns, dass die Franzosen nicht so viel Einfluss hinterlassen hatten, wie wir gehofft hatten. Wir hörten kaum dass Französisch gesprochen wurde und die Strasse war auch nicht von französischen Bäckereien und Restaurants gesäumt. Nach ein paar Tagen entdeckten wir jedoch eine Auswahl an guten französischen Restaurants, zwar war keines billig, aber in Vanuatu ist eh nichts billig, ausser vielleicht auf dem Markt. Zudem gab es Quartiere wo jeder Fanzösisch sprach. Die Englischkenntnisse der Leute waren in dieser Gegend dann etwas bescheidener. In ganz Vanuatu gibt es über 110 verschiedene Sprachen, weswegen eine Kunstsprache entwickelt wurde, die man Bislama nennt. Dies ist eine Art von "pidgin Englisch" (vermischt+einfacht), welches bei der Unabhängigkeit als zusätzliche offizielle Sprache eingeführt wurde.

Auch heute noch entscheiden die Eltern, ob sie ihre Kinder in eine englische Schule schicken wollen, was etwa 55% wählen. Die meisten davon gehören einer protestantisch gefärbten Sekte an. Die übrigen 45% senden ihre Sprösslinge in eine französische Schule, welche meist katholisch origentiert ist und beide unterrichten auch Bislama. Dies führt dazu, dass viele Ni-Vanuatu 4 verschiedene Sprachen lernen. In dieser Hinsicht sind die Leute hier sicher mancher westlichen Nation voraus. Was hingegen die Mode betrifft, findet man sich hier noch wie in alten Kolonialzeiten. Die meisten Frauen tragen nämlich das sogenannte "Mutter Hubbard Kleid"; ein bunter, langer sackförmiger Rock mit Rüschen. Die Missionare haben dieses Kleid eingeführt um damit die bis dahin unbedeckte Schönheit der "Eingeborenen" zu verstecken, welche diese bisher als so etwas normales und natürliches empfunden hatten. Seither schwitzen die Leute mehr und brauchen deshalb Seife um sich selbst und ihre Kleider zu waschen was wiederum das Wasser belastet. Nicht mal zum Baden trauen sie sich inzwischen auszuziehen, weshalb ihnen anschliessend die nassen Kleider lang am Leibe kleben, da sie oft keine anderen zum wechseln haben. Dasselbe gilt für die Regenzeit. Dabei frieren sie und werden krank, was oft sogar zu Tuberkulose (TB) geführt hat, eine Seuche die es hier vorher nicht gegeben hatte. Die Missionare schafften es sogar der Bevölkerung einzureden, dass die vielen Krankheiten, welche ja schliesslich von den Weissen eingeschleppt worden waren, eine Strafe dafür sei, dass sie vorher Kannibalen waren und den falschen Glauben hatten...

Wie konnte jemand in diesem heissen Klima die Leute bloss dazu zwingen (lange) Kleider zu tragen, das müssen Saddisten gewesen sein. Zusätzlich ist es frustrierend zu erfahren, wie ganze Nationen erfolgreich einer Hirnwäsche unterzogen werden können!  

Reden wir lieber von netten Dingen: Die Küstenlandschaft mit dem blauen Meer und den vorgelagerten Korallenriffen die hell leuchteten, war atemberaubend. Während unseres Fluges zur Insel Tanna, 4 Tage später, konnten wir dies sogar noch aus der Vogelperspektive geniessen. 30'000 Menschen leben dort auf einer Fläche von 565 km©÷ verteilt. Die Insel ist dafür berühmt, dass es hier die letzten Dörfer gibt, in denen das traditionelle Leben immer noch Oberhand hat und zudem kann man hier einen aktiven Vulkan besichtigen.

Das Gästehaus, welches wir telephonisch gebucht hatten, begeisterte uns gar nicht. Der Standard war sehr bescheiden und entsprach etwa dem, was man in Thailand für  € 2 kriegte, hier jedoch kostete das Bungalow mehr als € 20. Mit etwas Glück fanden wir in der Nähe ein neues Gästehaus, welches € 4 mehr kostete aber deutlich schöner und sauberer war. Dies war in Lenakel, welches mit etwa 1'000 Einwohnern das grösste Dorf der Insel war. In den wenigen Geschäften gab es nicht übertrieben viel zu kaufen und das Beste war wohl das frische Brot am Morgen. Ansonsten gab es vielleicht Konservendosen, Nägel oder T-Shirts. Zwei Mal die Woche wurde ein kleiner Markt abgehalten. Da dies der beste Ort war um etwas zu verkaufen und kaufen, nahmen viele Leute einen 4-6 stündigen Marsch in Kauf um hierher zu kommen. Es gab kaum Autos und nur wenig öffentlichen Verkehr, welcher zudem sehr teuer war. Überall gab es nur Schotterstrassen und diese waren meist mehr als nur ein bisschen ausgewaschen, weshalb sie nur als Fussweg geeignet waren und bloss 4x4 Fahrzeuge konnten diese Staubpisten noch bewältigen.

Etwa 80% der Ni-Vanuatu Menschen haben weder eine Arbeitsstelle noch Geld. Wenn es die Missionare nicht gegeben hätte, würden sie auch gar kein Geld brauchen. Sie bebauen ihr Land und sind begabte Gärtner. Dazu halten sie Schweine, Rinder, Ziegen und gehen fischen, was alles zum Bestandteil ihrer gesunden Ernährung wird. Ein Einheimischer wiederholte, dass die meisten eigentlich nur Geld benötigen um Kleider und Seife zu kaufen. Die meisten Leute besitzen ausser ihrem Land wirklich nichts, aber die wenigen die eine Stelle haben, müssen alles was sie kaufen, sehr teuer bezahlen, da die Preise in keinem Verhältnis zum Einkommen stehen.

Hier wurde uns erst richtig bewusst wie wohlhabend und entwickelt selbst die ärmsten Länder Asiens sind. Dort haben die meisten Menschen wenigstens ein bisschen Geld zur Verfügung und die Preise stehen in einem viel besseren Verhältnis zu diesem.

Was uns enorm beeindruckte in Vanuatu, erst recht in Anbetracht dessen, war, dass die Leute eigentlich immer einen zufriedenen Eindruck machten und zudem sehr freundlich waren. Wenn wir uns in einer kleinen einheimischen Essbude verpflegten, setzte sich immer jemand vom Personal oder von den Eigentümern zu uns an den Tisch und plauderte mit uns (ausser über Kannibalismus, dies scheint heute ein absolutes Tabu-Thema zu sein).

Reich waren die Leute vor allem an Kindern und die meisten Familien hatten 10-20.

Dank einer australischen Hilfsorganisation, gab es in jedem Dorf eine handbetriebene Wasserpumpe und das Wasser war von guter Qualität.

Wie in ganz Vanuatu hatte nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Zugang zu Elektriztät. Auf Tanna war nur der Hauptort Lenakel verkabelt, die übrigen 97% mussten ohne solchen Luxus auskommen. Das Telefonnetz hingegen war schon etwas weiter ausgebaut. Etwa in jedem 3. Dorf hing an einem Baum ein Gemeinschafts-Telefon für die Bewohner, wozu man eine Telefonkarte mit Code-Nummern brauchte. Wo sonst auf der Welt kommen 200'000 Leute noch mit 5 stelligen Telefonnummern und 4 stelligen Autonummern aus?

Da die meisten Einheimischen die Dienste einer Bank kaum je brauchen, versuchte die einzige Niederlassung auf Tanna wenigstens die Touristen ein wenig zu melken. Geldbezug mit der Kreditkarte war nicht möglich, aber gegen eine bescheidene Almose von etwa € 8 pro Scheck, waren die Bankangestellten mit Freuden bereit Traveller's Schecks gegen die lokale Währung Vatu einzutauschen, wenn auch nicht gerade zu einem berauschenden Kurs.

Auch das Büro der lokalen Fluggesellschaft gleich daneben, war sehr hilfreich. Nachdem wir den Angestellten in einer Essbude beim plaudern gefunden hatten, versprach er uns, den Buchungswunsch mit dem öffentlichen Telefon auf dem Nakamal (Dorfversammlungs Platz) ans Hauptbüro in Vila zu übermitteln und nachdem wir ihn zwei Tage später nach mehreren vergeblichen Versuchen wieder einmal in seinem Büro vorfanden, konnte er uns die Reservation sogar bestätigen.

Die nächste Herausforderung in Lenakel, war die Organisation unseres Essens. Zumindest von Montag bis Freitag war es einfach frisches Brot für's Frühstück zu finden und eine einfache Mittagsmahlzeit in einer Essbude zu bekommen. Zum Abendessen mussten wir jedoch immer im voraus reservieren. Exklusive für uns beide öffnete dann ein Restaurant seine Türen, denn die Einheimischen können sich dies am Abend nicht leisten und die anderen Touristen verbrachten ihre meist einzige Nacht auf Tanna irgendwo ausserhalb des Dorfes in einem Touristenhotel, sofern sie nicht nur im Charter-Jet zum Tagesausflug kamen.

Jetzt ertappen wir uns ja dabei, darüber zu lästern, dass die moderne Welt hier noch nicht so voll Einzug gehalten hat. Aber eigentlich sind wir ja genau deswegen hierher gekommen - weil wir das sehen wollten, das noch von der traditionellen Welt übrig geblieben ist.

Auf Tanna gibt es immer noch eine Handvoll "Kastom Dörfer" wie sie hier genannt werden, wo die Leute grösstenteils einen traditionellen Lebensstil bewahrt haben, wie er früher üblich war. Nachdem wir zuerst erfolglos versucht hatten so ein Dorf auf eigene Faust zu besuchen, schlossen wir uns einer Touristengruppe an, da kein Taxifahrer bereit war sein Fahrzeug über diesen besonders schlechten Pfad nach Yakel zu quälen. 

Eine 22 jährige Frau, welche nur mit einem Grasrock bekleidet war und ein 28 jähriger Mann, nur mit Penisköcher, genannt namba bedeckt, sprachen beide recht gut Englisch und führten uns und 7 weitere Touristen im Dorf umher. Sie erklärten wie jede Familiensippe ihre eigenen Hütten zum Kochen und Schlafen hat, aber auch wie Hochzeiten arrangiert, Gärten bebaut und Heilkräuter gesammelt werden. In diesem Dorf kam es uns vor, als hätte man uns in einer anderen Welt abgesetzt, die nach einem anderen Rythmus funktioniert.

Die kleinsten Kinder waren nakt und alle die älter als drei waren, trugen nur Grasrock oder Namba. Die Grösse des Penisköchers ist übrigens bestimmt von der Stammeszugeörigkeit und nicht von der Grösse des 'Pimmels'. Auf der Insel Malekula gibt es z.B. die Stämme "big nambas" und "small nambas" (grosse und kleine). Wenn diese Leute die umliegenden Dörfer besuchen die nicht mehr "Kastom Dörfer" sind ziehen sie sich allerdings westliche Kleider über und wir befürchten, dass sie diese wohl mit den recht hohen Eintrittsgeldern, welche von den Touristen verlangt werden, finanzieren (2'150 Vatu/€ 17).

Auch hier gab es eine Trinkwasser-Pumpe, jedoch sahen wir kein Telefon und erst seit kurzem werden auch einige der Kinder zur Schule geschickt.

Schweine gelten als besonders wertvoll, da sie sowohl als Geschenk, wie auch bei vielen Zeremonien eine wichtige Rolle spielen. Es gibt speziele Holzbeile, die benutzt werden um ihnen den Schädel einzuschlagen, wenn ihre Zeit gekommen ist. Vorher haben sie aber sicher ein besseres Leben als die Zuchtschweine in mehr entwickelten Ländern. Hier können sie frei herum rennen und wir sahen eine Frau die ein Ferkel auf dem Schoss hatte und dieses streichelte wie wir ein Kätzchen steicheln würden und es war ganz offensichtlich wie das Grunzvieh dies genoss.

Bevor uns die Dorfbewohner ein paar traditionelle Tänze vorführten, wurden wir noch dem recht gesund aussehenden Dorfoberhaupt vorgestellt, welcher anscheinend schon 108 Jahre als ist. Er ist dafür verantwortlich, denjenigen Juggesellen, die ihre Eltern schon vor Erreichen des heiratsfähigen Alters verloren haben, eine Braut zu organisieren und so kauft er ihnen dann eine Frau aus einem Nachbarort.

In vielen Dörfern ist der Orts-Chef auch der Hexen-Doktor, welcher hierzulande "Klever" genannt wird. Die Leute hier haben einen starken Glauben an Hexerei und Magie. Sicher gibt es viele Scharlatane, aber man erzählte und, dass sich auf Tanna 4 Hexenmeister einen so guten Ruf erarbeitet haben, dass sogar Patienten von anderen Inseln zur Behandlung eingeflogen werden. In einem spezifischen Fall wurden uns die Narben eines jungen Mannes gezeigt, wechem bei einem Unfall ein Arm und ein Bein zertrümmert worden waren. Nach nur einem Monat war er geheilt, nachdem ihm der "Klever" mit Bambusschienen seine verletzten Glieder stabilisiert hatte. Dazu wurden ihm regelmässig Heilkräuter mittels Schnitten in die Haut zugeführt und irgendwelches Gebräu zu trinken gereicht. Dem Glücklichen blieben nur ein paar Narben und er kann heute seinen Arm und sein Bein wieder voll gebrauchen. Er war felsenfest davon überzeugt, dass man ihm im Spital beides amputiert hätte, denn es scheint so, dass dies hierzulande oft die Lösung ist. Es gibt zwar schon einige Spitäler moderner Medizin welche über die Inseln Vanuatu's verteilt sind, ihre Ausrüstung ist aber oft so auf das absolut notwendige Minimum beschränkt, dass den Aerzten oft nicht alle modernen Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

Vielleicht ist es so, dass auch die westliche Medizin etwas von den Zauberdoktoren lernen könnte und im Westen ist es doch unübersehbar, wie viele Patienten sich wieder lieber einem Naturheilpraktiker zuwenden.

Auf der östlichen Seite der Insel besuchten wir, was man als den "best zugänglichen aktiven Vulkan der Welt" feiert (bestimmt haben Australier diesen Werbespruch erfunden!). In einem Allrad-Fahrzeug überquerten wir die schwarze Sand- und Russebene am Fusse des 316 Meter hohen Mount Yasur. Mehrmals hielt David, unser Fahrer und Führer an, damit wir diese trostlose, aber faszinierende Landschaft, wo die Asche mit der extrem grünen Vegetation fortlaufend ums Territorium kämpft, gut erkundigen konnten. Danach zeigte er uns eine kleine Schlucht, etwa 10 Meter hoch, die alles war das übrig geblieben war von einem See, den es hier ursprünglich am Fusse des Vulkanes gegeben hatte. Im Jahr 2000 hatte ein Zyklon so heftige Regenfälle gebracht, dass der natürliche Damm barst und der See einfach ins Meer ausgelaufen war.

Anschliessend wurden wir fast bis zum Kraterrand hinauf chauffiert und nur ein paar hundert Meter höher konnten wir bereits in den Krater hinein sehen. Zwar sah man nicht ganz bis zur flüssigen Lava hinunter, aber man erklärte uns, dass sich da unten drei verschiedene Feuerkessel befänden die in unregelmässigen Abständen zur Eruption kommen. In riesigen Fontänen schoss dann die orange Flüssigmasse in die Luft, umgeben von einer Wolke dunklen Rauches und begleitet von einem grollenden Donnergeräusch das durch Mark und Bein ging. Vor allem nach Sonnenuntergang konnte man die geschmolzene Lava durch den Rauch gut erkennen und es war faszinierend den fliegenden Lavabomben zuzusehen - wie gigantische "Zigerstöckli" oder eben: "Vulkänli" am 1. August in der Schweiz.

Einige Eruptionen waren nur klein, bei anderen hingegen donnerte die Lava so plötzlich weit in die Luft hinauf, dass schon viele Touristen vor Schreck ihre teuren Kameras und Videos fallen liessen und diese liegen nun irgendwo im gefährlichen Kraterkegel.

Die Vulkantätigkeit wird in Stufen von 0-8 gemessen und sie war nur bei Stufe 2 als wir oben waren. Dies war genau, was das Touristenherz erfreut: es wurden gut sichtbare "Lavafontänen" ausgestossen und es war trotzdem recht sicher. Man erklärte uns, dass es sich bei Stufe 4 unten am Fuss des Vulkanes schon anfühle, als ob ein konstantes Erdbeben stattfinden würde. In diesem Fall kann man nicht mehr an den Kraterrand hinauf gehen. Da sich die Intensität der Ausbrüche natürlich schlagartig ändern kann, gab es auch schon drei Tote.

Wir verbrachten zwei Nächte in der Bungalow-Anlage Dschungel Oasis gleich am Fusse des grollenden Mt. Yasur. Vor allem nachdem der Generator dort jeweils abends um 10 ausgeschalten wurde, sah man sogar von da unten gut, wie sich die Lava in den Wolken reflektierte, wenn der Vulkan Feuer spie. So genossen wir es für eine Weile noch diesem Schauspiel zuzusehen, statt ins Bett zu gehen. Das Grollen der Lavaausbrüche konnte man Tag und Nacht hören.

Die Asche, welche der Vulkan ausspukte war dauernd in der Luft wahrzunehmen und alles in dieser Umgebung, war von einer dünnen Russchicht überzogen. Nach nur 1 Std. sahen wir bereits einen deutlichen Abdruck wo wir unser Glas auf dem Gartentisch deponiert hatten und manchmal kam auch etwas Russ zwischen die Zähne. Die nicht gerade bescheidenen € 17 Eintritt zum Vulkan werden dazu verwendet die umliegenden Dörfer mit Früchten und Gemüsen zu versorgen, wenn deren Plantagen wieder einmal zu viel Asche abbekommen haben.

Wie überall auf dem Lande, lebte auch hier die Bevölkerung in sehr bescheidenen Verhältnissen. Es ist keine Seltenheit, dass 20 Personen in derselben Hütte, die nur aus einem Raum besteht, schlafen. Sie haben nur eine Matte auf dem Boden, Betten und Matrazen kennen sie nicht und von (warmen?) Duschen oder Strom träumen sie noch nicht einmal. Die einfachen Hütten sind meist aus Bambus und Palmblättern gebaut und nur wenige haben Mauern und ein Blechdach. Dies hat den Vorteil, dass sie bei den hier häufigen Erdbeben für gewöhnlich weder viel Schaden anrichten noch nehmen. Weniger Vorteilhaft sind die einfachen Bambuskonstruktionen allerdings in der Zeit der Zyklone. Deshalb hat jedes Dorf eine Art Luftschutzkeller, ein Bambushaus das tief in den Boden eingelassen ist und das sie "ground house" nennen.

Bereits bevor wir im Gästehaus beim Yasur Vulkan eingetroffen sind, war deren neues Auto das Tagesgespräch im 50 km entfernten Lenakel. Dorthin war es nämich mit der Fähre angeliefert worden. Bis es schlussendlich im Dschungel Oasis eintraf, standen die Leute der umliegenden Dörfer neugierig an der Strasse spalier. Zu Ehren dieser Anschaffung die dem ganzen Dorf dienen wird, waren blumengeschmückte Bogen über die Strasse gespannt worden und die Dorfältesten hielten Ansprachen. Zum Schluss wurde das blended weisse 4x4 Fahrzeug und seine wichtigsten Teile einzeln gesegnet und der Reihe nach kletterten anschliessend Jung und Alt auf die kleine Ladebrücke des "pick-up" und wollten eine Runde gefahren werden. Dies war nun das erste Auto das jemandem hier gehörte und bisher hatte immer erst ein Taxi von weither gerufen werden müssen, wenn ein Transport benötigt worden war.

Der Rythmus auf dem Land richtet sich nach dem Tageslicht und bereits morgens um 5 wurden wir von den Kirchglocken geweckt. Damit soll sicher gestellt werden, dass die armen Kinderchen noch vor der Schule, welche 3 Std. später beginnt, die Messe besuchen. Nachdem die Arbeit des Tages getan ist, machen sich die Frauen ans Kochen und die Männer versammeln sich in den Kava Bars. Man findet diese leicht, weil sie jeweils durch eine brennende Laterne gekennzeichnet sind, welche man hier "das Rotlicht" nennt. Man sagt, dass der Kava in Vanuatu stärker sei, als auf anderen Pazifikinseln und seine muskellähmende Wirkung länger anhalte, auch wenn sie das Gehirn nicht belastet. Oft wird Kava nach alter Tradition zubereitet, das heisst; die geschälten Kavawurzeln werden gekaut und anschliessend in einen grossen Topf gespuckt aus welchem später die Kokosnuss-Schale gefüllt wird und unter den Kavatrinkern herumgereicht wird. Heute wird Kava z.T. auch gemahlen und eine spitzfindige Firma hat sogar getrockneten löslichen 'lnstant Kava' erfunden (wie Kaffeepulver), den sie auch exportiert. 

Als wir abgeholt wurden und in lokaler Manier auf die Ladebrücke eines Pick-up's kletterten, waren wir froh, dass nach einem Regentag die Sonne wieder schien. So war nun die ausgewaschene Holperpiste weder staubig noch sumpfig. Bei der Inselüberquerung zurück an die Westküste, kamen wir über den hügeligen "Mittelbusch", wo Kaffee und Kokosnüsse kultiviert wurden. Wiederum waren viele Leute zu Fuss unterwegs und alle winkten uns lachend zu. Einige gingen mit Pfeil und Bogen oder auch nur mit einer Steinschleuder jagen.

Die letzten vier Tage auf Tanna verbrachten wir in den "Evergreen Bungalows". Für Vanuatu-Status gehören diese schon in die obere Klasse, denn es gab schon einen Generator, heisse Duschen und ein Restaurant mit Speisekarte zum Auswählen. Im Vergleich zu westlichem Standard waren die Bambushüttchen aber immer noch sehr bescheiden, nicht ganz so sauber und zudem musste das Kleingetier welches in den Bungalow wollte nicht lange suchen, bis es einen Eingang gefunden hatte. Aber auch diejenigen Bungalows der luxuriöseren Anlage nebenan, welche vier Mal mehr kosteten, waren kein bisschen besser abgedichtet, aber da sie deutlich grösser waren, boten sie wohl auch mehr Platz für ungebetene Gäste...

Auf der anderen Seite hatten wir aber eine super Lage mit Aussicht auf die Kalksteinküste und die Gärten davor. Ganz in der Nähe konnte man schön schnorcheln gehen und die Ausrüstung dazu stand erst noch gratis zur Verfügung. Um ins Wasser zu gelangen musste man allerding erst die scharfkantigen Kalksteine überwinden oder anders ausgedrückt: es tat verdammt weh an den Füssen und war eine Tortur - aber erst recht für den Hintern wenn man hinfiel.

Mit der Qualität des Restaurants waren wir sehr zufrieden. Wir konnten die Küchenmannschaft sogar davon überzeugen den importierten Reis gegen lokale Kumara (Süsskartoffel), Tarowurzeln oder Kürbis zu ersetzen, obwohl sie sonst immer glauben, den Gästen den teuren Reis auftischen zu müssen. Dass die 4-8 Gäste jeweils zusammen tafelten, hat sicher auch noch mit zur guten Atmosphäre beigetragen. An den meisten Tagen war sogar frisch gefangener Hummer auf dem Menü, da gab's wirklich nichts zu jammern!

Evergreen verabschiedet seine Gäste jeweils mit einem weiteren erstklasse Service: bevor wir von Tanna zurück nach Efate flogen, konnten wir unser Gepäck und unsere Flugtickets einfach an der Reception abgeben. Jemand ist damit zum nahen Flughafen gefahren und hat es an unserer Stelle ein-gecheckt. Zwei Stunden später, als wir bereits das Flugzeug im Landeanflug sahen, wurden uns die "boarding-cards" ausgehändigt und wir wurden zum Flugplatz gefahren. Tank yu tumas Tanna, Ata. 

Nach 10 Tagen waren wir also wieder zurück im Hauptort Port Vila. In der Zwischenzeit machte uns der Ort einen deutlich entwickelteren Eindruck als zuvor. Es gab sehr viel Verkehr fanden wir nun. Die meisten Autos waren Taxen, Minibusse oder dann Geschäfts- oder Regierungsfahrzeuge, wie man an ihren Nummernschildern erkennen konnte. In den wenigen Privatfahrzeugen sassen zu 90% Weisse oder Asiaten, welche sich ab und zu noch den Luxus eines einheimischen Chauffeurs leisteten.

Obwohl sie nicht allzu verlottert aussahen, stiessen die halben Vehikel stinkende schwarze Rauchwolken aus, da die meisten Busse und Taxen wohl kaum regelmässig zum Service gehen. Aber es besteht Hoffnung für die Umwelt: die ersten Fahrzeuge wurden bereits auf lokal hergestelltes Kokosöl umgestellt. Eine französische Firma arbeitet an der Entwicklung von Stromgeneratoren, welche ebenfalls mit Kokosöl betrieben werden können. Dieses wird aus Kopra, getrocknetem Kokosfleisch gewonnen. Man hofft, dass man auf diese Weise alle Inseln mit Strom versorgen könnte, da das dafür notwendige Rohmaterial lokal gepflanzt und hergestellt werden könnte. Wir erfuhren von diesem Projekt in der Frühstückspension "La Maison Bleue", wo wir diesmal wohnten. Diese wird von der gebürtigen Französin Françoise betrieben, welche mit einem der leitenden Ingenieure des Kokos-Energieprojektes verheiratet ist.

Das Haus war wunderschön an einer Hanglage über der blauen Bucht gelegen und war die beste Unterkunft die wir in Vanuatu hatten. Am Morgen wurde uns auf der Terrasse ein tollest Frühstück serviert, welches tropische Früchte und Quark und vieles mehr enthielt. Einmal kochte sie uns auch ein französisches Abendessen, welches so gut war, dass es leicht einige "Gault Millau" Punkte verdient hätte. Die anderen beiden Abende besuchten wir Gourmet Tempel von denen es in Vila einige gibt.

Irgendwie ist es hier eine unwirkliche Welt: auf der einen Seite verdienen die meisten Leute überhaupt  gar nichts, auf der anderen Seite haben sich hier über 2'000 internationale Firmen registrieren lassen. Diese alle profitieren vom Steuerparadies Vanuatu, wo weder juristische noch natürliche Personen Einkommenssteuern bezahlen müssen und es gibt weder Kapitalgewinn- noch Erbschaftssteuern. Das Staatseinkommen wird einzig aus den 12,5% Mehrwertsteuer und den bis zu 70% hohen Importzöllen gewonnen und somit vor allem von den kleinen Fischen berappt.

Für diejenigen die einen Job haben, wurde das Mindesteinkommen erst kürzlich "grosszügig" auf € 155 pro Monat erhöht und dies in einem Land wo die Preise etwa gleich hoch, oft aber deutlich höher sind als in Australien (=Mindestlohn € 1'163p.Mon.). Das meiste Geld wird zwar unter den Weissen und den Asiaten aufgeteilt, dies heisst aber nicht, dass die Ni-Vanuatu nicht auch sehr fleissige Leute wären. Die wenigen die eine Stellung haben, arbeiten sehr hart für dieses Privileg. In Anbetracht all dessen ist es noch viel unglaublicher, wie unverfälscht freundlich die Einheimischen gegenüber den Fremden sind. Sie vergeben all das Leiden das ihnen die Weissen gebracht haben und vor allem die Missionare immer noch bringen in deren (irr?)Glauben das Licht verbreiten zu müssen.

Am Tag unserer Abreise verwöhnte uns Françoise ein letztes Mal. Sie bestand darauf, uns auch um 04:45 Uhr am Morgen ihr legendäres Frühstück zu servieren.

Auf unserem Rückflug nach Auckland waren wir wieder umgeben von lauter Pauschalreisenden die sich über ihre Schnäppchen vom Duty-Free Laden freuten und ihre Taschen voll hatten mit Kunsthandwerk-Souvenirs, welche sie in den australisch betriebenen Insel-Hotels gekauft hatten. Nach Ankunft in Neuseeland wurden die meisten dann von der Zollbehörde in die Mange genommen, da viele der eingeführten Holz- und Bambusgegenstände unter die Quarantänebestimmungen fielen. Wie viel besser waren doch wir dran: unsere Andenken sind viele, aber sie sind viel leichter und können uns nicht mehr weg genommen werden. Es sind vor allem Erinnerungen an gute Erlebnisse und schöne Erfahrungen in Vanuatu.

 


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