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Reisetagebuch Kapitel 9 [Mai 2004 - Oktober 2004] als PDF (Kanada & Kurzbesuch bei Urs in der Dominikanischen Republik) |
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Fotos: Kanada 1 - Kanada 2 |
Kanada, im Auto von Vancouver bis Halifax
Am 13. Mai sind wir von Bangkok Richtung Taiwan
abgeflogen. In Taipeh, wo wir ohne Wartezeit umsteigen konnten, stiegen zu
unserer Überraschung mindestens 30% andere Passagiere aus Indien zu
und wir waren umgeben von Sari's und Turbanen. Natürlich hatte es sonst
vor allem Asiaten, welche aus fast allen Ländern der Region stammten. Wir
amüsierten uns zuzusehen, wie lange es dauerte, bis alle Inder einen
Sitzplatz gefunden hatten, der ihnen besser zusagte, als der zugeteilte - und
dies in einem fast voll besetzten Flugzeug. Später, als das Essen verteilt
wurde, dauerte es eine kleine Ewigkeit, bis die asiatischen und westlichen
Passagiere auch etwas zwischen die Zähne kriegten, da das Personal der China
Airlines zuvor damit beschäftigt gewesen war, etwa ein Duzend verschiedene
Spezial-Mahlzeiten zu servieren, welche die Inder je nach ihrer
Volksgruppe oder Religionszugehörigkeit bestellt hatten. Als nachher ein Film
gezeigt wurde, hörten wir, wie sich ein Chinese ganz scheu bei einer
Stewardesse erkundigte, ob es unangebracht wäre, den Inder vor sich zu fragen,
ob er den Turban vom Kopf nehmen könnte, damit er ebenfalls dem Film folgen
könnte. Nachdem er aber erfahren hatte, dass der Turban ein religiöses
Symbol der Sikh sei, traute er sich dann nicht mehr zu fragen.
Später erfuhren wir, dass Vancouver die zweit/grösste
Sikh Population hat, gerade nach dem Punjab Bezirk in Indien.
Nach einem 15 stündigen Flug erreichten wir Vancouver
morgens um 09:30 Uhr - theoretisch nur 1 Stunde nach unserem Abflug von
Bangkok, da wir inzwischen die Datumsgrenze überflogen hatten.
Abgesehen von den Zöllnern, die uns übertrieben lang
ausfragten, wurden wir in Kanada überall sehr freundlich
empfangen. Als Erstes fielen uns die vielen grossen Frühlingsgärten und die
sauberen breiten Strassen auf. Alle Leute, mit denen wir in Kontakt kamen,
waren immer total freundlich und nahmen sich etwas Zeit zum Plaudern. Die Stadt
Vancouver hat eine ganz spezielle Ausstrahlung, welche vor allem von ihrem sehr
multikulturellen Charakter her rührt. Vor allem asiatische Nationen waren sehr
gut vertreten, egal ob sie nun Immigranten, Touristen oder Sprachstudenten
waren. Im Stadtzentrum hatten sicher fast 80% der Menschen asiatische Herkunft.
Viele der Einwanderer von ihnen, hatten die Chance gepackt und ein eigenes
Geschäft, oft ein Restaurant eröffnet. Aber auch viele Einwanderer aus anderen
Erdteilen hatten dieselbe Idee gehabt. Trotz all unseren Bemühungen, schafften
wir es in den zwei Wochen, die wir in dieser Stadt verbrachten, nicht, alle
durchzukosten; die Auswahl war einfach zu gross. Zumindest schafften wir es,
aus folgenden Küchen eine Kostprobe zu nehmen und so assen
wir Malay, Japanisch, Koreanisch, Vietnamesisch, Chinesisch,
Mongolisch, Indisch, Ukrainisch, Griechisch, Frazösisch (musste sein),
Mexikanisch... Meistens hatte der Koch dieselbe Nationalität wie seine Gäste,
denn sowohl die Einwanderer, als auch viele Touristen schienen die Kost ihres
Heimatlandes gegenüber derjenigen anderer Länder, oder nordamerikanischem
Fast-Food zu bevorzugen. Es kam oft vor, dass wir in einem Lokal die einzigen
Westler waren und um uns herum sprachen entweder alle Chinesisch, Koreanisch,
Spanisch oder was auch immer. Einmal sassen wir in einem Lokal, welches nicht
mal eine englische Speisekarte hatte. All diesen war gemeinsam, dass sie - wohl
dank kanadischem Einfluss - immer gigantisch grosse Portionen servierten. So
wurde uns z.B. einmal auf einem griechischen Vorspeiseteller nebst vielem
anderen, auch 300 g: "dreihundert
Gramm" Fetakäse serviert! Kein Wunder lässt sich jedermann
hinterher die Reste im "doggy-bag" mit nach Hause geben. Im
Allgemeinen empfanden wir die Qualität der Speisen als sehr hoch und die Preise
eher niedrig.
Ärgerlich waren nur die vielen Bettler im Stadtzentrum
von Vancouver. Fast alle waren weisse und die meisten sahen nicht mal allzu
ärmlich aus. Wir denken, dass sie entweder von Alkohol oder anderen Drogen
abhängig waren. Sie hingen häufig dort herum, wo man die meisten Touristen sah.
Und auch von denen gab es sehr viele hier. Oft kamen tausende auf einmal
mit Kreuzfahrtschiffen, welche auf ihrem Weg nach Alaska, hier einen Zwischenhalt
machten.
Obwohl es erst Mitte Mai war, wurden wir mit angenehmem
warmem Wetter verwöhnt. Eine Wohltat nach der schwülen Hitze in Asien. Bei
über 20 Grad reizte es uns gleich, davon zu profitieren, dass es im
sonst prüden Kanada auch Freiheiten und Toleranz gibt, auf die wir vorher
verzichten mussten: wir gingen zu einem FKK Strand. Dies genossen wir
doppelt, nachdem wir in den letzten fünf Monaten in Asien einen
"Schamgürtel" aufgebrummt gekriegt hatten. Wir waren total
überrascht, wie zahlreich die Sonnenanbeter an einem gewöhnlichen Dienstag
Nachmittag die Wreck-beach bevölkerten und
am Wochenende wurden es noch viel mehr. Wie vielerorts, war der ganze Strand
mit Holz-Stämmen "dekoriert". Diese wurden vom Meer wieder ans Ufer
gespült, nachdem sie von den Flössern der Holzschlagfirmen auf dem Weg entlang
der Küste verloren gegangen waren. Wir waren auch überrascht, wie viele
Asiaten diesen Strand aufsuchten. Es waren zwar nicht 80% wie im Stadtzentrum,
aber ihr 20% Anteil hier, entsprach sicher noch mindestens ihrem
Bevölkerungsanteil des ganzen Stadtbezirkes. Nicht nur, dass sich hier viele
Asiat/innen hemmungslos auszogen und es sogar schick fanden, braun zu werden,
wo sie doch sonst lieber weiss waren. Nein, sie entwickelten noch ganz andere
Eigenschaften, die in ihren Herkunftsländern zu den Tabus gehörten: sie
konnten hier ganz ohne Gesichtsverlust NEIN sagen, oder dazu stehen, wenn
sie etwas nicht wussten. Vielfach beklagten sie sich auch nach einem
Heimaturlaub über ihre Landsleute, dass diese auf die Strasse spukten und
überall den Abfall liegen lassen. Das für uns Schlimmste jedoch war, dass sie
auf dem Land draussen ihre Restaurants schon um 7 Uhr abends dicht
machten.
Wir haben wohl fast alle Sehenswürdigkeiten Vancouver's
be-aug-apfelt und auf unserer Suche nach einem guten Gebrauchtwagen
kamen wir auch noch in viele Vororte. Es dauerte eine Weile, bis
wir einen Überblick über das lokale Autoangebot hatten, da wir viele
der "Ami-Schlitten" nicht kannten. Ausser ein paar wenigen
europäischen und japanischen Marken, war Vieles für uns Neuland.Wir merkten
bald, dass importierte (nicht-amerikanische) Autos einen deutlich besseren Ruf
und demzufolge höheren Preis hatten, als die amerikanischen Modelle, deren
Schwerpunkte eher in Komfort und luxuriöser Ausstattung liegen, als in guter
solider Qualität. Sowohl die Karosserie, als auch die Motoren, waren meist viel
grösser, als wir es uns von Europa her gewohnt sind und folglich waren sie auch
alle grosse Benzinsäufer. Wenn wir uns aber nach dem Verbrauch der Wagen
erkundigen wollten, konnte uns kaum je ein Händler Auskunft geben, da
kanadische Kunden diese Frage anscheinend nie stellen. Im Internet fanden wir
dann allerdings viele technische Details über Autos, welche uns angeboten
wurden und so fanden wir heraus, dass sie fast alle 13-16 lt/100 km fressen. Es
ist ja ein offenes Geheimnis, dass wir unser Geld lieber für unser eigenes
leibliches Wohlergehen ausgeben, als für dasjenige unseres fahrbaren
Untersatzes und so suchten wir weiter intensiv nach der Nadel im Heuhaufen. Am
Ende entschieden wir uns für einen Saturn, eine Marke die zum GM Konzern
gehört, aber eher nach japanischem Vorbild gebaut wird. Der Wagen ist ein
9 jähriger Kombi mit erst 87'000 km und einem 4 Zylinder 1.9 lt Motor. Er
kostete C$ 3'750 ohne Steuern, was dann auf total
4'300 Kanadische Dollar kam, etwa 2'650 Euro. Nachdem wir ihn eine
Weile gefahren waren, stellten wir erfreut fest, dass er tatsächlich nur 6.3
Liter Benzin auf 100 km verbraucht - Bingo!
Unkompliziert und schnell wurde unsere Neuerwerbung
registriert und versichert und selbst den Bonus unserer schweizer
Autoversicherung konnten wir dank ihrer Bestätigung unseres unfallfreien
Fahrens, auf die Versicherung des Teilstaates Britisch Columbia übertragen.
Nun waren wir also bereit, unsere grosse Kanada Tour zu
starten. Nur 20 km ausserhalb Vancouvers hatten wir die Strasse schon fast für
uns alleine. Wir folgten einem wunderschönen Fjord nordwärts und übernachteten
nach nur 50 km bereits wieder in Squamish,
weil wir diesen kleinen Ort so interessant fanden. Nicht dass dieses Dorf
besonders hübsch gewesen wäre, es waren eher die Unterschiede zu Vancouver, die
uns hier faszinierten. Anstelle eines grossen Angebotes an ethnischen
Restaurants, gab es hier fast nur Restaurant-Ketten, meistens
Fast-Food, dafür etwa 20 davon. Nicht alle entsprachen dem amerikanischen
Vorbild, auch Mexikanisches, frisch gerösteter Kaffee, frisch gebackene
Muffins oder Croissants und Milchshakes wurden angeboten und eine Kette
spezialisierte sich auf Eiscreme.
Wie im ganzen Land, fanden wir dort auch einige der so
genannten "Looney Shops", Geschäfte in denen die meisten Artikel zu
einem Dollar angeboten wurden. Amüsanterweise nennen die Kanadier ihre
Eindollar Münze "Looney", was auf den Loon, einen Wasservogel der auf
der Prägung erscheint, hinweist, der "Tooney" für die 2 Dollar Münze,
deutet dann aber auf die Zahl zwei "two" hin. Zudem gibt es noch
altmodisch genannte Quarters: 25 Cents, Dime 10 Cents und Nickel 5 Cents.
Da die Jugendherberge in der wir uns eingenistet hatten,
mit einer guten Küche ausgestattet war, sahen wir uns im Supermarkt um. Wir
waren etwas irritiert über die hohen Preise und wir fragten uns erst recht, wie
es die Restaurants schaffen, so grosse Portionen zu so günstigen Preisen
zu servieren. Nur Grosspackungen, Vorgekochtes und "Billiges-in-jeder
Hinsicht" wurde günstig angeboten. Da es uns aber vor "(nur) fast
food" graust, zahlten wir den Preis und trugen 2 Einkaufstaschen ins
Hostel.
Von Squamish nordwärts, durchfuhren wir eine erstaunlich
gebirgige Landschaft und sahen bereits die ersten kanadischen Grosshirsche
(Mule Deer). Obwohl es regnete, machten wir kurz Halt im noblen Sommer- und
Winter-Skiresort Whistler. Das ganze "Dorf" wurde erst vor kurzem
zwischen den Skipisten aus dem Boden gestampft.
Nach ein paar weiteren Stunden auf sehr kurvigen
Strassen, übernachteten wir in einem Motel in Lillooet. Der kleine Ort hatte
etliche charmante alte Häuser, welche immer noch an den längst vergangenen
Goldrausch erinnerten, auch wenn heute nur noch 2'700 Seelen das Dorf bevölkern
und nicht mehr 15'000 wie gemäss Geschichte in seiner Glanzzeit um 1860.
Entlang vielen Flüssen und Seen, fuhren wir durch
hügelige Landschaft weiter ostwärts. In Salmon Arm
suchten wir lange nach einer geeigneten Unterkunft, doch fanden wir weder
eine Herberge, noch ein günstiges Motel. Schlussendlich wurden wir dann aber
mit einer Erfahrung belohnt, von der wir nicht sicher sind, ob wir sie im Leben
noch einmal machen werden; wir gingen ins Altersheim!
Die Wetterprognose leitete uns südwärts, nach Kelowna im Okanagan Valley, wo es
tatsächlich über 30 Grad warm wurde, was wir natürlich sofort wieder
ausnützten. Während es andernorts regnete, aalten wir uns am See in der Sonne.
Wir liessen uns erklären, wo der FKK Stand ist und standen bald ratlos vor
einem Schild, welches allen Hundebesitzern gebot, ihre Lieblinge immer an der
Leine zu führen und allen Badegästen verbot, sich völlig zu entblössen. Was
jedoch sahen wir ? Ebenso wie offensichtlich alle Hundebesitzer ihre Leine
vergessen hatten, hatten auch alle Sonnenanbeter ihre Badehose vergessen und so
gesellten wir uns sorglos zu den anderen Analphabeten.
Unser Weg führte uns weiter, entlang verschiedener Seen,
durch grüne bewaldete Hügel und Täler. Mit einer Fähre überquerten wir den
Arrow Lake und stoppten bald darauf in der wunderschön gelegenen Herberge INTERNATIONAL
HOSTEL in Nakusp.
Diese war erst vor kurzem von einer Engländerin mit indischem Blut und ihrem
französischen Partner eröffnet worden. Mit ihnen hatten wir ein paar interessante
Gespräche und sie gaben uns wertvolle Tips, wo wir ausser den kommerziellen
Thermalquellen, auch eine einsame heisse Quelle mit Pool, mitten im Wald finden
können. Bei unserer Ankunft bei der St. Leon Thermalquelle,
wechselten wir ein paar Worte mit dem Paar, welches gerade dabei war, diesen
wunderschönen Ort zu verlassen. Die beiden meinten ganz spontan, wir könnten
das Becken jetzt ganz für uns alleine haben und es gäbe keinen Grund
Badekleider anzuziehen, wenn wir dies nicht möchten. So genossen wir also das
40‹C warme Schwefelwasser an diesem friedlichen Ort unter den Föhren und waren
denen dankbar, die den kleinen Pool gebaut hatten und immer noch sauber
unterhalten.
Sowohl auf der Rückfahrt, als auch am nächsten Tag, sahen wir Bären entlang der
Strasse. Der erste überquerte sogar nur wenige Meter vor unserem Auto, den
Waldweg. Da es in den Bergen noch immer sehr viel Schnee hatte, kamen die
Bären, hungrig nach dem Winterschlaf, in tiefere Regionen herunter.
Als nächstes verunsicherten wir die kanadischen Rocky
Mountains und erreichten schlussendlich den berühmten Lake Luise im Banff National Park. Sein
türkisfarbenes Leuchten war phenomenal und dies obwohl die Sonne nicht schien.
Es wurde sogar noch krasser, als wir den See von oben herab betrachteten,
während wir den Anstieg zum Mirror Lake unter die Füsse nahmen. Der Zweite
wurde aber seinem Namen "Spiegelsee" nicht gerecht, da er teilweise
immer noch mit Eis bedeckt war (Anfang Juni)! Auf dem Weg weiter zum höher
gelegenen Lake Agnes, war der Wanderweg zum grossen Teil noch mit knietiefem
Schnee belegt. Agnes'See war dann noch mehr mit Eis zugefroren, aber um uns für
den Anstieg zu belohnen, war das Teehaus an seinem Ufer schon geöffnet und so
verwöhnten wir uns mit 'Devon-Tea'. Es war ein sehr gemütliches und beliebtes
Lokal und es füllte sich plötzlich noch mehr, als es draussen wild zu schneien
begann. Glücklicherweise war der ganze Spuk nach einer halben Stunde schon
wieder vorbei und so marschierten wir trocken zurück ins Tal hinunter. Diese
Wanderung hatten wir vom überteuerten Touristendorf Lake Louise aus gemacht.
Nur schon die Übernachtung im 4 Betten Schlafsaal kostete für uns beide 84
Can.$ (52 Euro), andernorts zahlten wir oft C$ 40 für ein Privatzimmer. Wir
müssen aber auch zugeben, dass diese Jugendherberge deutlich luxuriöser war, als
alles andere, das wir bisher gesehen hatten. Neben vielem anderem gab es da
eine Sauna, welche wir allerdings nicht benutzen wollten, nachdem wir das
Schild am Eingang gelesen hatten. Darauf stand: "clothing must be worn at
all times" - Kleider muss man da drin tragen; KLEIDER!!! Heinz
erinnerte sich gleich an die Erfahrung, die er vor 16 Jahren in einer anderen
kanadischen Sauna gemacht hat, als er diese im Adamskostüm betrat und von allen
anderen angestarrt wurde, die im Trainer da sassen...und es waren alles Männer.
Dies sind wohl die kulturellen Unterschiede; in der Schweiz würde man doch
rausgeworfen werden, wenn man nicht nackt in die Sauna käme und hier scheint es
wohl genau umgekehrt zu sein.
Draussen in der Natur sahen wir erstaunlich viele Tiere.
Meistens Hirsche und Bären in der Nähe der Strasse und wohin wir auch gingen,
stellten sich Erdmännchen und Streifenhörnchen auf die Hinterbeine um uns
besser zu sehen, manchmal auch Murmeltiere und Eichhörnchen. Als wir dann
wieder etwas in die Prärie hinaus fuhren, sahen wir noch einen Wolf oder
Kojoten, wir sind uns nicht sicher.
Da wir in Calgary unsere Freunde Juliet
& Basim treffen wollten, unterbrachen wir unsere Entdeckungsreise der
Nationalparks der Rocky Mountains. Dies war ein spezielles Treffen, da
Heinz vor 16 Jahren Juliet genau in dieser Gegend kennen gelernt hatte. Vor
eineinhalb Jahren zog die Familie, die inzwischen zwei Kinder hat, von
Australien in die Provinz Alberta in Kanada um. Sie verwöhnten
uns nach Strich und Faden und durch sie bekamen wir einen vertieften Eindruck,
wie Immigranten dieses Land erleben. Ein Beispiel, welches uns besonders
amüsierte, war ihre Äusserung zum kanadischen Brot. Sie sagten "nachdem
wir in Europa gewesen sind, realisierten wir erst, dass das australische Brot
nur Schrott ist. Seitdem wir aber das kanadische kennen, wissen wir erst, dass
das australische bei weitem nicht das Schlechteste ist!" Wir konnten nur
beipflichten, da für uns, wie könnte es anders sein, gutes Brot ebenfalls etwas
Wichtiges ist. Bis jetzt war es uns aber nicht all zu schlecht gegangen in
dieser Hinsicht, da wir oft in kleinen Dörfern übernachtet hatten, welche
vorwiegend Immigranten aus Europa anzuziehen schienen. Nicht selten hatten sie
eine Bäckerei eröffnet, die recht schweres und knuspriges Brot verkaufte und ab
und zu konkurenzierten sich sogar zwei oder gar drei deutsche Bäckereien in
derselben Gemeinde.
Als wir unsere Reise fortsetzten, übernachteten wir im Dorf Pincher Creek, nahe der
amerikanischen Grenze. Von dort aus besuchten wir den Waterton Nationalpark, an
dessen See es unglaublich windig war. Nun wunderte es uns nicht mehr, dass in
dieser Gegend dutzendweise Windgeneratoren aufgestellt wurden. Wiederum zurück
auf dem Weg zu den Rocky Mountains, stoppten wir bei einem Berg, von dessen
Flanke im April 1903 plötzlich 30 Mio.Kubikmeter Fels zu Tal gedonnert
waren und dabei grosse Teile des Dorfes Frank unter sich begraben hatten. Oben,
von der Gedenkstätte "Frank Slide memorial site" her,
konnte man auch 100 Jahre später noch sehr eindrucksvoll sehen, was die
mächtigen Naturgewalten alles angerichtet haben.
Da wir aber von den positiven Seiten der Kraft der Natur profitieren wollten,
beschlossen wir kurzfristig, eine heisse Quelle aufzusuchen. Da man uns aber
sagte, dass unser Fahrzeug für den Waldweg zu derjenigen, die wir uns vom
Buch ausgesucht hatten, nicht geeignet sei, fuhren wir zu einer anderen, besser
erreichbaren, die uns empfohlen wurde. Die Waldstrasse zu dieser Thermalquelle
war in bestem Zustand, wurde aber etwas schlammig, als Regen einsetzte. Als wir
dort eintrafen, war unser Wagen wie in einer Schlamm-Kurpackung gebadet, was
ihn aber überhaupt nicht schöner machte. Nachdem wir den gut besetzten
Parkplatz gefunden hatten, sowie den breiten Weg sahen, der hinunter zum Fluss
führte, dachten wir uns, es ist vielleicht besser, hier die Badehose dabei zu haben,
man weiss ja nie. Als wir bei den 3 Badebecken der heissen Quelle ankamen,
wunderten wir uns weder über das viele Volk, noch darüber, dass alle Männer
knielange Hosen trugen. Wie wir vorher bereits von deutschen Einwanderern
erfahren hatten (den Bäckern) wird in ganz Nordamerika ein Mann, der eine
kurze, wie in ganz Europa übliche Badehose trägt, als Homosexueller
abgestempelt. Da Heinz nicht nach dieser Erfahrung zumute war und Brigitte sich
nicht vor den Augen dieser prüden Zuschauer umziehen wollte, zumal diese
bereits massenweise leere Bierbüchsen um sich türmten, bliesen wir zum Rückzug
und verpassten stattdessen unserem Auto eine Wäsche.
Nach einem Stop in Invermere, fuhren wir zurück in die
Rocky Mountains. Eine enge Schlucht bildete die natürliche Eingangspforte zum Kootenay National Park und kurz
darauf hielten wir beim Olive Lake, dessen Farbe im Name wiedergegeben wurde,
an. Später durchfuhren wir ein grösseres Gebiet, welches von riesigen
Waldbränden des letzten Jahres deutlich gezeichnet war... Obwohl es an diesem
Tag vornehmlich sonnig gewesen war, wechselte das Wetter plötzlich und wurde
eiskalt. Als wir im Touristenort Banff eintrafen, begann es sogar
noch leicht zu schneien unter dem Regen. Nichts desto trotz, suchten wir nach
Unterkunft und bekamen vom Verkehrsverein die Adresse einer alten Dame, welche
ein paar kleine Holzhüttchen vermietete. Diese waren zwar alt, aber relativ
preiswert und gehörten zu den letzten Gebäuden, welche noch nicht
niedergerissen und durch grosse Neubauten ersetzt worden waren, die Banff in
eine moderne Touristenstadt verwandelt hatten. Nachdem wir verschiedene
Tagesausflüge gemacht hatten, folgten wir dem Icefields Parkweg, welcher von
Lake Louise aus für 230 km nordwärts nach Jasper, im Jasper National Park führte.
Diese Strecke war für uns der Höhepunkt der Rockies. Schneebedeckte Gipfel,
mehrere Gletscher, welche wildkreuzende Bäche und auch Seen spiesen,
dominierten das Landschaftsbild. Obwohl die Strasse mehrfach auf 2'000 Meter
über Meer anstieg, hatten wir nie das Gefühl, auf einer Passtrasse zu fahren.
Sie glich eher einer kurvenfreien, gut ausgebauten Talstrasse. Entlang dieser
grandiosen Landschaftskulisse, sahen wir immer wieder verschiedene Wildtiere,
die in dieser Gegend leben. Oft sahen wir die Autos vor uns anhalten, was fast
ein sicheres Indiz dafür war, dass irgend ein Tier in der Nähe graste, oder oft
waren auch wir es, die den Verkehr zum Stillstand brachten, wenn wir was
erspähten. Wir kamen uns vor, als wären wir auf einer nordischen Safari. Neben
Grosshorn-Schafen, sahen wir auch viele kanadische Grosshirsche mit ihren
riesen Geweihen, weisse langhaarige Bergziegen, aber das faszinierendste für
uns, war eine Schwarzbärin mit ihrem braunen Jungen. Entlang der Strasse
gab es viele Gelegenheiten um einen Aussichtspunkt zu besuchen, oder eine
längere oder kürzere Wanderung zu machen. Peyto- und Hektor Lake waren die
beiden schönsten Seen die wir sahen. Der erste leuchtete in wunderschönem
Türkis, welches vom Gletschersteinmehl her rührt. Das Gebiet in dem mehrere
Gletscher zusammen liefen, wurde Columbia Eisfeld genannt und Touristen mittels
spezieller Allradbusse zugänglich gemacht. Besucher aus aller Welt bekamen hier
die Möglichkeit geboten, in Sandalen und kurzen Hosen hautnah zu erleben, wie
kalt sich das Gletschereis anfühlt und selbstverständlich ein paar weisse
Bilder zu schiessen.
Das Besucherzentrum war total kommerzialisiert, mit
seinen 100 Bus- und unzähligen Autoparkplätzen ausserhalb des Gebäudes glich es
fast ein wenig einem Flughafen, denn vor Abfahrt der Touren wurden die
Touristen auf die verschiedenen "Gates" verteilt.
Die nächsten vier Tage verbrachten wir in Jasper, welches zwar ebenfalls ziemlich touristisch,
aber einiges kleiner ist und für unseren Geschmack wesentlich mehr Charme hat,
als Banff. In dieser Ortschaft gab es in vielen Häusern Privatzimmer zu mieten
und ironischerweise landeten wir schlussendlich bei einer netten Schweizerin,
welche vor 36 Jahren nach Kanada ausgewandert war. Von hier aus starteten wir
zu Tagesausflügen, um die Höhepunkte der Region zu erkunden. Am schönsten
fanden wir die folgenden: Maligne- und Medicine Lake, Mount Edith und sein
Gletschersee, das Tal der 5 Seen und Mount Robson. Als wir die Berge Richtung
Edmonton verliessen, sahen wir einen letzten Bären und mehrere Hirsche entlang
der Strasse.
Wir besichtigen die West Edmonton Mall,
welche bis vor kurzem das grösste Einkaufszentrum der Welt war. Die 800
Geschäfte machten uns weniger Eindruck, als die verschiedenen Unterhaltungs-
und Freizeitparks, welche Teil der Mall waren. Hier gab es ein grosses
Schwimmbad mit Wasserrutsche und Wellenmaschine, eine Kunsteisbahn, Minigolf,
eine Kirmess mit Achterbahn und allem was dazu gehört. Ein künstliches Meer mit
Korallen und Schiffswreck, sowie mehrere U-Boote und auch Taucher, welche
die Kunstwelt erkundeten, sowie darüber schwimmend: eine Replika des Schoners
Santa Maria. Erstaunlicherweise gab es hier bloss einen einzigen
Lebensmittelladen und dieser war zudem noch ein sehr spezieller: es war ein
chinesischer, welcher wahrscheinlich weniger westliche Produkte führte,
als ein gleichgrosser Supermarkt in China selbst. Wir versuchten das
Beste draus zu machen und mussten uns entscheiden zwischen Broten mit Kürbis,
Ananas, Kokosnuss oder Mango. Zur Abwechslung war das Mal etwas ganz
Spezielles.
Irgendwie war uns nicht danach zu Mute, ins Stadtgewühl
von Edmonton zu fahren und so suchten wir das Helios Naturistengelände direkt
auf, welches noch etwa 50 km weiter östlich liegt.
Wie hierzulande auf Campingplätzen üblich, reisten die meisten
Gäste mit einem Wohnmobil an, welche hier „Recreation Vehicle", oder kurz „RV"
genannt werden. Aus diesem Grund sind die Zeltplätze erst gar nicht
eingerichtet auf Kunden, welche bloss mit einem einfachen Zelt anreisen, und so
gibt es weder Kühlschrank noch Küche, Shop oder Snack-Bar.
Die Mitglieder von Helios setzten aber alle Hebel in
Bewegung, um uns trotzdem aufnehmen zu können. In Windeseile wurde ein
Mietwohnwagen für uns hergerichtet und ein Kühlschrank im Wald installiert, da
derjenige im Wohnwagen unheilbar krank war. Da das Innenlicht bloss auf 12 Volt
ausgelegt war, mussten wir es mit unserer Autobatterie speisen. Das
Anschluss-Kabel dafür, war jedoch zu kurz, was sich aber bald änderte und
selbstverständlich wurde uns noch eine Ersatzbatterie zur Verfügung gestellt,
falls diejenige unseres Wagens den Geist aufgeben sollte.
Nachdem uns alle herzlich willkommen geheissen hatten,
genossen wir das geheizte freiluft Schwimm- und Sprudelbad des Klubs. Es wurde
uns auch angeboten, die Sauna zu benutzen, falls wir uns nicht davor scheuten,
den Holzofen einzuheizen. Als wir nachfragten, wann die Sauna üblicherweise in
Betrieb sei, erfuhren wir, dass dieses Ereignis in den letzten drei Jahren gar
nie mehr statt gefunden hatte.Wir dachten uns, dass es demnach wieder Mal an
der Zeit wäre, und so beschlossen wir, den Ofen noch am selben Abend
einzuheizen. Wir informierten die Leute über das anstehende seltene Vorhaben.
Bis wir dann aber nachdem Abendessen wieder im Aquazenter, wie sie es nannten,
eintrafen, hatte bereits jemand die Sauna gereinigt und den Ofen eingefeuert.
Etwa ein Duzend der Klubmitglieder nahmen die Gelegenheit wahr und sorgten dafür,
dass die Sauna wirklich zu einem sau-nahen Erlebnis wurde.
Als wir einkaufen gingen und nach Brot suchten,
welches weder in Scheiben geschnitten, noch in Plastik verpackt war, half
uns die Dame der Bäckereiabteilung im Laden und fand die beste Lösung darin,
dass sie uns gefrorene Teig-Rohlinge mitgab, wie sie normalerweise im Laden
aufgebacken werden und verkaufte sie uns erst noch zum Einstandspreis. Die
einzige Sorge blieb, ob der Backofen in unserem Wohnwagen auch funktionieren
würde, denn dies hatten wir bisher nicht überprüft... Und tatsächlich: am
nächsten Morgen hatten wir dieses herrlich aufgegangene rohe Brot und
versuchten krampfhaft, den Gasofen zu zünden, doch die Flamme sprang nicht
über. Zum grossen Glück hatten wir einen begabten Nachbarn, ein junger
Aussteiger, der den ganzen Sommer über auf dem Helios Gelände lebt und er
konnte den verkorksten Gas-Kanal wieder frei bekommen. Von jetzt an, genossen
wir täglich knusprig frisches Brot.
Wenn man bedenkt, dass es hier anscheinend oft
vorkommt, dass es ende Mai noch schneit, konnten wir hier mit dem Juni-Wetter
mehr als zufrieden sein und so blieben wir schlussendlich über eine Woche an
diesem schönen Ort. Täglich wurden wir von jemandem auf dem Gelände zu einem
Drink eingeladen und es war sehr gesellig. Wir fühlten uns hier sogar noch
willkommener, als sonst schon überall, wo wir in Kanada hin kamen.
Als wir dieses Naturisten-Paradies verliessen, fuhren
wir nach Drumheller, welches für seine
Dinosaurier Fossilien und Sandsteinformationen berühmt ist, die man Hoodoos
nennt. Diese Sandsäulen formten sich in einer heute trockenen ausgewaschenen
Schlucht, mitten in einem sonst sehr flachen Gebiet. Als wir ostwärts weiter
fuhren, kamen wir für viele hundert Kilometer durch eine grüne, aber baumlose
Prärie, was irgenwann langweilig wurde, und genau so empfanden wir Saskatoon, die Hauptstadt von
Saskatchewan. Anscheinend hat es hier 230'000 Einwohner, aber wir sahen kaum
eine Seele auf der Strasse. Trotz der sonnigen 27‹C und einem Jazzfestival im
Stadtzentrum, schien sich abends um acht jedermann in seiner Wohnung zu
verstecken, als ob es immer noch schneien würde, wie dies am 1. Juni der Fall
gewesen sei. Wir fanden nichts Charmantes am Städtchen und es gab kaum
Restaurants oder andere Unterhaltungsmöglichkeiten, obwohl es eine
Universitätsstadt ist. Es glich eher einem Zusammentreffen vieler
Industriequartiere, welche sich in alle Richtungen ausdehnten. Dies war wohl
das typische Kanada der Weissen, welche bereits hier geboren wurden und sich
mit fett-triefendem Fast-Food zufrieden gaben. Meistens nahmen sie sich nicht
einmal die Zeit, sich zum Essen hin zu setzen. Eher bestellten sie sich ihren
Frass am „drive-through Schalterg und fuhren im Auto mampfend weiter. Die
wenigen, welche sich zum Essen im Restaurant noch etwas Zeit nahmen, waren
immer drei Mal schneller fertig als wir. Sie bestellten sich genug von den
grossen Portionen und liessen sich den Rest in einem „Doggy-Bagg einpacken,
damit sie sich am nächsten Tag nochmals schnell die Resten im Mikrowellenherd
aufwärmen konnten. Kein Wunder, dass Grössen XL, XXL, und XXXL überall
verfügbar sind.
Für weitere zwei Tage fuhren wir durch die endlose
Prärie, wobei wir noch einen Abstecher zu den Sanddünen im Sprucewoods Provincial Park machten. Diese sind
doch für diese Gegend recht ungewöhnlich, erst noch so weit inland.
Im Regen erreichten wir Winnipeg in der Provinz
Manitoba, eine Stadt die uns wieder gefiel. Wenn du vernimmst, dass es gute
Restaurants gab, die bis 2 oder gar 4 Uhr morgens geöffnet blieben, denkst du
sicher, dass es dies war, das uns begeisterte, aber das allein war es nicht!
Diese Stadt war wieder multikulturell gemischt und selbst um Mitternacht gab es
hier noch deutlich mehr Leben auf der Strasse, als in Saskatoon abends um
sieben.
Uns sind die vielen Unter- und Überführungen
aufgefallen, welche im Stadtzentrum fast sämtliche Bürogebäude und
Shoppingzentren miteinander verbinden. Weil die Winter hier bitterkalt werden,
ist es für die Menschen hier sicher angenehm, wenn sie vom Parkhaus ins Büro,
zum Einkaufen oder zur Bibliothek, dann ins Restaurant oder ins Kino gehen
können, ohne je nach draussen zu treten.
Die ersten beiden Abende im Hostel waren sehr ruhig
und es hatte kaum Gäste. Am dritten Tag jedoch zogen viele interessante Leute
in die Herberge ein und alle sassen bald zusammen. Ein junger Kanadier bot an,
am nächsten Abend für alle Sushi zu "kochen". Die Vorbereitungen dazu
dauerten ziemlich lang, aber es kam Feststimmung auf und gegen
Mitternacht sassen ein Duzend Leute schlemmend beisammen. Einige der Leute
waren älter als wir, andere aber kaum halb so alt wie wir und ziemlich punkig.
Wir hatten alle eine tolle Zeit und es wurde 4 Uhr morges, bis all die Geschichten
aus Kanada, England, Deutschland, Spanien und den Niederlanden ausgetauscht
waren.
Nach fünf Tagen in Winnipeg, fuhren wir weiter zum
Naturistengelände Crocus Grove,
70 km nördlich der Stadt. Dieses Vereinsgelände ist super ausgestattet.
Nebst einem grossen geheizten Schwimmbad, gibt es ein grosszügiges
Klubhaus mit Sprudelbad und Sauna, sowie grossen Gemeinschaftsräumen mit
Tischen, Bibliothek- und Fernseh-Ecke. Sogar eine vorbildliche
Gemeinschaftsküche stand zur Verfügung, gross genug, um für den ganzen
Verein zu kochen. Die Lebensmittel hätten wir allerdings besser im voraus
gekauft, denn der nächste richtige Lebensmittelladen war über 40 km entfernt.
Als Alternative bot sich das Restaurant des nahegelegenen Golfklubs an. Das
Menü listete zwar fast nur "Fast-Food" Gerichte auf, wie häufig in
Gaststätten auf dem Lande in Kanada, da aber alles frisch zubereitet wurde,
mundete es wirklich gut. Wir wollten eigentlich ein zweites Mal hingehen,
aber wir hatten immer noch nicht gelernt, dass ausserhalb der Grosstädte
fast alles um acht Uhr dicht macht. Zurück im Camping, kochten wir uns halt
Spaghetti und genossen dafür noch das Sprudelbad. Wir bewohnten ein
kleines Hüttchen und kamen mit sozusagen allen der freundlichen Klubmitglieder,
die da waren, ins Gespräch. Das einzig Störende, waren allerdings die
Schwärme von königlich Kanadischen Stechmücken im umgebenden Nadelwald, welche
sich Tag und Nacht daran erfreuten, dass die Menschen hier keine Kleider
tragen...
Nach ein paar Tagen überliessen wir sie wieder ganz
den Klubmitgliedern und machen uns auf, Richtung Ontario. Kaum hatten wir die neue
Provinz erreicht, änderte sich die Landschaft dramatisch. Die flachen Felder
wurden plötzlich von einer Wald- und Seenreichen Landschaft abgelöst, welche
derjenigen in Finnland glich. Witzigerweise hatten sich genau hier viele
finnische Einwanderer niedergelassen, welche ihre Siedlungen Finmark, Atikokan,
Lappe und sogar Suomi und Finland nannten. Zu unserer Freude hatten sie auch
die finnische Art des Fischräucherns mitgebracht und schon bald kauften wir
welchen. Dasselbe galt für die Saunasitten, von denen man uns erzählte, dass
hier jede Familie mit ihren Freunden nackt sauniert, jedoch niemals mit Fremden
in öffentlichen Saunen. Viele besassen ein typisches Sauna-Mökki
(Ferienhäuschen) an einem einsamen See. Einige seien sogar nur mit einem
Wassflugzeug erreichbar, welche hier in der ganzen Region gemietet werden
konnten. Unsere erste Übernachtung in diesem Gebiet, legten wir in Nestor
Falls ein, einem Ort, der wegen seiner Nähe zur
amerikanischen Grenze, vor allem bei Touristen von dort beliebt ist,
die zum fischen hierher kommen.
Zufälligerweise trug Heinz sein altes GSOA T-Shirt, mit dem vielsagenden
Spruch: "If war is the answer, the question must be fucking
stupid" ("ist die Antwort Krieg, muss die Frage verdammt blöd
sein)" und all die Kanadier, die hier die Amerikaner bedienten, hatten
ihre helle Freude dran.
Nach Thunder
Bay folgte die Strasse dem ersten der fünf grossen Seen
Nordamerikas. Zuerst für ein paar hundert Kilometer Lake Superior, wo wir
erneut einen Übernachtungsstop in einem Motel in Wawa einlegten (am
13.7.04, dem ersten Tag mit Nebel am Morgen und erneut am Abend). Tagsdrauf
fuhren wir dem Huron See entlang, wo wir mit einer Fähre in zwei Stunden die
Georgian Bay überquerten, womit wir den Weg nach Toronto deutlich abkürzten.
Mit Glück kriegten wir noch ein kleines Appartment im Glen
Echo, einem Naturistengelände nördlich der Stadt.
Inzwischen fühlten wir uns reif für die Insel und dieser Ort war die perfekte
Oase um eine Woche von unserem Reisealltag auszuspannen. Auch hier gab es ein
sehr grosses Klubhaus, welches sogar mit einem Hallenschwimmbad ausgestattet
war. Das riesige Sprudelbad hatte die stärksten Massagedüsen die wir je
genossen hatten und die Sauna wurde drei Mal wöchentlich nach Plan aufgeheizt.
Im oberen Stockwerk gab es eine Snackbar, Lese- und Fernseh-Ecke, sowie drei
Tischtennis-Tische und einen Tisch-Fussball (Töggeli) Kasten. Das von Laubwald
umgebene Gelände hatte zwei grosse Liege- und Spielwiesen und einen künstlich
angelegten Teich mit einem winzigen Inselchen drin. Die Campingplätze auf denen
die Klubmitglieder ihre Hüttchen bauten, waren im Wald verteilt und hatten
keinen Strom. Es gab unzählige Wege durch den Wald, hinaus auf die Felder und
da es dort nicht all zu viele Mücken gab, genossen wir diese ausgiebig, denn es
schränkten uns keine Zäune ein.
Das Wetter war die ganze Zeit über recht warm, was leider immer zu Gewittern
führte, ausser an einem einzigen Tag. Für uns war es ungewohnt, dass die
Gewitter jeweils schon zur Mittagszeit einsetzten und sich oft innerhalb von
nur 5 Minuten aus dem vorher heiteren Himmel entwickelten. Einmal war der
Wolkenbruch so stark, dass der Teich innerhalb einer Stunde über die Ufer trat
und die Uferböschung richtig-gehend in einen Wasserfall verwandelte. Der
Spielplatz weiter unten stand dann plötzlich inmitten eines reissenden Flusses.
Wir besichtigten Toronto, Kanada's grösste Stadt,
in einem Tagesausflug von Glen Echo aus. Bis am Abend hatten wir unsere Füsse
platt gelaufen und dies, obwohl wir uns eine Tageskarte für den öffentlichen
Verkehr gekauft hatten. Wir bekamen den Eindruck, dass diese Stadt eher für
Geschäftsleute, als für Touristen interessant ist. Der 533 Meter hohe CN Turm
macht da wohl noch eine Ausnahme.
Nach unserer Zeit im Glen Echo ging`s weiter zu den Niagara Fällen an der
Grenze zu den USA. Der effizienteste Weg dorthin war die Schnellstrasse QEW,
welche keine Nummer hatte da die Abkürzung für "Queen Elisabeth Weg"
steht... Die ersten englischen Siedler hatten offenbar bereits starkes Heimweh
als sie hier ankamen; oder weshalb haben sie wohl ihre neu gegründeten
Siedlungen nach den Heimatorten benannt? So gab es auch hier Hamilton,
London welches am Fluss Themse liegt und einen Hydepark, dann ein neues Stratford
an einem Fluss den man nun Avon nennt, sowie Windsor .
Nach nur zwei Stunden erreichten wir die Niagara
Fälle, welche sehr eindrücklich waren, vor allem die "horse shoe
falls" auf der kanadischen Seite. Leider war die Uferumgebung
alles andere als naturbelassen und unzählige Hochhäuser säumten die
Strasse, welche vor allem Luxushotels und Casinos beherbergten. Um die
Wasserfälle zu sehen, kommen die meisten der jährlich 12 Mio.
Besucher nur ein Mal, die Casinos hingegen können süchtig machen, was natürlich
das bessere Geschäft ist.
Auf dem Weg zurück nach Toronto Richtung
Ottawa, kamen wir an vielen expandierenden Dörfern vorbei, in denen
richtige Neubauquartiere aus dem Boden gestampft wurden. Diese waren alle
im selben Stil gebaut, entweder als Reihenhäuser oder als freistehende Villen
und die Häuserreihen konnten unendlich weit gehen. Sie alle wurden in
elementbauweise aus Holz erstellt und jeweils noch mit einer dünnen
Backsteinfassade versehen, wohl damit sie etwas solider aussahen.
In Ottawa
machten wir eine Erfahrung, von der wir hoffen, dass wir sie in unserem
Leben nie anders machen müssen : wir gingen in den Knast. Eigentlich war es
eine Jugendherberge die früher ein Gefängnis gewesen war. Eine witzige
Situation ergab sich, als wir mit dem Auto den Weg dorthin suchten. An einem
Lichtsignal sprach uns der Fahrer von der Spur neben uns an, ob wir wüssten
wo`s lang geht, weil er sah, dass wir den Stadtplan studierten. Wie aber
erklärt man jemandem in nur 5 Sekunden dass wir ins Gefängnis wollen ?
Kanada's Hauptstadt ist mit seinen vielen in
altfranzösischem Baustil erstellten Regierungsgebäuden wirklich sehenswert. Da
diese zweisprachige Stadt direkt am kanadischen "Röstigraben" d.h. an
der Grenze zu Québec liegt, ist hier der französische Einfluss schon deutlich
spürbar. Plötzlich gab es einen grossen Markt und unzählige gepflegte
Restaurants und Strassencafés, in denen die Leute bis spät abends zusammen
sassen, plauderten und das Leben genossen. Hier verliessen sie das Lokal nicht
mehr "fluchtartig" sobald sie den letzten Bissen verzehrt
hatten.
Im Stadtzentrum fanden wir überall knusprige
Baguettes, aber nur ein paar hundert Meter ausserhalb, sah es schon wieder so
aus, wie sonst überall in englisch Kanada: alles was dort angeboten wurde,
konnte man wiederum nur fast essen, es war halt wieder nur noch
"fast-food".
Nun war es an der Zeit herauszufinden, ob Québec,
Kanada's französischsprachige Provinz wirklich so unterschiedlich ist, wie wir
immer hörten.
Da für die letzten Julitage warmes und sonniges Wetter
vorher gesagt wurde, wollten wir profitieren und beschlossen als erstes ein
Naturistengelände zu besuchen. Die Auswahl war gross. Allein auf den 250 km
zwischen Montréal und Québec City gab es 9 Campingplätze und jeder von
ihnen hatte ein Restaurant, was darauf schliessen liess, dass FKK
hier viel populärer sein muss als in Englisch-Kanada. Auf gut Glück
wählten wir "Loisirs Air Soleil", 80
km südöstlich von Montréal aus unserem FKK-Führer aus. Uns vorher noch
telephonisch nach dem Weg zu erkundigen, wäre hier nicht nötig gewesen, denn
das Gelände war bereits von der Autobahn-Ausfahrt her, durch mehrere Dörfer hindurch
gut ausgeschildert. Später erfuhren wir, dass diese Tafeln sogar von der
Regierung bezahlt und aufgestellt worden waren. Quelle différence! Im
englischen Teil gab es jeweils erst am Eingangstor ein kleines unauffälliges
Schild. Da sah man also bereits, wie viel offener die Gesellschaft hier ist und
die Vielzahl an Gästen auf dem Camping bestätigten dies nur. Sicher, es war ein
Ferienwochenende, aber es hat uns trotzdem überrascht wie viel ähnlicher es
hier zu Europa`s FKK Geländen aussah. Selbst unter der Woche blieben noch zehn
Mal mehr Gäste übrig, als wir an den Wochenenden auf allen drei Geländen
im Westen zusammen gesehen hatten.
Air-Soleil hatte auch nicht bloss ein oder zwei
Mietunterkünfte, sondern deren 15 und diese waren sehr gut belegt. Wir hatten
gerade noch Glück, den letzten Wohnwagen zu kriegen der für eine Woche
verfügbar war. Daneben gab es noch etwa 40 Besucher-Zeltplätze, von denen
einige sogar ein extra Hüttchen hatten, in dem sich ein privates WC und ein
Kühlschrank befand. Die Vereins-Mitglieder belegten etwa 350 Plätze mit ihren
Wohnwagen oder Häusern und weitere waren noch im Bau. Ganz im Gegensatz zu
englisch Kanada, sah man hier viele junge Familien mit Kindern und auch sehr
viele Jugendliche, denen man anmerkte, dass sie sich hier absolut wohl fühlten,
sicher auch weil der Klub so viele Aktivitäten anbot. Die einzige Einschränkung
hier war: "kein Lärm VOR 10 Uhr morgens!"
Im neuesten Teil der Anlage war vor kurzem ein
Hallenschwimmbad und Jacuzzi eröffnet worden. Eine perfekte Ergänzung zum
bestehenden Aussenschwimmbad, welches ebenfalls geheizt wurde und ausserdem gab
es ein Mini-Shop mit einem Snack-Restaurant.
Unerfreulich war hingegen, wie schlecht wir das
hiesige Französisch verstanden. Québecois tönt so unterschiedlich von dem
Französisch Europas, weshalb wir anfangs fast gar nichts verstanden. Wenigstens
war es mit dem Schriftlichen eher ähnlich.
Hier gab es nun eine richtige Réception mit zwei
Angestellten, von denen die eine Englisch sprach - wie gut. Sie veranlasste,
dass jeder auf dem Gelände, der etwas Englisch sprach, von unserer Anwesenheit
Wind bekam. Deshalb kam Robert am nächsten Tag vorbei und fuhr uns in
seinem Golf-Cady im ganzen riesengrossen Gelände umher. Er zeigte uns auch ein
Gebiet in dem die Natur noch ziemlich unberührt war, denn das Grundstück
grenzte an einen Fluss und an einen Sumpf in dem sich eine Biberburg
befand. Er stellte uns auch vielen Leuten vor, die ebenfalls Englisch sprachen,
sowie mehreren seiner Familienmitglieder, welche hier ebenfalls einen Wohnwagen
haben. Bald bekamen wir den Eindruck, dass hier in Québec viele
Vereinsmitglieder ihren Freunden und Verwandten erzählen, wie gut es ihnen hier
gefällt und dies ist wohl der Grund dafür, weshalb FKK hier immer beliebter und
akzeptierter wird, während im englischen Teil genau das Gegenteil der
Fall ist.
Auch die Amerikaner Olga und Steve waren hier
Klubmitglieder geworden, nachdem sie all die amerikanischen Gelände, welche sie
besuchten, als zu langweilig und zu einsam empfanden. Die vierstündige Anfahrt
und die andere Sprache waren Kompromisse die sie bereit waren, dafür einzugehen
und inzwischen sprechen sie schon so viel Québecois, dass sie total
integriert sind. Nachdem wir mit ihnen eine Stunde lang geplaudert hatten,
luden sie uns spontan zum BBQ ein und danach sassen wir noch bis tief in die
Nacht hinein ums Lagerfeuer. Wir haben Geschichten ausgetauscht und erfahren,
wie sie und viele andere Amerikaner sich für die Bush-Regierung schämen, wie
auch für das grosse Geschäft in dem sich alle mit dümmsten
Anschuldigungen gegenseitig für Schadenersatz verklagen.
Am nächsten Tag wollten sie uns zum fischen mitnehmen
aber wir konnten die Sache so drehen, dass wir schlussendlich nur mithelfen
durften, den Fang zu verzehren.
Nachdem wir ihnen eine Ausgabe vom englischen
FKK-Magazin "Naturist Life" zeigten, in welchem ein Bericht über
unsere letztjährige Reisestory veröffentlicht worden ist, meinten sie spontan,
es wäre doch gut, wenn auch Mal andere Gesichter auf den Fotos wären, statt
immer nur unsere und stellten sich spontan selbst zur Verfügung. Am
gleichen Abend kamen Robert und Steve nochmals bei unserem Wohnwagen vorbei und
erklärten lang und breit, was hier auf dem Gelände die Bedingungen seien, um
Fotos zu machen. Beide dachten wir, "da gibt es wohl wieder Probleme
und als nächstes müssen wir wohl die gemachten Fotos wieder
löschen". Dies war uns auf einem anderen Gelände schon passiert, wo später
der "Hof-Photograph" des Klubs dieselben Bilder, nur von uns,
wohlgemerkt, nochmals nach machte. Seine Nahaufnahmen von uns waren so perfekt,
dass man bestimmt nicht mehr erkennen konnte, wo sie aufgenommen worden
sind und nachdem zwei Vorstandsmitglieder sie begutachtet und für
veröffentlichungswürdig befunden hatten, wurden sie uns drei Wochen später per
e-mail zugestellt...
Aber Air-Soleil war ja in Québec! Es ging nicht
um dasselbe. Am Ende der langen Geschichte erfuhren wir, dass die gemachten
Bilder ok sind und dass die beiden eigentlich offerieren wollten, für das
Familien-image zu werben und deshalb einige Klubmitglieder mit ihren
Kindern zu einer Fotosession zusammentrommeln wollten für uns. Am nächsten Tag
traf zufälligerweise ein kanadischer Berufsfotograph ein, welcher
bereits mehrere Bücher zum Thema FKK veröffentlich hatte. Sein Name war Richard
West und er erwärmte sich natürlich ebenfalls sofort für diese Idee. Als man
dann am Schluss den Besitzer von Air-Soleil um Erlaubnis für diese Fotosession
bat, willigte dieser jedoch für eine so kurzfristig angesetzte Sache nicht ein,
denn er hatte bereits einen Gerichtsfall am Hals, wegen einer früheren
Publikation mit Richard und so wollte er sicherstellen, dass alles schön
vorbereitet war und jeder Beteiligte eine schriftliche Einwilligung
unterschrieb.
Wie auch immer, wir genossen unsere 10 Tage in
diesem Klub mit seinen vielen Animationen wie Pétanque, Tennis,
Hufeisen-werfen, Volleyball oder am Abend: Theater oder Gesangsspiele (von
denen wir leider überhaupt nichts verstanden). Da fast vor jedem Campingplatz
ein- bis zwei Golf Cady standen, wurde selbstverständlich auch ein Rennen mit
diesen Wägelchen organisiert. Es waren nicht nur die Jugendlichen, welche wie
Kamikaze-Piloten die steilsten Sandhügel hinunter rasten!
Nach neun Tagen in Air Soleil, besuchten wir Joe Beelen,
Brigitte's ehemaliger Chef der nun wieder in Montréal
lebt.
Seit er uns im März 2002 im Costa Natura besucht
hatte, haben wir uns nicht mehr gesehen.
Weil es in seiner Wohnung brütend heiss wurde,
ermunterte uns Joe, unsere Kleider nicht zu verschwitzen. Da dies aber Shizue,
Joe's neuer Lebenspartnerin aus Japan, Unbehagen bereitete und wir keine Krise
in ihrer Beziehung provozieren wollten, zogen wir uns jeweils nach der
Morgentoilette wieder züchtig an. Im Gegensatz zu anderen Einwanderern aus
Asien, hat sich in der japanischen Mentalität und Denkensweise von Shizue noch
sehr wenig geändert und auch dieses wenige verheimlicht sie mangels
Selbstvertrauen gegenüber ihrer Familie und Freunden und wagt
nicht einzugestehen, dass sie nun zumindest teilweise, ein westliches
Leben führt.
Die beiden führten uns als Erstes in die
Läden ihrer Umgebung und wir waren total begeistert von dem, was wir dort
sahen. Dieselben Lebensmittelgeschäfte, die wir von West-Kanada her kannten,
führten hier plötzlich ein deutlich besseres und grösseres Angebot. Vor allem
in den Frischwaren- und Delikatessenabteilungen hatten wir nun plötzlich wieder
das Gefühl in Frankreich zu sein und dies eben nicht bloss, weil um uns herum
vor allem Französisch gesprochen wurde. Die Käseauswahl war riesengross, nebst
den einheimischen Sorten, welche sich vor allem durch verschiedene Farben
unterschieden, gab es nun auch noch ein vielfältiges Angebot an Marken aus ganz
Europa, aber teuer waren sie alle!
Es gab auch eine grosse Auswahl an Paté, frischem
Fisch und lebenden Meerfrüchten. Auf der süssen Seite gab es nun einiges mehr
als die bisherigen drei standard Schokoladetafeln. Die Gestelle waren voll mit
Edelware, importiert aus Belgien, Frankreich und der Schweiz. Hier haben wir
wieder ein gutes Beispiel gesehen, was gutes Marketing ist: vor fast 20
Jahren versuchte der schweizer Migros Konzern (pardon: die Genossenschaft) ihre
Schokolade in Kanada für einen Dollar abzusetzen, während jede Tafel
Lindt vier Dollar kostete. Die Billigware liess sich aber nicht absetzen,
da im Kopf der Kanadier eine gute "Schwiizer Schoggi" nicht noch
deutlich billiger sein kann, als schlechte amerikanische. Migros hat gelernt:
heute werden hier in Québec die edelsten Lindt Tafeln zu $ 2.90 angeboten,
hingegen die teuersten Migros Schkoladen als "Swiss delice"
aufgewertet und zu $ 3.60 gehandelt und lassen sich nun plötzlich
absetzen - Gutes darf nicht billig sein!
Gerade neben dem Supermarkt in Joe's Nachbarschaft,
gab es den "Marché de l'Ouest", ein grosses Marktareal mit frischen
Früchten, Beeren und Gemüsen die im gedeckten Aussenteil verkauft wurden.
In der Halle selbst gab es verschiedene Metzgereien, sowie
eine Fischhandlung. Dieses Schlaraffenland wäre nicht perfekt, ohne
Bäckereien und es gab hier etwa 6 davon. Alle verkauften sie knusprig frisches
Brot und einige führten über 40 Sorten, von denen keine einzige gleich nach dem
Backen durch tranchieren und in Plastiksäcke verpacken entwertet wurde.
Zusätzlich gab es eine grosse Auswahl an Torten, Kuchen und Kleingebäck, dass
einem nur so das Wasser im Mund zusammen lief. Nachdem unser Gaumen bestätigen
konnte, dass das Angebot der Bäckereien nicht nur gut aussah, sondern auch so
schmeckte, wunderten wir uns, weshalb es wohl einige Supermärkte für nötig
hielten, vorgefertigte Teigrohlinge für Baguettes, Pain-au-chocolat und
ähnlichem aus Frankreich zu importieren und hier nur noch aufzubacken.
Joe und Shizue zeigten uns all die schönen Ecken der
Stadt; von den Strassen-Café's die den Boulevard am St. Lawrence Fluss säumten,
hinauf zum Aussichtspunkt des Mont Royal. Was uns ebenfalls stark beeindruckte,
wenn auch nicht so positiv wie die vorherigen Orte, war der Abstecher ins
staatseigene Casino der Provinz Québec. Tausende von Spieler pilgerten
hierher um sich freiwillig von ihrem Geld zu trennen und es der Regierung zu
spenden. Allerdings kamen uns die meisten Spieler so vor, als würden
sie lauthals protestieren, wenn der Staat ihre Steuern auch nur um ein paar
wenige Dollar anheben wollte. Anders als sonstwo, waren die Spieler aber
absolut normal gekleidet und niemand erschien in "Gala-Uniform". Die
Mehrzahl von ihnen waren entweder Rentner oder gehörten zu den
Minderbemittelten, welche sich das Spielen eigentlich schon gar nicht leisten
könnten. Viele waren offensichtlich spielsüchtig.
Es ist erstaunlich, mit welch kleinem Versprechen auf
etwas gutes Glück man die Leute dazu verleiten kann, eimerweise Münzen in die
"einarmigen Banditen" zu werfen. Auch an den Spieltischen verspielten
die meisten so viel, man könnte glauben, sie hätten alle Geld wie Heu. Es war
irgendwie schockierend zu erkennen, wie einfach es ist, die Massen davon zu
überzeugen, was recht und was unrecht ist. Es scheint absolut
gesellschaftsfähig zu sein, einer Sucht zu verfallen, welche entweder die
Regierung reich macht oder eine starke Lobby hat. Sobald aber jemand von einer
Droge abhängig ist, welche weder Geld bringt, noch eine starke Lobby hat, gilt
man als Krimineller. In den meisten Provinzen Kanada's ist spielen verboten!
Ist unsere Gesellschaft nicht intelligent genug um
eins und eins zusammen zu zählen und zu realisieren, wie stark sie eigentlich
manipuliert wird?
Ein paar Mal fuhren wir auch alleine ins Zentrum von
Montréal um diese Stadt näher kennen zu lernen. Dort scheint immer etwas los zu
sein und wenn es grad kein Festival gibt, kommen die Leute halt einfach um in
der Fussgänger-Zone zu flanieren und die vielen Strassencafé's und Restaurants
zu bevölkern. An einem warmen Sonntagnachmittag spazierten ganze Völkerscharen
entlang des Hafens. Für uns ist es nur schwer vorstellbar, dass dieser breite
Fluss jeden Winter für 5-6 Monate gefriert. Wir hörten auch, dass es vor allem
im Frühling und Herbst keine Seltenheit sei, dass die Temperaturen in nur zwei
Stunden um 30‹Grad Celsius fallen können.
An einem Abend verabredeten wir uns mit Edith &
Ioran, einem spanisch-holländischen Paar, welches wir im Hostel in Winnipeg
kennen gerlernt hatten und die ebenfalls wie wir, die Sushi-Party genossen
hatten. Dies war das einzige Mal, dass wir in Montréal auswärts assen, jeden
andern Abend verwöhnte uns Shizue mit ihren japanischen Kochkünsten.
Wir verliessen Montreal in östlicher Richtung
entlang dem St. Lawrence Fluss, der von Villen und Ferienhäusern gesäumt war. Viele hatten einen eigenen Bootssteg an welchem oft
nicht nur ein Boot, sondern manchmal sogar noch ein Wasserflugzeug angelegt
war.
Am 12. August 2004 quartierten wir uns in
"Nature-Détente",
einem FKK Gelände in der Nähe von Québec City ein.
Wiederum waren wir überrascht, wie beliebt dieses Zentrum mitten unter der
Woche war. Auser den ca. 250 Campingplätzen, gab es etwa 20 Hotelzimmer zu
mieten, welche auch mit Halb-Pension angeboten wurden. Da sowohl die Qualität
des Restaurants, als auch der Preis stimmte (ca. 300 Euro für 1 Woche HP für 2
Pers.) mussten wir einfach zuschlagen, denn ohne Essen wär's bloss 75 Euro
billiger gewesen, und dies für 2 Leute - gutes PLV, geh?
Das Herz der Anlage bestand aus einem
Hallenbad um das sich mehrere Sitz-Ecken, die Sauna, ein Sprudelbad, ein
Fernseh- und Billiard Zimmer, sowie eine Bar und das Restaurant gruppierten.
Der ganze Komplex wurde auf 26‹C geheizt, dank dem man den ganzen Tag keine
Kleider brauchte. Dies war um so attraktiver, da selbst nachdem das Restaurant
gegen 22:30 Uhr schloss, das gesammte Aquazenter samt Bar, mindestens bis
Mitternacht und bei genügend Betrieb auch noch länger, geöffnet blieb. Ein
idealer Platz also für das normalerweise nicht so freundliche kanadische
Wetter. Was aber nicht heisst, dass es nicht auch Einrichtungen für die
Schönwettertage gegeben hätte. Nebst einem grossen Badesee gab es auch
Volleyball und Pétanque, Minigolf und vieles mehr.
Nach einer erholsamen Woche fuhren wir weiter, um die
Stadt Québec
zu besichtigen.
Diese Stadt mit ihrer Festungsmauer um die Altstadt ist
wirklich ein Bijou und hat zu recht ihren Platz auf der Liste des Unesco
Weltkulturerbes ergattert. Die Häuser und das Leben der Innenstadt glich Europa
und vor allem Frankreich. Oder eigentlich war es angenehmer, denn hier hatte es
überall blitzsaubere öffentliche Toiletten und nirgends Hundekacke auf dem
Gehsteig...
Überall sah man Touristen aus der ganzen Welt, deutlich
erkennbar an ihren Shorts, Foto- oder Videokameras. Die einzigen die hier
fehlten, waren Kanadier aus den englisch sprachigen Provinzen, die zu sehr
fürchteten, dass sie hier ohne französische Sprachkenntnisse nicht überleben
könnten. Die vielen Amerikaner, die hierher pilgerten, schafften es jedoch
seltsamerweise spielend, sich zu verständigen und dies wohl kaum in
Französisch!
Mit ihren unzähligen Souvenir-Shops, Strassencafé's und
Restaurants erinnerte uns diese Stadt stark an Sarlat la Canéda in der
französischen Dordogne. Wir wissen, dass die Leute von Québec ein stolzes Volk
sind und nicht unbedingt mit den Franzosen verglichen werden möchten. Wie auch
immer, wir sehen nicht ein, was daran falsch wäre, da sich das Leben hier von
demjenigen in den englisch-sprachigen Provinzen wie Tag und Nacht
unterscheidet.
Separatisten oder nicht, Québec fühlt sich wirklich wie
ein anderes Land an. Wirtschaftlich macht es natürlich keinen Sinn, wenn sich
diese Provinz von Kanada trennen würde!
Wir konnten uns einfach nicht wehren, dauernd sahen wir
Ähnlichkeiten zu Frankreich, seien es nun die Lebensweise, wie die Häuser hier
gebaut wurden, oder noch viel mehr, wenn man die Speisekarten las.
Normalerweise beinhaltete eine Mahlzeit hier
mindestens drei Gänge, ab und zu auch bis zu 12 und es dauerte den ganzen Abend
bis das ganze fertig genossen war.
Nicht wie in Westkanada, wo es regelmässig vorkam,
dass es die Leute fertig brachten, innerhalb von nur 20 Minuten ein Set-Menü zu
bestellen, zu verzehren und zu bezahlen, vor allem bei chinesischen
Restaurants klappte das.
Sorry, dass wir nochmals auf Frankreich zurück kommen: in
Toronto hatte uns ein Kanadier von seinem Urlaub dort berichtet: "in einem
Restaurant mussten die Gäste stundenlang warten, bis langsam aber sicher
all die vielen kleinen Gänge serviert wurden, aber das Erstaunlichste war:
niemand hat reklamiert!".
In ganz Québec wurde das Essen in kleinen, oft hübsch
dekorierten Portionen angerichtet und "dogy-bags" kennt man dort
nicht. Die Speisen wurden sehr blumig beschrieben, es gab "Magret de
Canard, foie gras, riz d'agneau + chèvre chaud" Terrine oder Paté zur
Vorspeise und nicht nur der Fisch wurde jeweils in einer Sauce schwimmend
serviert. Es ist unnötig zu sagen, dass wir diese Stadt in jeder
Hinsicht genossen.
Dank dem es immer noch herrlich warm war, machten wir
eine Reservation für ein Bungalow im "Le
Cyprès". Dummerweise lief jedoch etwas schief und alle
Hüttchen waren vergeben, als wir dort eintrafen. So endeten wir schlussendlich
nochmals für drei Tage im "Nature-Détente",
nur 50 km weiter.
Mit der nächsten Hitzewelle zogen wir nordwärts zum
Naturistengelände "Cité du Soleil"
in der Nähe des lac St. Jean. Da wir uns mit den Besitzern dieses kleinen
Campings sehr gut verstanden, luden uns diese zu einer Mahlzeit mit Elchfleisch
ein. Nach vier Tagen siegte schlussendlich unser Drang nicht nur Na-Turist,
sonder auch Tourist zu sein. Um so mehr, nachdem wir hörten, dass momentan
in Tadoussac, wo der
Saguenai und der St. Lawrence Strom zusammen fliessen, die beste Zeit sei, um
Wale zu sehen. Dort mischt sich das Salzwasser, welches bei Flut inland drängt,
mit dem Süsswasser der Flüsse. Dabei entsteht eine gigantische Brutstätte für
Krill, die kleinen Garnelen, welche die Hauptnahrungsquelle der Meeressäuger
stellen. Der grösste von allen, der bis zu 27 Meter lange und bis zu 150 Tonnen
schwere Blauwal, schafft es anscheinend, täglich bis zu 4 Tonnen dieser kleinen
Lebewesen zu fressen.
Verschiedene Walarten kommen den ganzen Sommer über
hierher in diesen Fjord, welcher über 1'300 km vom offenen Meer entfernt ist
und dies, nur um zu fressen.
An mehreren Orten rund um Tadoussac war es möglich die
Wale vom Ufer aus zu beobachten - wenn man nur Geduld hatte. Die Kolosse kamen
nur kurz an die Wasseroberfläche um Luft zu holen, bevor sie wieder abtauchten.
Wir hatten das Glück, einige verschiedene dieser Giganten zu sehen und
Nationalpark Angestellte erklärten das Leben der Tiere.
An unserem ersten Tag in Tadoussac (28.8.) war es noch
herrliche 26‹C warm gewesen, aber es schien uns so, als hätte der Herbst über
Nacht Einzug gehalten. Am darauffolgenden Tag hatte es nämlich bloss noch 14
Grad, und es war neblig und nass-kalt.
Wir wohnten in einem hübschen Gîte (Frühstücks
Pension) und jeden Abend zogen wir los, um die franz... nein: québeker
Restaurants zu geniessen. Regelmässig kriegten wir "kleine
Gedichte" auf unseren Tellern präsentiert.
Auf einer Auto-Fähre überquerten wir den St. Lawrence
Fjord, welcher hier auf der Höhe von Rimouski, bereits 40 km breit war. Von
dort aus, ging unsere Reise weiter ostwärts, entlang der Halbinsel Gaspé.
Die Strasse folgte eng der Küste und ihr entlang gab es immerzu ein paar
Häuser, aber meist doch zu wenige, als dass man ein Dorf hätte erkennen können.
Wir übernachteten in St. Anne und Percé.
Letzteres wurde dank seinem riesigen vorgelagerten Kalksteinfelsen mit
einem Loch drin, zu einem florierenden Touristenmagnet. Sicher war die Insel
ein hübscher Blickfang, aber den ganzen Rummel fanden wir etwas übertrieben.
Als wir in der Provinz New Brunswick eintrafen, fiel uns
sofort auf, dass es hier nun wieder deutlich mehr "fast-food" gab,
obwohl diese Provinz offiziell zwei-sprachig ist. Die französischen
Einwanderer, welche sich Akadier nennen, sind hier vor allem entlang der
Ostküste vertreten.
Wir übernachteten in Bathurst und später in Shediac,
der selbsternannten "Lobster-Hauptstadt" der Welt. Natürlich konnten
wir nicht wiederstehen, davon zu profitieren und so entschieden wir, dass zwei
Hummer, welche bis anhin ein freies Leben im atlantischen Ozean geniessen
durften, nun ihr Leben lassen müssen und uns ihr geschmackvolles Fleisch
überlassen sollen.
Weil wir in einem sehr gemütlichen
"Bed+Breakfast" wohnten, beschlossen wir die berühmten Hopewell
Felsen in der Fundy Bay als Tagesausflug zu besuchen. Diese
einzigartigen Sandsteinformationen waren von den höchsten Fluten der Welt,
welche hier bis zu 17 Meter ausmachen, ausgewaschen worden. Bei Ebbe war es
möglich auf dem nun freigelegten "Meeresboden" zu spazieren und
sich die freistehenden Säulen genauer anzusehen, bevor sie ein paar Stunden
später bei Flut wieder zu Inseln wurden.
Nach Shediac erreichten wir bald die Provinz Nova Scotia,
welche fast eine Insel bildet und auch hier gab es noch ein paar wenige
französisch sprachige Flecken. Die meisten Bewohner haben aber schottischen
oder irischen Ursprung. Mit Fisch- und vor allem Hummer-Fang erarbeiten sich
auch hier die Menschen ihre Töstchen - Brötchen essen sie hier ja keine ...
Selbst Mc Donalds machte am Strassenrand Werbung für
seine Hummer-Sandwich. Dies machte uns so neugierig, wir mussten diese
probieren und wir geben unumwunden zu: sie schmeckten gut und um so besser,
weil sie uns nicht einmal belastet wurden.
Nach einem kurzen Schlechtwetter-Einbruch stiegen die
Temperaturen bald wieder auf 15‹C an und sofort wurden wieder überall die
Klima-Anlagen eingeschaltet. Vermutlich haben die Kanadier Angst, sie könnten
sich an warmes Wetter gewöhnen. Wir aber, haben darauf anders
reagiert, als es tagsdrauf dann sogar 26 Grad warm wurde. Wir legten einen
(letzten) Tag am Strand ein. Wir hatten Angaben über eine einsame Bucht in der
Nähe von Inverness, doch die Waldstrasse dorthin war so löchrig, dass Brigitte
beschloss, das Auto stehen zu lassen und dass wir den Rest zu Fuss zurück legen
sollten. Bald darauf jedoch, nahmen uns andere Touristen mit. Sie fuhren einen
Mietwagen und machten sich über den Zustand der Strasse kein
Kopfzerbrechen.
Die anderen blieben nur kurz und so hatten wir den
ganzen Strand für uns alleine. Nun, anfangs September genossen wir die Sonne um
so mehr, da wir im Wetterbericht gesehen hatten, dass es gleichentags am andern
Ende Kanada's, in Edmonton zum ersten Mal schneite.
Am nördlichsten Ende von Nova Scotia waren die Hügel des Kap Breton
in dicken Nebel gehüllt als wir da hin kamen und deshalb überlegten wir uns
bereits, ob wir nicht vielleicht umdrehen sollten um auf besseres Wetter zu
warten. Doch es gab eine Belohnung, dass wir durchhielten: wir sahen
plötzlich zwei Elche am Strassenrand. Ein grosses Weibchen und ein jüngerer
Bulle. Quer durch's Land hindurch hatten wir immer gehofft, solche Tiere zu
sehen und so waren wir natürlich hoch erfreut über diese Begegnung. Als
wir die andere Seite des Cap Breton erreichten, lösten sich die Wolken sehr
schnell auf und kurz darauf fuhren wir bereits wieder unter stahlblauem Himmel.
Die Küstenlandschaft sah hier schon wieder anders aus. An der Nordküste hatte
es zuerst noch Wiesen und später bewaldete Klippen gehabt, die bis ans Wasser
reichten, hingegen hier lagen nun grosse rosa Granitblöcke am Strand.
In ganz Nova Scotia war es sehr einfach, gemütliche
Frühstückspensionen (B+B) zu finden, wie z.B. in Baddeck. Immer wieder fanden
wir ein Dorf mit mehreren guten Restaurants und dies vor allem dort, wo es
viele Touristen hatte. Zu der Zeit als wir dort waren, kamen diese
hauptsächlich aus den USA. Oh ja, dies furchtlosen Amerikaner welche
tatsächlich den Mut hatten auf eigene Faust ins (feindliche) Ausland zu reisen,
waren ja so ganz anders, als diejenigen, welche zu Hause blieben. Wir hörten
mehrmals, wie sich die ersteren darüber ärgerten, wie stark ganz Nordamerika
mit "Fast-food" verseucht sei. Für sie war die kulinarische
Erkundigung ebenso ein wichtiger Bestandteil des Reisens, wie für uns.
Heinz hatte den Eindruck, dass die Unterschiede zwischen
Kanada und Amerika heute nicht mehr ganz so gross sind, wie vor 16 Jahren. Vor
allem die "Unsitte" für alles Mögliche und Unmögliche sofort
Schaden-Ersatz zu fordern, hat auch hier in Kanada Fuss gefasst, wenn auch die
zugesprochenen Summen hierzulande noch deutlich tiefer liegen. Egal was man
kaufte oder wo man eintrat, überall fand man deutlich sichtbare Warnungen,
welche den Hersteller oder Eigentümer von jeglicher Verantwortung entbinden
sollte. Achtung Stufe, Vorsicht heiss, Rutschgefahr bei Regen etc. In vielen
Schwimmbädern durften Kinder unter 14 Jahren nicht alleine hin und an einigen
Orten mussten sie sogar Schwimmwesten tragen im Pool. In vielen Teichen war es
verboten zu schwimmen und wer sich in ein Boot setzen wollte, musste eine
Schwimmweste tragen. Diese Bestimmungen wurden eingeführt, nachdem es Unfälle
gegeben hatte die hohe Schadenersatzforderungen zur Folge hatten. Inoffiziell,
so sagte man uns, sei aber meist Alkohol im Spiel gewesen. Ist denn niemand
mehr für sich selbst verantwortlich?
Ihr solltet die Betriebsanleitung zu unserem Auto sehen.
In etwa einem Drittel des dicken Buches wird erklärt, was alles
passieren könnte, wenn man z.B. die Sicherheitsgurte nicht anlegt, die Scheiben
nicht reinigt, bei Einbruch der Dunkelheit ohne Licht fährt, vor dem
Einlegen des Rückwärts-Ganges nicht hinter dem Wagen nachsehen geht ob nichts
im Weg sei, oder wenn man unter Alkoholeinfluss fahren würde. Die
Liste war unendlich lang und wir fragen uns, ob die Autohersteller
hierzulande glauben, dass die Fahrer alle ihren Führerschein im Lotto gewinnen,
dass sie ihnen all dieses Allgemeinwissen auch noch vermitteln müssen.
Halifax
war eine angenehme Stadt mit vielen Touristen, die sich vor allem um
den Hafen konzentrierten. Jetzt, mitte September war es immer noch sehr
lebhaft, aber wie muss es erst in der Hochsaison ausgesehen haben, als die
Kreuzfahrtschiffe hier anlegten?
Wir wohnten in einer sehr schön gelegenen Pension in der
Nähe von Peggy's Cove.
Dies ist, trotz grosser Berühmtheit, immer noch ein ursprüngliches
Hummer-Fischerdorf, geblieben, dessen Hafen von vielen vorgelagerten Inseln
geschützt wird. Als wir dort eintrafen, hat sich der Nebel gerade erst
gelichtet. Anscheinend sei dies ein sehr häufig anzutreffendes "Natur
Übel" und dies nicht nur im Herbst. Wir hatten aber Glück, dass uns die
Sonne begleitete als wir gemächlich der Südküste entlang weiterfuhren bis wir
in Yarmouth die Westspitze Nova Scotia's erreichten. Die Landschaft da unten
war wunderschön und sie hat Brigitte am besten gefallen von allen. Auf der
einen Seite der Strasse sah man Flut-abhängige Moorlandschaften und auf der
Küstenseite gab es viele zerklüftete kleine Inseln, draussen im Meer. Auch die
vielen kleinen Dörfer mit ihren schönen Holzhäusern, wie z.B. Lunenburg und
Shelburne, verliehen der Gegend einen ganz speziellen Charme.
Sobald wir die Nordküste erreicht hatten änderte sich das
Landschaftsbild wieder und war unserer Ansicht nach, nicht mehr ganz so
spektakulär. Die Strasse führte uns um die Bay of Fundy und schlussendlich
wieder zurück nach New Brunswick. Verursacht durch die hohen Unterschiede
zwischen Ebbe und Flut, gab es hier viele verschlammte Flüsse, die wie flüssige
Schokolade aussahen und damit dieser Gegend eine spezielle Note verliehen.
Für einige Tage mieteten wir uns ein gemütliches und
luxuriöses Hüttchen in St. Martins, wo wir ein wenig Pause machten und am
Reisebericht, den du jetzt liest, weiter schrieben.
Als wir dort wieder los fuhren, überraschte uns ein
riesengrosser Schwarzbär, der unweit vor unserem Wagen gemütlich die Strasse
überquerte und dies nur ganz kurz vor der Ortschaft St.
Andrews.
Dies war noch eines der wenigen kanadischen
Dörfer, wo ein farbiges Holzhaus gleich neben dem andern stand.
Am selben Tag machten wir auch einen
Abstecher zur Insel Deer, was sich schon allein für die Überfahrt gelohnt hat,
denn die Fähre durchquerte ein wahres Inselreich.
Fredericton und Woodstock waren unsere nächsten Stopps, als wir entlang dem reizvollen
St. John Flusstals
weiter nordwärts fuhren. Die Wälder bekamen nun langsam ihr Herbstkleid, woran
sich Brigitte immer enorm freut.
Bereits bei unserem Mittagshalt in Edmundston waren wir wieder zurück in
französichem Gebiet, noch bevor wir selbentags unsere (neue) Lieblingsprovinz
Québec erreicht hatten. Unsere hohen Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Schon
im kleinen Ort Cabano, das 3`000
Einwohner zählt, gab es zwei Restaurants die „haute cuisineg servierten, dazu
noch mehrere andere gute Lokale und keine einzige der fettriefenden
Imbissketten war vertreten. Wir fanden dort ein nettes Gîte (Pension) wo uns
ein erstklassiges Frühstück serviert wurde.
Einen weiteren Halt machten wir in Rivière du
Loup. Hier waren wir nun wieder am St. Lawrence Strom
zurück, diesml an dessen Südküste. Als wir dem Fluss entlang westwärts fuhen,
kamen wir einer abwechslungsreichen und schönen Landschaft entlang bis wir die
geschäftigen Vororte von Québec City ereichten. Diese Stadt wollten wir natürlich nicht „links liegen lasseng
ohne erneut von ihrem „savoir vivreg zu profitieren. Wir nächtigten wiederum
zwei Mal in der Jugendherberge, was nicht all zu teuer war, ganz im Gegensatz
zu den Gourmet-Menüfs, die wir uns leisteten.
Bevor wir noch die Gegend um den Mont
Tremblant besuchten, schauten wir schon Mal kurz bei Joe und Shizue in Montréal
vorbei.
Jetzt war die beste Zeit, um voll in den
berühmten „Indian summerg mit seinen tollen Herbstfarben ein zu tauchen. Es war
ein Genuss, entlang den vielen Seen die von bunten Hügeln umrahmt waren, zu
spazieren.
Das Dorf Mont Tremblant war erst vor 15 Jahren gebaut worden und
zwar von derselben Gesellschaft, die auch Whistler auf der Landkarte plaziert
hat. Es dient als Ski-Resort, obwohl die Pisten für schweizer Verhältnisse
recht kurz sind. Wir staunten jedenfalls, dass Busladungen von Touristen aus
aller Welt an diesem Freitag, 1. Oktober, Wochen vor Eröffnung der
Skisaison, zu diesem künstlichen Ort pilgerten, wo alles angeboten wurde
was Touristen zu kaufen pflegen, ob brauchbar oder nicht.
Von hier aus fuhren wir zurück nach Montréal, wo wir uns wiederum bei Joe einquartierten. Hier stand uns alles zur
Verfügung, was wir brauchten um unsere Weiterreise und den Verkauf unseres
Autos zu organisieren.
Obwohl der kanadische Sommer schon deutlich
kürzer ist, als ein europäischer, hatten wir auch hier wieder sehr viel
Wetterglück gehabt.
Überfs ganze Land gesehen, haben uns die
Provinzen am besten gefallen, welche am West- und am Ost-Ende liegen. Unser
Favorit ist die Provinz Québec mit ihrem französischen Charme, gefolgt von Nova
Scotia, Neu Brunswick und Ontario. An der Westküste waren es Britisch Kolumbia,
vor allem Vancouver mit seinem starken asiatischen Einfluss, sowie die Rocky
Mountain Nationalparks in Alberta. Die Regionen dazwischen empfanden wir eher
etwas monoton. Andererseits bekamen wir erst dadurch,
dass wir das ganze Land durchquert haben, einen umfassenden Eindruck und
kriegten damit einen vertieften Einblick in die Unterschiede zwischen den
verschiedenen Teilstaaten die z.T. wirklich unglaublich gross sind.
Nicht einmal
die Verkehrsregeln sind überall gleich! Wer die Provinz wechselt,
kann nicht sicher sein, dass sein Berufsabschluss anerkannt wird und muss unter
Umständen nochmals eine Prüfung ablegen, damit er arbeiten kann. Wo überhaupt
schon „recyceltg wird, scheiden sich die Geister darüber, wie dies zu geschehen
hat und ein einheitliches Flaschenpfand gibt es schon gar nicht.
Mehrmals lernten wir Einwanderer kennen,
die unumwunden zugaben, dass ihre Erwartungen etwas enttäuscht wurden. Sie
fanden hier zwar die Freiheit, dass sie sich genügend Platz leisten konnten,
was sie aber unter echter Freiheit und auch Offenheit verstanden, fanden sie,
sei in Europa einfacher zu finden. Vor allem Neu-Einwanderer berichteten, dass
sie den Eindruck hatten, dass ihre Landsleute, welche vor 20-30 Jahren hier
ankamen, an ihren alten Traditionen und Ansichten festhielten, während sich die
Leute in Europa zwischenzeitlich stark weiter entwickelt haben.
Jetzt wissen wir erst, wie riesig dieses Land
ist und obwohl wir weder Yukon, Alaska noch Neufundland besucht hatten, was wir
ursprünglich in Erwägung zogen, legten wir schlussendlich mehr als 17'000 km
mit unserem Wagen zurück. Wir hatten Glück und konnten dieses Auto, das uns
problemlos durch ganz Kanada geführt hatte, für nur C$ 250 weniger, als wir es 5 Monate vorher gekauft hatten, wieder an den Mann
bringen.
Und wie gehtfs nun weiter? Zufälligerweise
sahen wir ende September auf einer Farm drei Wallabies herum hüpfen. Und wir wollen nun über mehrere kleine
Inseln Mikronesiens hüpfen, bis wir schlussendlich in Australien mehr Wallabies
und Känguruhs begegnen können.
Auf dem Weg von Kanada nach Australien hätten wir gerne noch
das Inselreich Mikronesiens besucht. Wir hatten am 14. Okt. ein gutes Duzend
Inselhüpf-Flüge gebucht, doch tagsdrauf informierte uns Palau-Mikronesian Air,
dass der Flug nach Darwin auf unbestimmte Zeit suspendiert wurde. Wir
hatten trotzdem noch Glück und fanden daraufhin ein wirklich günstiges
Flugticket, welches uns von Montreal direkt nach Melbourne brachte.
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Fotos: Dominikanische Republik |
Casa de Campo: Heile Welt im Ferienghetto!
Vorher jedoch, besuchten wir noch für eine
Woche unseren Freund Urs, der mit uns die Wohnung geteilt hat. Er lebt nun
vorwiegend in der Dominikanischen Republik
wo auch seine Frau Teresa herkam, von der er seit ein paar Jahren
offiziell getrennt war - ab und zu auch wieder nicht, je nach ihrer Laune.
Vor einem Monat ist sie freiwillig aus dem Leben gegangen und dies war für Urs
sehr schwer zu verstehen, zumal er selbst an unheilbarem Krebs leidet. Wir
versuchten ihm etwas von unserer positiven Einstellung zum Tod näher zu
bringen und ihm die Angst davor zu nehmen.
Unser Charterflug landete leider nicht direkt am Flughafen
in seiner Nähe, sondern in Punta Cana, 100 km östlich, wo er uns abholte. Die
Insel war tropisch grün mit unzähligen blühenden Bäumen und
Büschen. Die Häuser entlang der Strasse waren mit erfrischenden bunten
Farben bemalt, aber sie waren meist sehr ärmlich. Wir erfuhren, dass das Haupteinkommen
neben dem Tourismus, aus dem Anbau von Zuckerrohr, Kaffee und Reis
erarbeitet wird. Die meisten Dominikaner verdienen weniger als USD 150.- im
Monat und die Gastarbeiter aus Haiti von der anderen Hälfte der Insel, sind
noch viel schlechter bezahlt.
Urs besitzt eine Villa im 27km² grossen Ferien- und
"reiche Leute" Resort genannt Casa de Campo.
Auch wenn uns das Haus von Urs beeindruckt hat, seines ist noch bescheiden im
Vergleich zu vielen anderen der 1'200 Villen im Resort. Die ganze Anlage ist in
eine wunderschöne Parklandschaft eingebettet und sicher umzäunt und rund um die
Uhr bewacht. Den Bewohnern dieser sorgenfreien Oase werden
unzählige Beschäftigungsmöglichkeiten geboten um ihre Freizeit zu gestalten.
So gibt es hier vier grosse Golfplätze, duzende von Tennisplätzen und
Schwimmbädern, über 200 Pferde und einen Schiesstand. Am Meer gibt es
Segel- und Tauchkurse und natürlich die lärmenden Jet-Boote. Denjenigen
die bloss am Strand liegen wollen, wurden nicht nur Badetücher
abgegeben, nein die Angestellten breiteten diese auch noch auf dem
Liegestuhl aus und platzierten ihn selbstverständlich unter dem
gewünschten Baum oder Sonnenschirm.
Als wir sahen, wie viele schwarze Dominikaner als
Bedienstete der Reichen Oberschicht und der weissen Touristen arbeiteten,
erinnerte uns dies ein wenig an die eigentlich lang vergangene Kolonialzeit. Im
Casa de Campo, wie auch in anderen Ferienanlagen, beschäftigt jedes
Haus mindestens zwei, oft auch mehr einheimische Angestellte, welche
Reinigungs- Garten- und Unterhalts-Arbeiten verrichten. Um die tausenden von
Angestellten an ihre Arbeitsplätze auf diesem riesigen Gelände zu bringen,
betreibt das Resort sogar ein eigenes Busnetz.
In starkem Kontrast zu den niedrigen Löhnen, standen die
hohen Preise in den wenigen Einkaufszentren. Nicht nur Importwaren waren
masslos überteuert und kosteten meist zwei bis drei Mal soviel wie in Kanada.
Wir wunderten uns darüber, wie viele Einheimische dort einkauften.
Ging man ins Restaurant, hatten die Preise schon gar keinen
Bezug mehr zu den tiefen Einkommen und in den Lokalen des Casa de Campo
Resorts, wurde das Ganze noch mehr auf die Spitze getrieben; du
kannst dir vorstellen wie unser Appetit geschrumpft ist, als wir hörten, dass
ein simples Sandwich aus drei Scheiben Toast und etwas Wenigem dazwischen,
sage und schreibe 25 US Dollar hätte kosten sollen. Für diesen Preis
haben wir in Québec jeweils ein mehrgängiges Schlemmer-Menü bekommen, und dort
sind die Löhne mindestens 10 Mal höher als hier!
Die Dominikanische Republik ist ein armes Land und die sich
ablösenden Regierungen führten es noch tiefer in Zahlungsunfähigkeit
und Chaos. Die Regierungsangestellten benutzen das meiste Geld um
ihren eigenen Wohlstand weiter auszubauen, aber auch für die Armee, welche sie
beschützen soll. Der Grossteil der Bevölkerung hingegen, lebt in Armut.
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist immens und deshalb ist
es kaum erstaunlich, dass Kriminalität hier ein Problem ist. Jede Baustelle in
der Dominikanischen Republik wird rund um die Uhr bewacht, sobald mehr
als drei Steine gelagert werden. Aber nicht nur dort, sondern auch in
vielen Geschäften und in leer stehenden Häusern gehören bewaffnete
Sicherheits-Beamte zum normalen Strassenbild. Wenn Urs seinen Wagen zur Garage
bringt, nimmt er routinemässig seinen Anwalt mit um zu verhindern, dass
nebenbei noch ein intaktes Teil ausgebaut wird.
Auf wundersame Weise schaffen es die Dominikanerinnen
allerding meistens, ein paar Pesos für Schönheitsmittel zu sparen, welche ihre
Haut heller machen und ihr krauses Haar strecken sollen.
Haaresträubend empfanden wir das Verkehrsverhalten! Wir
zweifeln daran, dass es überhaupt Verkehrsregeln gibt und falls es doch
welche geben sollte, sind diese bloss zum ignorieren da. Mit Grauen haben
wir festgestellt, wie gut sich Urs dem anpasst, denn in der Schweiz haben wir
ihn nie so fahren gesehen. Er zeigte uns die Gegend rund um La Romana, wo wir
all diese Eindrücke vom dominikanischen Leben sammelten, aber wenn wir im
Areal von Casa de Campo waren, befanden wir uns in einer anderen Welt. Den viel
gepriesenen karibischen Traum hingegen, fanden wir weder innerhalb noch
ausserhalb des Resorts.
Es war sehr interessant Urs in diesem Land zu besuchen und
wir hatten ein paar tiefgründige Gespräche in der
Woche mit ihm.
Die Sardinenbüchse von Air Transat brachte uns zurück nach
Montreal, wo wir unsere letzten drei Kanada-Tage im Stadtzentrum verbrachten.
Wir schlossen unser Bankkonto und holten unser nächstes Flugticket im Reisebüro
ab und trafen uns ein letztes Mal mit Edith zu einem netten Nachtessen à la
Québecoise und interessanter Diskussion.
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